Entwicklung von Pflegerobotern

"Hilfreich, robust, unaufdringlich"

Ein Serviceroboter wird am 3.6.2014 auf der Messe Automatica in München präsentiert.
Zwei Augen, Nase, runder Schädel: So stellen sich viele einen Pflegeroboter vor. Der Informatiker Michael Hübner arbeitet an einem völlig anderem Konzept © picture-alliance / dpa / Peter Kneffel
Michael Hübner im Gespräch mit Nana Brink · 20.05.2015
Die Gesellschaft wird immer älter, immer mehr Menschen brauchen Pflege. Können Pflegeroboter helfen? Ja, sagt der Informatiker Michael Hübner. Dem Menschen ähneln sollen sie aber aus guten Gründen nicht.
Michael Hübner vom Lehrstuhl für eingebettete Systeme der Informationstechnik an der Ruhr-Universität Bochum hat ein Problem: Sein Forschungsgebiet, die Entwicklung von Pflegerobotern, erscheint vielen Menschen erst einmal suspekt. Denn bei dem Thema tauchen sofort Ängste auf: Werden sprechende Roboter einmal Alte und Kranke füttern? Wird menschliche Zuwendung in Altenheimen durch technische Effizienz ersetzt? "Ein Pflegeroboter muss vor allen Dingen akzeptiert werden", betont Hübner vor diesem Hintergrund im Deutschlandradio Kultur. Seiner Meinung nach müssen sie sich wie die selbsttätigen Staubsauger verhalten, die immer weitere Verbreitung in deutschen Stuben finden: Hilfreich, immer einsatzbereit, aber nicht aufdringlich. "Wir arbeiten im Augenblick am Aussehen und an der Integration in den täglichen Haushalt", sagt er. Der Roboter solle später einmal so alltäglich sein wie ein Radio, gibt Hübner vor. Die Akzeptanz sei ein ganz wichtiger Punkt. Der Roboter müsse robust und zuverlässig sein und Hilfestellung im täglichen Leben bieten: "Was wir nicht brauchen, ist so ein kleines Männchen, das im Hause rumläuft und aussieht wie ein Mensch". Also gerade kein Roboter-Arm, der einen morgens füttert: Das würde er auch selbst nicht wollen, sagt Hübner. Aber einer, der über den Tellerrand hinausgucken kann. So sollen Pflegeroboter auch in der Lage sein, Gemütszustände zu erkennen - und notfalls den Arzt rufen, wenn etwas nicht stimmt.

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Immer mal wieder sind ja in den letzten Jahrzehnten Vorstellungen aufgetaucht, Roboter könnten unser Leben vereinfachen oder vielleicht manchmal sogar auch bestimmen! Sie könnten staubsaugen oder den Kühlschrank füllen oder das Auto steuern. Vielleicht können sie das ja auch bald, und vielleicht können sie auch Autos zusammenschrauben, das können sie ja jetzt schon. Aber dass Roboter alte oder kranke Menschen zu Hause pflegen können, das ist zwar auch keine neue Vorstellung, aber immer noch eine sehr gewöhnungsbedürftige.
Pflege und Roboter, menschliche Zuwendung, kalte Technik, das will einfach nicht so richtig zusammenpassen. Ein Trugschluss! Ein internationales Forscherteam, an dem auch die Ruhr-Universität Bochum beteiligt ist, arbeitet bereits genau daran! Professor Michael Hübner hat den Lehrstuhl für eingebettete Systeme der Informationstechnik an der Ruhr-Universität Bochum. Guten Morgen, Herr Hübner!
Michael Hübner: Guten Morgen!
Brink: Ich habe mir ja schon immer vorgestellt oder auch gesehen, dass ein Roboter wie ein Staubsauger funktioniert. Aber was muss denn ein Pflegeroboter können?
Pflegeroboter sollen so alltäglich werden wie selbständige Staubsauger
Hübner: Ein Pflegeroboter muss vor allen Dingen akzeptiert werden. Das ist ein ganz gutes Beispiel mit dem Staubsauger-Roboter oder vielleicht auch die Rasenmäher-Roboter, die es gibt, die treten ja so langsam auch in unseren Alltag ein. Das heißt, es ist gar nicht mehr so unüblich, dass zu Hause etwas rumfährt, das etwas für uns tut. Und genauso sollte es auch in Zukunft sein mit den Pflegerobotern.
Das heißt, sie müssen akzeptiert werden, die sollen nicht aufdringlich sein, sprich also, man kann sich das nicht so vorstellen wie in einer Autofabrik, dass da ein Arm steht, der Menschen jetzt hilft aufzustehen oder hinzusetzen, sondern es muss etwas sein, das in den Alltag eingefügt wird.
Das wird etwas dauern, weil natürlich solche Apparaturen zu Hause jetzt nicht von heute auf morgen kommen können, aber es ist etwas, das im Laufe der Zeit sich entwickeln wird. Und da arbeiten wir in unserem Forschungsprojekt Radio – das hat auch einen Grund, warum wir es Radio nennen, da kann ich gleich was zu sagen – an Möglichkeiten, genau solche Technik in den Alltag einzubringen.
Und wir starten tatsächlich mit so etwas, das aussieht etwa wie ein Staubsaugerroboter, aber den werden wir noch weiter entwickeln. Sprich, der wird Aufbauten bekommen und Funktionen bekommen, die eine Integration in den Alltag, aber auch in solche Dinge wie Hausautomatisierung ermöglichen, damit eine Akzeptanz viel besser stattfindet.
Das heißt, wir arbeiten im Augenblick am Aussehen, wir arbeiten aber auch an der Integration in den täglichen Haushalt, damit genauso ein Roboter so was Alltägliches wird wie ein Radio, der zu Hause vielleicht irgendwo steht, in der Küche steht oder im Wohnzimmer steht und den wir bedienen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir versuchen, diese Akzeptanz und dieses natürliche Dasein im täglichen Leben zu schaffen mit solchen Apparaturen, die wir da aufbauen möchten.
Brink: Also bekommt der dann ein menschliches Antlitz, oder ist das jetzt irgendwie komplett naiv gedacht von mir?
Pflegeroboter brauchen kein menschliches Antlitz
Hübner: Sagen wir mal so, dieses menschliche Antlitz ist etwas, das man immer im Kopf hat, wenn man an Roboter denkt. Wir haben auch erkannt, dass, wenn wir mit unseren Studenten reden und wir reden von Robotern, hat jeder sofort so eine Art Person im Auge im Hause, die herumläuft und Augen hat und einen Kopf hat und Hände hat. Das muss gar nicht unbedingt sein, sondern es muss funktionieren.
Es muss robust sein, zuverlässig sein, und was wir, glaube ich, nicht brauchen, ist so was wie ein kleines Männchen, das im Hause rumläuft und aussieht wie jetzt ein Mensch, sondern wir brauchen etwas, das funktioniert und das eben eine Art Interaktion ermöglicht und eben im täglichen Leben dann Hilfestellung bieten kann. Also, wir arbeiten nicht daran, jetzt so eine Art Menschkopie zu bauen, sondern wir versuchen, etwas zu bauen, das im Lebensalltag funktioniert und die täglichen Lebensunterstützungen eben bieten kann für ältere, kranke Menschen, die Unterstützung benötigen.
Brink: Was muss der dann technisch können? Jemanden aufheben, meinetwegen in die Küche begleiten oder ins Badezimmer?
Hübner: Ja, so was in der Art. Wenn Sie sich vorstellen, dass man Lebensunterstützung bietet in der Art, dass man auch erkennt, dass jetzt gerade eine Situation eintritt, wo man vielleicht auch eher dann auch noch Hilfe holen kann.
Brink: Das soll der Computer erkennen? Pardon, wenn ich Sie unterbreche!
Notfalls ruft der Pflegeroboter auch den Arzt
Hübner: Ja, genau, der Roboter soll auch in der Lage sein, Gemütszustände zu erkennen oder dass sich irgendetwas verändert. Es geht nicht nur darum, jemand beim Aufstehen zu helfen, sondern auch zu erkennen, verändert sich jetzt da gerade ein Zustand, müssen wir jetzt vielleicht auch ärztliche Hilfe oder Pflegepersonal holen. Das heißt, es geht nicht nur darum, jetzt auch physikalisch zu helfen, irgendetwas herumzutragen oder zu begleiten, sondern auch eine Art Erkennen von Situationen durchzuführen.
Das ist eine ganz wichtige Geschichte, weil, ab einem gewissen Moment müssen wir natürlich auch schauen, ob es jetzt nicht besser wäre, halt doch einen Arzt zu holen oder Pflegepersonal zu holen und sich, sagen wir mal, nicht auf den Roboter unbedingt alleine zu verlassen.
Brink: Würden Sie sich von so einem Roboter, den Sie bauen, pflegen lassen?
Hübner: Ich würde das tun, ja. Es fehlt noch ein bisschen, bis ich hoffentlich das benötige.
Brink: Ah, aber so ein leichtes Zögern in Ihrer Stimme!
Hübner: Nein, eigentlich nicht! Sagen wir mal so, im Moment ist es so, dass es jetzt eben Pflegeroboter in der Art noch nicht gibt. Sie haben es ja eingangs auch gesagt, dass man da im Moment dran arbeitet und sich so was erst noch entwickeln muss. Was ich nicht möchte, ist, sagen wir mal, so ein Roboterarm, der mich morgens füttert oder so was, ich möchte das auch anders haben.
Ich möchte das irgendwie schöner haben. Und da arbeiten wir eben alle zusammen, wir machen auch eben Studien, damit wir mal auch ein Feedback bekommen, wie denn, sagen wir mal, auch die Wünsche sind von Menschen, die jetzt im Moment schon diese Unterstützung benötigen, damit wir lernen können, wie so was in Zukunft auch aussehen kann. Aber ich würde es in Kauf nehmen, ja!
Brink: Herzlichen Dank, Professor Michael Hübner, Lehrstuhl für eingebettete Systeme der Informationstechnik an der Ruhr-Universität. Und er baut an einem Roboter für die Pflege.
Hübner: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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