Enthüllungen im Prozess gegen das Getty-Museum

Von Thomas Migge · 06.01.2006
Im Kunstraubprozess gegen die ehemalige Kuratorin des Getty-Museums in Los Angeles, Marion True, hat die italienische Staatsanwaltschaft stichhaltige Beweise vorgelegt. Zahlreiche vom Getty-Museum angekaufte antike Gegenstände aus Italien sollen mit falschen Herkunftsnachweisen versehen und von Sotheby's versteigert worden sein.
"Wir haben jetzt einen Punkt erreicht, an dem auch wir Außenstehende nachvollziehen können, wieso die italienische Staatsanwaltschaft Klage erhoben hat. Die Staatsanwälte haben noch vor Weihnachten, aber das wurde erst jetzt der Öffentlichkeit bekannt, einen Großteil ihrer Beweise vorgelegt. Jetzt wissen wir auch, wie verbreitet dieser Kunstdiebstahl war."

Elena Mingardi ist Kunsthistorikerin, spezialisiert auf die Antike und sie beobachtet den Prozess, der seit Ende letzten Jahres in Rom gegen die ehemalige Kuratorin für Altertümer am Getty-Museum in Los Angeles Marion True und den Kunsthändler Robert E. Hecht geführt wird. Der Prozess, bei dem die Angeklagten nur durch ihre Anwälte vertreten sind, sorgt international für Aufsehen. Seit Jahren fordert das italienische Kulturministerium, dass ein Exempel im Kampf gegen den immer dreister auftretenden Kunstdiebe und Kunsthändler statuiert wird. Jetzt ist es soweit und die aus dem römischen Gerichtssaal bekannt gewordenen Hintergründe zum Prozess werden ein Zurück in jene Zeiten, als internationale Kunstdiebe unbekümmert in Italien wildern konnten, unmöglich machen. So jedenfalls die Hoffnung von Experten wie Elena Mingardi:

"Wir sind auf der Hälfte des Weges angekommen. Wir wissen jetzt, dank der während des Prozesses enthüllten Hintergründe des internationalen Kunsthandels, was da überhaupt los ist. Zum ersten Mal wird ganz offiziell die unheilvolle Rolle großer Auktionshäuser wie Sotheby's thematisiert."

So wurde durch den Prozess bekannt, dass viele der vom Getty-Museum angekauften antiken Gegenstände aus Italien von Sotheby's versteigert worden waren. Zwar trugen die griechischen und altrömischen Vasen und Skulpturen Herkunftsnachweise, aber anscheinend war deren Richtigkeit nie in Zweifel gezogen worden.

Einer der Kronzeugen der Anklage, Maurizio Pellegrini vom Büro gestohlener Kunstgüter der römischen Altertümerbehörde, wies während des Prozesses nach, was mit den aus Italien illegal ausgeführten Kunstgütern geschah. Zunächst wurde sie nach Genf gebracht. Die Schweizer Bankenstadt scheint einer der wichtigsten Hauptumschlagplätze der Welt für Kunstgegenstände zu sein, deren Herkunft verschleiert werden soll. Pellegrinis Bericht zufolge würden in Genf die Repräsentanten von Niederlassungen verschiedener Auktionshäuser sowie die Kuratoren zahlreicher US-amerikanischer Museen und auch private Kunsthändler unter einer Decke stecken. Darunter auch Marion True und Robert E. Hecht. Pellegrinis Beweisführung scheint den Verteidigern der Angeklagten, so wurde aus gut informierten Kreisen bekannt, den Atem verschlagen zu haben. Elena Mingardi:

"Immer neue Kunstgüter aus Italien wurden über Genf verkauft. Die ersten klaren Hintergründe zu diesem Umschlagplatz wurden während des Prozesses gegen den Kunsthändler Giacomo Medici bekannt. Pellegini wies nach, wie zahlreiche der heute in den wichtigsten US-Museen ausgestellten antiken Kunstgüter über Medici verkauft wurden. Das war der eigentliche Auslöser für alle weiteren Ermittlungen."

Unter den von dem Beamten der Altertümerbehörde während des Prozesses in Rom angeführten Kunstgegenstände befinden sich viele Meisterwerke. Wie zum Beispiel ein ausgezeichnet gut erhaltenes Freskenbild aus einer Villa bei Pompeji. Dieses Freskenbild wurde in den 80er Jahren über Genf und mit Hilfe von Giacomo Medici an das Getty-Museum verkauft.

Die Offenlegung der Geschäftsbeziehungen zwischen Kunstdieben in Italien und dem Umschlagplatz in Genf, wo die Fäden zwischen Auktionshäusern, Kunsthändlern und Museumskuratoren zusammenlaufen, hat die Positionen der Angeklagten erschwert. Ihre Verteidiger verwiesen während der letzten Verhandlungstage auf den Umstand, dass vor 2001 kein bilaterales Abkommen zur Rückgabe von Raubkunst zwischen Italien und den USA bestanden habe.

Die Angeklagten hätten im guten Glauben die vermeintlich legal ausgeführten Kunstwerke erworben. Problematisch ist diese Behauptung deshalb, weil in Italien seit den 80er Jahren ein strenges Ausfuhrverbot für Kunstwerke von hohem Wert besteht. Der Staatsanwaltschaft zufolge hätten die Angeklagten sich auf jeden Fall mit den italienischen Behörden kurzschließen müssen, um in Erfahrung zu bringen, ob die zum Verkauf anstehenden Freskenbilder, Skulpturen, Mosaiken und Vasen auch legal ausgeführt wurden. Dazu Elena Mingardi:

"Das bedeutet, dass die Angeklagten ganz bewusst Kunst kauften, ohne sich zu vergewissern, was sie da kaufen. Der Prozess in Rom scheint amerikanische Museen zu beunruhigen. In diesen Tagen war Philippe de Montebello, der Direktor des Metropolitan Museum in New York in Rom zu Besuch bei unserem Kulturminister. Anscheinend will man dort ein Gentlemen-Agreement finden. Auch das Metropolitan ist wie das Getty um sein Image bedacht."

Bekannt wurde, dass Kulturminister Rocco Buttiglione mit Philippe de Montebello ein Abkommen über die schrittweise Rückführung nachweislich gestohlener Kunstgüter finden will. Auf diese Weise soll ein weiterer Prozess verhindert werden. Indiskretionen zufolge suchen auch andere amerikanische Museen nach Verträgen mit dem Kulturministerium. Befürchtet werde, so Elena Mingardi, dass der laufende Prozess ein Exempel statuieren und damit das Ansehen der berühmtesten Kunstsammlungen der USA in den Schmutz ziehen könnte.