Enttäuschende Kürzung
Zeitgleich mit dem Roman "Von der Schönheit" erscheint auch das Hörbuch über den Kunstgeschichtsprofessor Howard Belsey und seine Familie. Die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai zeigt stimmlich, wie viel Musikalität in der Geschichte steckt. Leider wurden in der Hörbuchfassung einige der besten Stellen weggelassen.
Das ist schon enttäuschend: Die besten Stellen aus dem Buch sind weg. Ursula Honisch, Autorin der gekürzten Hörbuchfassung des Romans "Von der Schönheit", meinte offenbar, darauf verzichten zu können.
Weder die Beschreibung der ausladenden Schönheit Kikis, immerhin die weibliche Hauptfigur der Geschichte, machten Eindruck auf Frau Honisch, noch Kikis kurze, aber wichtige, Betrachtung über weiblichen Selbsthass. Und Zadie Smith’ herzerwärmend unschuldige, erfrischend unakademische Interpretation des Mozart Requiems hat sie auch gestrichen.
Dabei finden sich im dritten Roman der in London geborenen 31-jährigen Halb-Jamaikanerin nicht so viele beeindruckende Passagen. Jedenfalls für einen deutschen Leser nicht. Das in England und Amerika hochgelobte Buch wird es hierzulande schwer haben. Und das liegt am Thema. Zadie Smith’ Campus-Novelle spielt an einer amerikanischen Elite-Hochschule. Es geht um political correctness, affirmative action, Illegale aus Haiti, Hip Hopper und neokonservative Moralprediger im Clinch mit linksliberalen Intellektuellen. Genuin amerikanische Schlachtfelder der Gegenwart. Wir haben davon schon in der Zeitung gelesen. Das reicht aber nicht, um jeder Anspielung folgen zu können. So gut die Übersetzung auch sein mag: An diesen Stellen zündet der Witz einfach nicht.
Aber Zadie Smith beschreibt nicht nur politische Lagen, sondern auch und vor allen Dingen private. Zum Beispiel hat Kiki, die schwarze Ehefrau des weißen Kunsthistorikers Howard Belsey den Verdacht, dass ihrem Mann kurz vor dem 60. Geburtstag die Sicherungen durchbrennen und er anderen Frauen nachstellt. An ihrem 30. Hochzeitstag geben die beiden einen Empfang. Und genau da entdeckt sie, wer ihre Konkurrentin ist: Claire Malcom, die Kollegin ihres Mannes, eine Lyrik-Spezialistin mit Yogi-Figur.
"Claire legte ihm eine Hand flach auf die Brust. Howard spürte, wie einer ihrer Finger gedankenlos und alkohol-induziert unter seine Knopfleiste rutschte, wo er auf nackte Haut traf. Im selben Moment wurden sie unterbrochen: ‚Na, was habt ihr zwei Hübschen zu bereden?’ Viel zu schnell zog Claire ihre Hand zurück. Doch Kiki sah nicht Claire an, sondern Howard. Wenn man 30 Jahre mit jemandem verheiratet ist, kennt man das Gesicht des Anderen besser als sein eigenes. Alles ging rasend schnell und lieferte trotzdem den vollständigen, unwiderlegbaren Beweis. Sein Betrug lag jetzt offen. Das wusste Howard."
Der Rembrandt-Dekonstruktivist, Hypertheoretiker und eitle Fatzke ist wie ein außer Kontrolle geratener Sex- Kamikaze. Nichts ist vor ihm sicher, auch 19-jährige Studentinnen nicht. Und gerade dann nicht, wenn sie Victoria heißen und die Tochter seines Erzrivalen Sir Montague Kipps sind.
"Seit 15 Jahren bewegten sich die beiden Männer in denselben Kreisen, hatten die gleiche Ausbildung genossen, in denselben Zeitschriften veröffentlicht, zuweilen sogar auf dem gleichen Podium gesessen, wenngleich nie dieselbe Meinung vertreten. Howard hatte Monty noch nie leiden können, was allerdings auch kein Wunder war. Montys rechtslastige Bilderstürmerei musste jedem liberal denkenden Menschen sauer aufstoßen. Doch wirklich gehasst hatte er ihn erst, als ihm vor drei Jahren zu Ohren kam, dass Kipps ebenfalls an einem Rembrandt-Buch schrieb. Ein Buch, von dem Howard bereits vor Veröffentlichung wusste, dass es einmal sehr populär werden würde."
Zadie Smith’ Komödie zeigt die kleinen und großen Miesheiten eingebildeter Geistesgrößen; dabei hat sie ihre Antipathie gleichberechtigt zwischen dem verlogenen Konservatismus eines Monti Kipps und dem lebensfeindlichen Intellektualismus eines Howard Belsey aufgeteilt.
Big Mama Kiki Belsey ist die große Heldin dieses Romans. Schon allein, weil sie so saftig sprechen kann und weil, anders als bei den Akademikern, mit denen sie es zu tun hat, ihre Worte tatsächlich etwas bedeuten.
"Ich weiß gar nicht, warum mich das noch überrascht. Ich meine, du merkst ja nie etwas. Du hältst das für normal. Aber wo immer ich bin, bin ich allein in diesem Meer aus .. Meer aus weiß! Ich kenne praktisch keine schwarzen Leute mehr, Howie. Mein ganzes Leben: weiß. Schwarze Leute sehe ich nur, wenn sie unter meinen Füßen den Boden wischen. Ich habe dir mein Leben gewidmet, Howie. Ich weiß nicht einmal mehr, wer ich bin."
Anfänglich seltsam pikiert sprechend, findet die Schauspielerin Jasmin Tabatabai nach den ersten hundert Seiten den richtigen Ton für Zadie Smith’ Roman "Von der Schönheit". Wenn es hoch her geht bei den Kippsens und bei den Belseys, dann kommt die Deutsch-Iranerin richtig in Fahrt. Dann zeigt die Ex-Frontfrau der Country-Band "Even Cowgirls get the Blues", wie viel Musikalität in diesem dritten Roman von Zadie Smith steckt.
Zadie Smith: Von der Schönheit
Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay
Gekürzte Lesung von Jasmin Tabatabai
Hörverlag, 2006
6 CDs, 450 Minuten, 29,95 Euro
Weder die Beschreibung der ausladenden Schönheit Kikis, immerhin die weibliche Hauptfigur der Geschichte, machten Eindruck auf Frau Honisch, noch Kikis kurze, aber wichtige, Betrachtung über weiblichen Selbsthass. Und Zadie Smith’ herzerwärmend unschuldige, erfrischend unakademische Interpretation des Mozart Requiems hat sie auch gestrichen.
Dabei finden sich im dritten Roman der in London geborenen 31-jährigen Halb-Jamaikanerin nicht so viele beeindruckende Passagen. Jedenfalls für einen deutschen Leser nicht. Das in England und Amerika hochgelobte Buch wird es hierzulande schwer haben. Und das liegt am Thema. Zadie Smith’ Campus-Novelle spielt an einer amerikanischen Elite-Hochschule. Es geht um political correctness, affirmative action, Illegale aus Haiti, Hip Hopper und neokonservative Moralprediger im Clinch mit linksliberalen Intellektuellen. Genuin amerikanische Schlachtfelder der Gegenwart. Wir haben davon schon in der Zeitung gelesen. Das reicht aber nicht, um jeder Anspielung folgen zu können. So gut die Übersetzung auch sein mag: An diesen Stellen zündet der Witz einfach nicht.
Aber Zadie Smith beschreibt nicht nur politische Lagen, sondern auch und vor allen Dingen private. Zum Beispiel hat Kiki, die schwarze Ehefrau des weißen Kunsthistorikers Howard Belsey den Verdacht, dass ihrem Mann kurz vor dem 60. Geburtstag die Sicherungen durchbrennen und er anderen Frauen nachstellt. An ihrem 30. Hochzeitstag geben die beiden einen Empfang. Und genau da entdeckt sie, wer ihre Konkurrentin ist: Claire Malcom, die Kollegin ihres Mannes, eine Lyrik-Spezialistin mit Yogi-Figur.
"Claire legte ihm eine Hand flach auf die Brust. Howard spürte, wie einer ihrer Finger gedankenlos und alkohol-induziert unter seine Knopfleiste rutschte, wo er auf nackte Haut traf. Im selben Moment wurden sie unterbrochen: ‚Na, was habt ihr zwei Hübschen zu bereden?’ Viel zu schnell zog Claire ihre Hand zurück. Doch Kiki sah nicht Claire an, sondern Howard. Wenn man 30 Jahre mit jemandem verheiratet ist, kennt man das Gesicht des Anderen besser als sein eigenes. Alles ging rasend schnell und lieferte trotzdem den vollständigen, unwiderlegbaren Beweis. Sein Betrug lag jetzt offen. Das wusste Howard."
Der Rembrandt-Dekonstruktivist, Hypertheoretiker und eitle Fatzke ist wie ein außer Kontrolle geratener Sex- Kamikaze. Nichts ist vor ihm sicher, auch 19-jährige Studentinnen nicht. Und gerade dann nicht, wenn sie Victoria heißen und die Tochter seines Erzrivalen Sir Montague Kipps sind.
"Seit 15 Jahren bewegten sich die beiden Männer in denselben Kreisen, hatten die gleiche Ausbildung genossen, in denselben Zeitschriften veröffentlicht, zuweilen sogar auf dem gleichen Podium gesessen, wenngleich nie dieselbe Meinung vertreten. Howard hatte Monty noch nie leiden können, was allerdings auch kein Wunder war. Montys rechtslastige Bilderstürmerei musste jedem liberal denkenden Menschen sauer aufstoßen. Doch wirklich gehasst hatte er ihn erst, als ihm vor drei Jahren zu Ohren kam, dass Kipps ebenfalls an einem Rembrandt-Buch schrieb. Ein Buch, von dem Howard bereits vor Veröffentlichung wusste, dass es einmal sehr populär werden würde."
Zadie Smith’ Komödie zeigt die kleinen und großen Miesheiten eingebildeter Geistesgrößen; dabei hat sie ihre Antipathie gleichberechtigt zwischen dem verlogenen Konservatismus eines Monti Kipps und dem lebensfeindlichen Intellektualismus eines Howard Belsey aufgeteilt.
Big Mama Kiki Belsey ist die große Heldin dieses Romans. Schon allein, weil sie so saftig sprechen kann und weil, anders als bei den Akademikern, mit denen sie es zu tun hat, ihre Worte tatsächlich etwas bedeuten.
"Ich weiß gar nicht, warum mich das noch überrascht. Ich meine, du merkst ja nie etwas. Du hältst das für normal. Aber wo immer ich bin, bin ich allein in diesem Meer aus .. Meer aus weiß! Ich kenne praktisch keine schwarzen Leute mehr, Howie. Mein ganzes Leben: weiß. Schwarze Leute sehe ich nur, wenn sie unter meinen Füßen den Boden wischen. Ich habe dir mein Leben gewidmet, Howie. Ich weiß nicht einmal mehr, wer ich bin."
Anfänglich seltsam pikiert sprechend, findet die Schauspielerin Jasmin Tabatabai nach den ersten hundert Seiten den richtigen Ton für Zadie Smith’ Roman "Von der Schönheit". Wenn es hoch her geht bei den Kippsens und bei den Belseys, dann kommt die Deutsch-Iranerin richtig in Fahrt. Dann zeigt die Ex-Frontfrau der Country-Band "Even Cowgirls get the Blues", wie viel Musikalität in diesem dritten Roman von Zadie Smith steckt.
Zadie Smith: Von der Schönheit
Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay
Gekürzte Lesung von Jasmin Tabatabai
Hörverlag, 2006
6 CDs, 450 Minuten, 29,95 Euro