Entlang des 11. Meridians

Eine Reportage von Annette Riedel und Jörg Hafkemeyer |
In unserer neuen Reihe " Meridian 11“ reisen zur Zeit unsere Reporter entlang des 11. Längengrads in Deutschland – von Süd nach Nord. Ein halbes Jahr lang sind sie unterwegs, in 25 Live-Reportagen werden – immer Mittwochs um 8.20 Uhr – Geschichten aus dem Alltag erzählt. Oft sind die Orte, die unsere Reporter besuchen so spannend, dass sie mehrere Geschichten von dort mitbringen. Diese erzählen sie alle vier Wochen – immer Sonntags um 13.05 Uhr. Heute: Annette Riedel von den Kurzarbeitern des Bosch-Werkes Bamberg und Jörg Hafkemeyer aus dem Osram-Werk von Eichstätt, wo die Mitarbeiter rund um die Uhr arbeiten.
„Klar. Klar, da hat man freilich Angst. Muss man ja klar sagen: Kurzarbeit – man weiß ja nie, wie lange des dauert. Und in wieweit der Stadt da noch mitspielt. Freilich – man hat weniger Geld. Kurzarbeit ist jetzt nicht – na gut, es ist besser, als wenn man auf der Straße steht. Aber im Endeffekt hat man trotzdem Angst.“

Haupttor vom Werkteil 4 von Bosch, Standort Bamberg, etwas außerhalb der Innenstadt, nahe einer Schnellstraße. Michael Schulz zeigt mit einer vagen Armbewegung auf das Werksgelände. Normalerweise würde er jetzt, an diesem windigen, nass-grauen, kalten Montagmorgen, um 9 Uhr schon 3 Stunden gearbeitet haben. Da drüben.

„Ganz hinten im hintern Bau. Es kann sein, dass ich Prüfung mach. Eben dann an der Maschine oder eben dann Logistik. Das Dieseleinspritzsystem wird hier gemacht in Bamberg.“

Normalerweise. Seit November wird kurz gearbeitet bei Bosch Bamberg. Montag ist Schließtag. Heute ist Montag. Alles dicht. Niemand arbeitet im Werkteil 4. Nur der Pförtner. Die Schranke am Haupttor ist unten. Keiner kommt aufs Betriebs-Gelände – schon gar keine Journalisten. Der Besucherparkplatz ist leer. Geschäftigkeit verbreitet nur eine Spatzenschar, die versucht, die Geräusche der nahen Schnellstraße zu überzwitschern.

Seit zehn Jahren ist Michael Schulz bei Bosch. In seiner verwaschenen Jeans, grau-weiß-orangefarbener Windjacke, aus deren Kragen der schwarze Kapuzenpulli lugt, schaut der 32-Jährige frierend zu „seiner Werkshalle“. Der Wind zuppelt an seinen blond-gesträhnten kurzen Haaren. Die olivgrünen großen Augen schauen fast ein bisschen wehmütig. Statt normalerweise 35 Stunden die Woche in wechselnden Schichten – entweder von 6 bis 14:20 oder von 14:20 bis 22:30 Uhr – arbeitet er zurzeit im Schnitt noch die Hälfte.

„In der Regel kriegen wir einen Plan, wie jetzt der Folgemonat aussieht und dann wird nach diesem Plan geschafft. Es kann sein, dass mal der eine oder andere Auftrag reinkommt. Dann müssen wir kurzfristig rein. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass man drei Tage Ankündigungszeit hat. Das sagt das Arbeitsamt. Du musst ja abrufbar sein. Kannst jetzt nicht in den Urlaub fahren. Das geht nicht. Also man muss daheim sein. März ist jetzt so: Montag ist generell zu und je nachdem Freitag, Samstag – je nach Schichtmodell und nach Werkstätten. In der Regel arbeiten wir von Dienstag bis Donnerstag.“

Michael Schulz setzt sich in seinen schwarzen Opel Astra Diesel und schaltet das Navigationsgerät ein. Er kennt sich nicht so gut aus hier in Bamberg. Er ist Berufspendler. Lebt mit Frau und zwei Kindern 55 Auto-Kilometer entfernt in Mistelgau, einem Vorort von Bayreuth. Wenn er seltener zur Arbeit fährt, spart er zumindest erheblich Benzingeld, jedes Mal für rund 110 Kilometer hin und zurück. Deshalb trifft ihn persönlich die Kurzarbeit auch nicht so existentiell wie manch einen der Kollegen. Aber um die 230 Euro weniger im Portemonnaie sind's momentan schon. Bei 1900 Euro Netto-Lohn nicht wenig.

Michael Schulz engagiert sich in der Gewerkschaft und für die Gewerkschaft im Betrieb. Jetzt steuert er an diesem Montagmorgen zum Büro der IG Metall Bamberg.

Der Lärm ist ohrenbetäubend. Er ist der vorherrschende Eindruck in einer der modernsten Produktionshallen Europas. Osram, der Lampenhersteller, nördlich von Ingoldstadt. Eichstätt im Altmühltal. Sehr konservativ. Sehr katholisch. Sehr barock. Sehr traditionsbewusst.

Einerseits. Andererseits sehr modern. Das Osram-Werk: Auf einer Fläche von etwa 12 Fußballfeldern, das sind zirka 11.000 Quadratmeter, werden hier Lampen hergestellt, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Von 750 Frauen und Männern. Die Augen sind von großen, hellen Brillen gegen Glassplitter geschützt. Die Ohren zugestöpselt. Gegen den Lärm der Gebläse und Maschinen. Auch die von Hartmut Fröscher, dem hoch gewachsenen Chef der Eichstädter Osramisten. Fröscher geht, wie jeden Morgen, durch die riesige Halle, reicht jedem, dem er begegnet, die Hand, grüßt, lächelt, findet es auch laut:

„Ja, wenn man als Betriebsfremder hierher kommt, ist das schon sehr laut im ersten Moment. Allerdings erfüllen wir hier auch die gesetzlichen Vorschriften, sodass unsere Mitarbeiter auch auf diese Weise geschützt sind.“

Wieder gibt er, dieses Mal einer jungen Frau, die Hand, lächelt sie an. Fröscher, seit fast 30 Jahren bei der Firma, ist schon stolz auf sein Werk. Dessen tägliche Leistung: 7000 Lampen pro Stunde. OSRAM gehört seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts zur deutschen Wirtschaftsgeschichte wie etwa Maggi und Siemens. Kaum jemand weiß jedoch, wie Lampen hergestellt werden.

„Kein Mensch kann sich vorstellen, wenn er die Lampe im Laden kauft, was für Technik dahinter steckt, so eine Lampe zu produzieren.“

Die Fertigungshalle E. E für energiesparende Hochvolt Halogenlampen. Sie sind daumengroß, flach. Werden vollautomatisch hergestellt. Sie verbrauchen 30 Prozent weniger Energie als herkömmliche Lampen. Hartmut Fröscher steht neben Robert Friedel, einem der Schichtleiter an der Fertigungslinie. Sie schauen auf die Einschmelzmaschinen. In ihnen wird ein aus Quarz bestehendes Rohrglas gepresst und abgedichtet. Auf 2000 Grad Celsius erwärmt. Ruck Zuck geht das. Hartmut Fröscher nickt.

„Das sind eigens entwickelte Maschinen, da ist die Firma Osram besonders stolz drauf. Das sind innovative Maschinen. Nur so sind wir am Weltmarkt überhaupt konkurrenzfähig. Diese Maschinen sind alle computergesteuert. Überwachen sich im Prinzip selbst.“

Schichtleiter Friedel ist auch schon 20 Jahre dabei. Ein ruhiger, erfahrener, dunkelhaariger Mann. Natürlich auch mit der überdimensionalen Brille, allerdings ohne Ohrenstöpsel.

Manchmal benutzt er sie, manchmal nicht sagt er. Er steht an der Stelle, wo die Lampen gespült, dann mit Gas und Halogen gefüllt werden. Lange Bänder transportieren die Lampen durch die Halle. Bis zu dem Moment, wo sie zu Lampen werden, fertig sind. Nach einer Krise sieht das nicht aus. Robert Friedel zögert einen Moment, sagt.

„Ja, wir haben schon Rückgänge auch gerade auf dem Autolampensektor, aber hier, diese Anlage produziert Allgemeinbeleuchtung. Unsere Auslastung ist sehr gut. Es gibt bei uns jeden Sommer immer so eine kleine Delle im Fertigungsablauf, das Winterhalbjahr dann ist die lichtstarke Zeit, sagen wir, also wo der Hauptbetrieb herrscht."“

Im Foyer der IG-Metall Bamberg. Zwei Dutzend braune, Din-A-4-große Kartons mit Info-Material zum Thema „Gute Arbeit für ein gutes Leben“ stehen zwischen zwei Schreibtischnischen. Die Türrahmen in der Büroflucht in einem vierstöckigen Haus in der Bamberger Innenstadt: alle in IG-Metall-Rot. Auf dem Boden im Empfang ein roter Teppich mit dem dreieckigen IG-Metall-Logo. Ein paar Zimmerpflanzen auf den Schreibtischen und auf den Fensterbrettern.

Michael Schulz setzt sich mit dem zweiten IG-Metallbevollmächtigten Rainer Wacker und Bosch-Betriebsratsmitglied Elmar Günthner an den Konferenztisch in einem der Büros.

Bosch, sagen alle Drei, ist nicht Schuld an der gegenwärtigen Misere, geht ziemlich fair und in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern mit dem akuten Arbeitsmangel um. Sie loben das Unternehmen, weil es freiwillig das übliche Kurzarbeitergeld aufstockt: Von 60 Prozent, bzw. 67 Prozent bei unterhaltspflichtigen Kindern auf 80 Prozent pro nicht gearbeiteter Stunde. Schuld, sagt Rainer Wacker in sachlichem Ton, sind letztlich nicht einmal die Bosse der großen Autofirmen in Detroit und anderswo, von denen Bosch als weltgrößter Autozulieferer existentiell abhängig ist.

„Der Schuldige ist mit Sicherheit das System. Also das System des Kapitalismus. Die Krise ist ja nicht in Detroit ausgelöst worden. Es ist das System als Solches. Ja, klar. Man tut sich jetzt natürlich einfach zu sagen, ja der ist Schuld oder der ist Schuld – namentlich.
Letztendlich sind sie alle Agenten des Systems. Und ich sag mal ganz provokativ: Vielleicht hätte ich an dieser Stelle genauso versagt. Auch wenn ich jetzt sag, ich weiß es besser, aber ab einer bestimmten Gewinnerwartung schaltet der Verstand aus.“

Rainer Wacker – ein End-Vierziger mit graumeliertem Bürstenhaarschnitt, Schnauzer, im weiß-grau-schwarz gestreiften Hemd, mit himmelblauer Krawatte – schaut sorgenvoll durch seine Goldrand-Brille. Nicht jeder der insgesamt rund 3500 Mitarbeiter bei Bosch Bamberg, die von der Kurzarbeit betroffen sind – das ist etwa jeder zweite –, kommt mit der Lage so verhältnismäßig gut klar wie Michael Schulz.

„Kurzarbeit hat natürlich auch den Aspekt: Wie lange hält man des aus. Wann setzt die Zermürbung ein. Man kann ja sagen, gut, wir machen 18 Monate Kurzarbeit, aber mit jedem Tag Kurzarbeit steigt die Unsicherheit. Es ist klar, der Arbeitsplatz ist gefährdet. Und man sieht es mit jedem Tag, den man zuhause ist, mit jeder Lohnabrechnung, wo ein Haufen Geld fehlt. Und die Sache ist ungeklärt. Und für mich ist die spannende Frage: Wann werden die Menschen depressiv dabei? Die wenigsten können sich damit einrichten, weil eigentlich fast jeder auf seinem Einkommen sein Leben eingerichtet hat.

Es gibt sicher junge Leute, die sagen: Was soll's, ich bin zwei Tage daheim – ich komme damit zurecht. Aber das ist die absolute Ausnahme. Das ist auch nicht nur eine Frage des absoluten Geldes. Sondern Kurzarbeit ist ein Zeichen dafür: Es ist Arbeit zu wenig vorhanden. Und keiner ist so naiv zu glauben, dass die Arbeitgeber lange vor Kündigungen zurück schrecken. Es ist die Frage, wer beginnt? Ist es Opel? Ist es Schaeffler? Und dann geht's los. Und das wissen die Menschen.“

Die Talsohle der Krise – da sind sich alle Drei sicher – ist noch nicht erreicht. Im Gegenteil.

„Man hat schon mit mehreren Freunden drüber gesprochen, die auch in anderen Betrieben beschäftigt sind. Und bei denen fängt des jetzt erst langsam an. Also die sagen es auch; ich kann mir nicht vorstellen, dass das jetzt wirklich der Tiefpunkt ist.“

Michael Schulz ist optimistisch, dass er selbst um seinen Arbeitsplatz nicht fürchten muss. Warum? Weil er mehr als zehn Jahre im Betrieb, zudem gewerkschaftlich organisiert ist, Familie hat. Aber er sorgt sich um die vielen, vielen Anderen, die das nicht von sich sagen können. Das, stimmt Elmar Günthner vom Betriebsrat zu, der neben Michael Schulz am Tisch sitzt, das kann einem schon Angst machen.

„Ich hab jetzt vielleicht nicht unbedingt Angst, wie es bei Bosch weiter geht, sondern fürs ganze Land, wie's weiter geht. Ich hab zwei fast erwachsene Kinder, die beide studieren. Und wenn ich so die Rahmenbedingungen in dem Land im Augenblick sehe, habe ich schon ein bisserl Angst, ja.“

Elmar Günthner macht den Eindruck eines eher gemütlichen Menschen. Jeans, Fleecehemd, schmaler goldner Ring im Ohr, kurzes graues Haar, freundlich zwinkernde Augen hinter der Brille mit halbem Rand. Gar nicht mehr so freundlich und gemütlich sieht Elmar Günthner aus, wenn er auf die Politik zu sprechen kommt. Nein, die mache ihren Job nicht gut – schütze wieder mal nur die „Großen“.

„Ich glaub dieser Rettungsschirm für Banken ist das Eine. Aber ich glaube, man muss auch für die Menschen einen Rettungsschirm aufspannen – für die Beschäftigten in den Betrieben. Wenn man jetzt Opel nimmt, sage ich natürlich, 70.000 Beschäftige direkt bei Opel, Auswirkungen für 100-, 150tausend – wo bleibt denn da der Rettungsschirm von der Politik?“

Und die Abwrackprämie? Immerhin eine Idee der Politik, in die viel Geld fließt. Rainer Wacker schüttelt den Kopf. Für Bosch jedenfalls versprechen sich weder er, noch Michael Schulz, noch Elmar Günthner wirklich etwas davon.

„"Wir spüren die Abwrackprämie nur in einem Gebiet und da nur ganz schwach, weil natürlich mit der Abwrackprämie sehr viel kleine Autos gekauft werden und wir eigentlich Zulieferer für eher größere Autos sind. Also daher ist es in einem einzigen Gebiet ganz leicht zu spüren.“

Zurück in Eichstätt. Im Osram-Werk. Weiter hinein in die helle, hohe Halle. Es wird noch lauter. Ununterbrochen laufen die automatisch gesteuerten beiden Produktionslinien. Bis zu 400 Meter lange Bänder, die aussehen wie Gurte, die fortwährend Maschinengewehrmunition transportieren. Von einer Maschine zur anderen. Robert Friedel und sein Chef, Hartmut Fröscher schauen den Bändern mit den eingesteckten Halogenlampen hinterher.

„Das baut unser eigener Maschinenbau, der in Augsburg sitzt. Dort werden die Maschinen, die von unserer eigenen Entwicklung hier am Stand entwickelt werden, dafür werden die Maschinen dann in Augsburg konstruiert und gebaut und dann bei uns hier am Standort wieder eingefahren, in Betrieb genommen und zur Fertigungsreife gebracht.“

Eine dieser Produktionslinien kostet 15 Millionen Euro. Weltweit sind sie ziemlich einmalig und tragen ganz entscheidend vor allem in diesen Zeiten der Wirtschaftskrise zum Unternehmenserfolg bei.

Hartmut Fröscher: „Große deutsche Ingenieurstechnik, ganz sicher. Sie finden so etwas auf der ganzen Welt nicht so oft.“

Die beiden Männer kennen sich lange. Gehen weiter..... Eine Million Lampen verlassen die Fabrik täglich. 200 Millionen Jahresumsatz. Hartmut Fröscher, im Blickkontakt zu seinem Schichtleiter, schaut den Transportbändern hinterher. Er rechnet mit einem richtigen Halogenboom, je mehr von den alten Lampen vom Markt verschwinden müssen. Robert Friedel bleibt einen Augenblick stehen, bückt sich unter eines der Transportbänder, hebt ein paar Glassplitter auf. Zwei Euro kostet ihr Star, der Energy Saver. Seit 2007 stellen sie ihn her, nur in Eichstätt. Sollte bereits in diesen Monaten die EU das Verbot von Glühlampen ab September dieses Jahres beschließen ... ..ja, dann geht's erst richtig los, meint Fröscher. Ganz aufrecht steht er da. Wendet sich nach allen Seiten, nickt. Von dem überzeugt, was er sagt. Der Osram-Mann.

„Diese Umstellung ist sicher keine reine Geschäftemacherei. Gar keine Geschäftemacherei. Es bringt Vorteile für den Kunden. Er hat langlebige Lampen und er hat zudem noch eine 30-prozentige Stromersparnis.“

Beide Männer geben sich optimistisch. Sie stehen an den Maschinen, zwischen den Transportbändern, hören einer Technikerin zu. Sie ist seit mehr als zehn Jahren im Betrieb. Auf die Frage, bei ausgeschaltetem Aufnahmegerät, ob man bei diesem Krach nicht langsam blöd werde, antwortet sie, bin ich schon. Und grinst. Ein junger Facharbeiter tritt hinzu. Kurze Haare, kariertes Hemd, blaue Jeans. Auch mit der großen Brille auf der Nase. Roland Meier. Hat er Angst vor der Krise?

„Wenn das mit der Energiesparlampe so weiter geht, haben wir keine Angst, nein. Wir haben ja die letzte Zeit Einstellungen vorgenommen und für die Region hier werden sie, für Eichstätt werden sie sehr gut bezahlt. Ich schätze mal 2500 Euro kann man so sagen.“

Sie stehen vor einer roboterartigen Maschine mit zwei Armen. Die greifen in einem Glaskasten ruckartig nach den kleinen Lampen.

Robert Friedel: „Ja, hier wird die Lampe zur Lampe ganz am Schluss der Anlage. Dann wenn die Lampe gefüllt mit dem Füllgas.“

Die drei Männer stehen an genau jener Stelle vor diesem ständig ruckenden und zuckenden Roboteranlage und wissen, so gut wie bei Ihnen sieht es längst nicht überall aus. Im nahen Ingoldstadt ist Audi. Wenn die husten, meint Robert Friedel, hat die ganze Region eine schwere Grippe. Friedel dreht sich zu Roland Meier, der neigt den Kopf: Bei Bosch ist es auch sehr ernst. Der Werksleiter, neben ihnen, hört zu und muss einräumen: Osram merkt die Krise der Autoindustrie: Der Absatz an Lampen für Scheinwerfer ist brutal zurückgegangen. Der junge Arbeiter muss weiter und sagt noch ...

„Wir haben ja fast keine Entlassungen. Wir haben ja fast keine Weggänge. In der Firma ist schon der Vater, der Sohn ... meine Frau ist auch hier.“

Abends, kurz vor Sieben. Michael Schulz schließt die Tür zu seiner geräumigen, gut eingerichteten, gemütlichen 4-Zimmer-Wohnung in einer 3-Familien-Doppelhaushälfte, Sudetenstraße 9 im Vorörtchen Mistelgau auf – knapp 15 Kilometer entfernt von der Innenstadt Bayreuths.

Er deckt mit Daniel, 9, und Fabian, 8, den runden hölzernen Abendbrottisch. Brötchen, Margarine, Käse, Wurst – eine Brotzeit. Michael Schulzes Frau, Sabrina Hofmann-Schulz, ist auch gerade erst nach Hause gekommen. Sie ist Kinderpflegerin, arbeitet Teilzeit auf Honorarbasis. An diesem Montagabend war noch Elternsprechstunde. Ihr Job ist für das Familieneinkommen wichtiger denn je. Die Beiden müssen haushalten.

Sie: „Wir haben beide ziemlich zeitgleich Geburtstag. Und ich habe heuer meinen 30. gehabt. Wir feiern immer zusammen und da war denn klar, den 30. feiert man ein bisserl größer. Und wir haben eigentlich nur die Verwandtschaft eingeladen, also die Familie und nur eine handvoll Freunde. Jetzt haben aber die meistens noch Partner dazu. Am Schluss waren wir 22 Leute. Und wir haben bestellt: Eine Grillplatte. Also holla, wir haben die Woche vorher ganz schön geknausert mit dem Essen, weil die Grillplatte 90 Euro gekostet hat und dann braucht man ja auch noch verschiedene Getränke – also das ist schon sehr präsent.“
Er: „Wir machen das ja jetzt den zweiten Monat so, wir tun am Monatsanfang einen bestimmten Betrag abheben und versuchen damit über die Runden zu kommen.“
Sie: „Zum Beispiel, jetzt ist die letzte Woche im Monat. Wenn Sie jetzt unsere Essensliste drüben anschauen und die zum Anfang des Monats – das ist schon ein Unterschied.“

Sabrina und Michael kennen sich schon seit der Schulzeit. Hatten sich zwischendurch aus den Augen verloren. Seit rund einem Jahr sind sie verheiratet. Gerahmte Fotos an der pastellgelben Wohnzimmer-Wand erinnern an den Tag. Die Kurzzeitarbeit Michaels hat ihre Vor- und ihre Nachtteile fürs Familienleben, erzählt seine Frau am Abendbrottisch.

„Positiv ist bestimmt, dass er, wenn die Kinder von der Schule heim kommen, jetzt halt einfach öfter daheim ist. Dass man jetzt nicht mehr so schauen muss, ob die Oma Zeit hat oder ob jemand daheim ist oder nicht. Negativ ist – also ganz ehrlich – dass er unausgeglichen ist ohne Arbeit. Und am Anfang war es ganz schlimm. Also in der Anfangszeit war er, wenn er daheim war, wirklich nur genervt und gereizt. Man hat richtig gemerkt, dass ihm die Arbeit fehlt.“

Der neunjährige Daniel streicht Margarine auf sein Brötchen. Gut, manchmal kann es auch nerven, dass Michael jetzt so viel zuhause ist, findet er, aber eigentlich ist es schon gut.

„Also, ich würd‘ beides sagen – aber mehr, dass es schön ist. Er spielt viel mit uns. Also, er ist schon für uns da.“

19:45 Uhr. Sabrina mahnt Daniel und Fabian: Zeit fürs Bett. Sie zupft die weiß-hellblaue Strickjacke zurecht, schüttelt das halblange, goldblonde Haar, so dass ihre Ohrstecker kurz aufblitzen, im linken Ohrläppchen drei, lächelt Michael an.

Die Familie macht einen harmonischen Eindruck. Was nicht heißt, dass die veränderte Situation durch Michaels Kurzzeitarbeit vor allem am Anfang keine Belastung für die Beziehung gewesen ist.

Er: „Am Anfang habe ich Probleme gehabt. Für mich ist Arbeit dieser Ausgleich zum Privatleben. Meine Frau hat mich da teilweise nicht so verstanden ...“
Sie: „Gar nicht! Jetzt musst aber auch sagen, warum ich's nicht verstanden hab!“
Er: „Ich habe mich dann damals auch nicht wirklich aufraffen können ...“
Sie: „Gehen lassen ...“
Er: „Ja, richtig, gehen lassen. Ich konnte dann auch nicht aufspringen und mit den Kindern irgendwas machen – sei es jetzt Fußballspielen oder irgendwas. Ich konnte das nicht. Ich bin nicht gern Hausmann.“
Sie: „Definitiv! Ich habe wirklich am Anfang gedacht: Ich verstehe es nicht. Ich weiß, er arbeitet gern und das finde ich toll! Aber ich habe die ganze Zeit gedacht: Okay, in der Wohnung müsste das renoviert werden und eigentlich müsste das gemacht werden. Er könnte ja was arbeiten, aber – wie hast Du immer gesagt – das ist ja nicht dasselbe wie auf die Arbeit gehen.“

Osram in Eichstätt. Die riesige Produktionshalle. Zum Werkshof hin das Konstruktionsbüro hinter hohen Glasfenstern. Männer und Frauen an Rechnern, vor farbigen Grafiken und Schaltplänen. Die Entwicklungsabteilung gleich neben den Produktionsbändern. Die laufen ununterbrochen. Werksleiter Fröscher und Schichtleiter Friedel kommen mit Bechern voll Kaffee aus den Büros. Eine kurze Pause in einer Ecke. Ein alter, kleiner hölzerner Schreibtisch, zwei Hocker, auf der Tischplatte ein schmaler Kühlschrank, eine Wand mit Werkzeugen.

In diesem Moment sieht der Werkschef nachdenklich aus: Wenn die Arbeitslosigkeit wieder steigt, wenn die Menschen weniger Geld haben, werden auch weniger Lampen gekauft. Doch soweit ist es noch nicht, sagt er, springt plötzlich zu einem anderen Thema, will mit einem Vorurteil aufräumen. Dem nämlich, dass mit der Einführung der Energiesparbirnen jeder Haushalt sich neue Decken-, Nachttisch- und Stehlampen anschaffen muss.

Hartmut Fröscher: „Das ist nicht der Fall. Diese Lampen, die wir hier produzieren sind voll kompatibel, das heißt, man kann die eins zu eins austauschen gegen jede normale Glühlampe.“

Der morgendliche Rundgang des Chefs ist fast zu Ende. Das viele Händeschütteln macht seiner rechten Hand nichts aus. Geschwollen oder gerötet ist sie jedenfalls nicht. Die Stimmung scheint gut. Kurzarbeit gibt es keine. Im Gegenteil. Kündigungen auch nicht. Die meisten Betriebsangehörigen kommen aus der Umgebung von Eichstätt, aus dem Altmühltal, haben hier gelernt und gehen hier in Rente. Das war schon immer so, erzählt Fröscher. Und das soll auch so bleiben.

„Krise sieht man hier bei dieser Fertigung, wo wir im Moment stehen, nicht. Das sind Lampen, die ab September dieses Jahres die Ersatzlampen sind für die normale Glühlampe, die dann stückweise verboten wird; bis zum Jahr 2012 komplett verboten wird; und dafür gibt es dann unsere Energy Saver, der Halogenbrenner, der in der normalen Glühlampe eingebaut wird und damit den Regularien weiterhin entspricht.“

Ein langer, nicht sehr breiter Gang. Helle Farben. Links werden die Lampen verpackt. Rechts werden sie hergestellt. Links die automatischen Verpackungsmaschinen. Rechts die Transportbänder. Eine hohe Hallendecke. Stahlträger. Keine Wände. Einige flache Werktische. Ein paar höhere Stehtische. Wasserflaschen darauf. Die Luft ist trocken. Es riecht ein bisschen nach diesem Gasgemisch, das am Ende der Produktionskette in die Lampen gepresst wird. Der Gang führt aus der Halle hinaus. Hartmut Fröscher geht er über den weiten Hof zurück in das graue Bürogebäude. Verschwindet hinter der Tür. Ganz aufrecht. Erfolg macht gelassen.
Mehr zum Thema