Enthüllungen gleich mehrerer Frauen

Schwere Vorwürfe gegen Islamforscher in Frankreich

Der Schweizer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan
Der Schweizer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan © KEYSTONE / dpa
Jürgen Ritte im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 30.10.2017
In Frankreich werden von mehreren Frauen Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen prominenten Islamwissenschaftler erhoben: Tariq Ramadan. Der Essayist Jürgen Ritte sieht die Enthüllungen dort in einem klaren Zusammenhang mit der Debatte um die Affäre um den Filmproduzenten Weinstein.
Frankreich debattiert aktuell sehr scharf über einen sehr bekannten Islamwissenschaftler. Im Fokus steht Tariq Ramadan. Gegenstand der Debatte sind Vorwürfe gewaltsamer sexueller Angriffe durch den in Frankreich sehr umstrittenen Schweizer Autor, Berater und Wissenschaftler.

Brisant werden die Vorwürfe durch nun auch offizielle Ermittlungen der Pariser Staatsanwaltschaft. Die Behörde hatte dies am Wochenende bekannt gegeben. Berichtet hatten zuvor die Zeitungen Le Monde and Le Parisien. Zwei Frauen hatten dort Vergewaltigungen und sexuelle Angriffe durch Tariq Ramadan in den Jahren 2009 und 2012 geschildert.

Ritte: "Die Referenz ist hier eindeutig Weinstein"

Der in Frankreich lebende Essayist Jürgen Ritte erklärte im Deutschlandfunk Kultur, dass sich offenbar in Reaktion auf die Affäre um den amerikanische Filmproduzenten Harvey Weinstein nun auch weitere Frauen über Angriffe geäußert hätten - hier nun eben gegen Tariq Ramadan. "Die Referenz ist eindeutig Weinstein, auch wenn es in satirischen Zeitungen Zeichnungen mit Dominique Strauss-Kahn gibt, aber der ist eigentlich abwesend." Erhebliche Vorwürfe kämen zudem von einer Biografin Tariq Ramadans, die erklärte, sie allein kenne vier Frauen, die angeben, von Tariq Ramadan vergewaltigt worden zu sein.

Tariq Ramadans Haltung zum Islam hat viele Kritiker

Ritte erklärte, dass Tariq Ramadan sehr umstritten in Frankreich sei. "Er ist sehr doppelzüngig, in dem, was er öffentlich alles von sich gegeben hat", sagte Ritte im Deutschlandfunk Kultur. Tariq Ramadan habe zu Beginn der 90er Jahre einen gewissen Ruhm erfahren, als er in der Debatte um das Tragen von Kopftüchern auftrat und dabei eigentlich auch meist eher liberal argumentierte. "Aber damals wurde einigen französischen Intellektuellen schon klar, dass das alles sehr doppelzüngig ist. Einerseits sagte der immer: Es gibt überhaupt kein Problem für den Islam, sich in offenen Gesellschaften zurecht zu finden", so Ritter. Gleichzeitig aber habe Tariq Ramadan dies eingeschränkt, indem er sagte, es gebe auch muslimische Praktiken, Traditionen, Verhaltensweisen, die Integration eben verhinderten. Er habe diese Verhaltensweisen aber nie verurteilt. "Und dazu gehörte auch das Verhalten gegenüber Frauen", so Ritte, der Deutsche Literatur an der Sorbonne unterrichtet.
Tariq Ramadan bestreitet die Vorwürfe. Über seinen Anwalt hat er angekündigt, nun ebenfalls die Justiz einschalten zu wollen.
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