Entspannt und humorvoll

Von Anke Leweke · 07.03.2011
Spätestens seit Fatih Akins Film "Gegen die Wand" spricht man auch hierzulande von einem Migrantenkino. In dieser Woche startet die Komödie "Almanya" von Yasemin und Nesrim Samdrelli, die gekonnt mit deutschen Klischees aus Einwanderersicht spielt.
Der Titel ist Programm: "40 qm Deutschland" – mehr Raum hat die neue Heimat der Türkin Turna nicht zu bieten. Die junge Frau ist ihrem Mann Dursun nach Hamburg gefolgt, doch dessen Träume auf ein besseres Leben haben sich nicht erfüllt. Mehr schlecht als recht kommt er über die Runden. Um sich ein Stück Heimat zu bewahren, versucht er, mit Turna eine Ehe im Sinne der Väter zu führen. Und da Dursun das Leben in Deutschland als unmoralisch wahrnimmt, hält er seine Frau wie eine Gefangene.

Tevfik Basers Film "40 qm Deutschland" aus dem Jahre 1985 markiert den Beginn des so genannten Migrantenkinos in Deutschland und gibt dessen wichtigste Themen vor: die Integrationsproblematik aufgrund einer wirtschaftsorientierten Ausländerpolitik, die Zerrissenheit zwischen neuer und alter Kultur, tradierte Moralvorstellungen. Regisseure wie Tevfik Baser oder auch Yüksel Yavuz, der mit "Aprilkinder" etwa ein Jahrzehnt später einen Film über eine Zwangsheirat drehte, wollen aber auch echten Einblick in eine uns fremde Kultur geben, das Traditionsverständnis gerade der ersten Einwanderergeneration erklären und hinterfragen.

Ende der 90er-Jahre bekamen diese Filme plötzlich einen neuen Tonfall, erzählten von einem anderen Lebensgefühl:

"Hört auf damit, Jungs! - Wir haben doch noch gar nicht angefangen. - Das Ding ist, Alter, ich höre auf damit. - Du kannst nicht mit dem Kiffen aufhören. Seitdem ich dich kenne, verkaufst du Dope, du kannst nicht damit aufhören. - Doch es bereitet mir nur Schwierigkeiten."

Fatih Akins Regiedebüt "Kurz und Schmerzlos" erzählt von der Freundschaft zwischen einem Serben, einem Griechen und Türken. Er ist ein Film, den Akin vor der eigenen Haustür in Hamburg-Altona gefunden hat, mit Figuren und Geschichten aus seiner eigenen Erlebniswelt. Man lernt junge Männer kennen, die sich in einem eigenen Sprachkauderwelsch eingerichtet haben, die sich in ihrem Kiez heimisch fühlen, und deren Sozialisation im Kino stattfindet:

"Cooler Film. - Na, so cool war er auch nicht. - Ich fand den Film scheiße, Alter! - Wir hätten uns Scarface ausleihen sollen. Weil dieser Film hat den König Pacino. - Du stehst wohl auf Pacino. - Eh Alter, Pacino ist einfach ein cooler Typ."

Von Hamburg-Altona nach Berlin-Kreuzberg - in Thomas Arslans Film "Geschwister" aus dem Jahr 1996 geht es um ausländische Jugendliche, deren Lebensgefühl sich nicht mehr mit deutsch oder türkisch oder deutschtürkisch umschreiben lässt. Obwohl in diesem Film der Spagat zwischen familiärer Eingebundenheit und Großstadtsozialisation immer noch Thema war, rückte er ihn zugunsten einer ganz eigenen Daseinsform in den Hintergrund.

In seinem nächsten, vier Jahre später entstandenen Film folgt Thomas Arslan einer jungen aus der Türkei stammenden Frau durch Kreuzberg. "Der schöne Tag" zeigt uns mit seiner perfekt zweisprachigen Heldin einen Alltag, der in einer globalisierten, von Migrantenbewegungen geprägten Welt, selbstverständlich ist. Ohnehin scheinen die Helden und Heldinnen dieser Filme, die sich selbstbewusst zwischen den Welten bewegen, weiter zu sein als der öffentliche Diskurs. Auf der Leinwand begegnet uns Deutschland als das Einwanderungsland, das es eigentlich nicht sein will.

Schon in der Vorabendserie "Türkisch für Anfänger" wird das Multi-Kulti-Dasein nicht mehr zum Problem erklärt, sondern ironisiert. Gekonnt wird mit den Klischees der jeweiligen Kultur gespielt und das eine oder andere auch auf die Spitze getrieben. Es geht um eine deutsche Freu mit zwei Kindern, die mit ihrem türkischen Freund und dessen Kindern zusammen ziehen will:

"Seti und ich müssen Euch etwas sagen. - (jetzt auf türkisch) Doris und ich müssen euch etwas sagen. - Ist das albanisch? - Äh, willst Du mich beleidigen, das ist türkisch. Wir wollen zusammenziehen."

Mittlerweile hat das Migrantenkino eine neue Phase erreicht: Von den Problemfilmen der ersten Jahre über die Milieustudien in Augenhöhe gelangte es endlich zu den Komödien. "Almanya" von Yasemin und Nesrim Samdrelli dreht die Rollen um: Der Film ist erzählt aus der Perspektive einer anatolischen Einwandererfamilie, die ihr deutsches Gastland in den frühen 70er-Jahren als exotisch-befremdliches Terrain, bevölkert von Menschen, die einen nackten Mann am Kreuz anbeten und eine komische Sprache sprechen. Amüsiert erzählt die Enkelin der Familie ihrem kleinen Neffen von diesen frühen Zeiten, die der Kleine sich schon gar nicht mehr vorstellen kann. Wie schön, dass der entspannt-humorvolle Tonfall dieses Kinos so quer zu unseren derzeitigen Einwanderungsdebatten steht. Und man kann nur hoffen, dass das deutsch-türkische Kino in Sachen Integration in nicht allzu ferner Zeit vom Leben eingeholt wird.
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