Entertainment für fundamentale Christen

Von Isabelle Jacobi |
GodTube ist ein Videoportal, auf dem gläubige Surfer kostenlos Videos ansehen und hochladen können. Durchschnittlich besuchen pro Monat vier Millionen Nutzer die amerikanische Webseite, und GodTube war 2007 eine der schnellstwachsenden Internetseiten in den USA. Ausgewogen geht es dort nicht zu.
Es war ein Erfolg von Anfang an. Als GodTube im August aufs Netz ging, lief die Medienstatistik heiß. Im ersten Monat gewann GodTube auf einen Schlag zwei Millionen Besucher und wurde zur schnellst wachsenden Internetseite der USA.

Zwei Schul-Mädchen lachen eine Kollegin aus, weil sie in einer riesigen Bibel liest. Doch dann erscheint der coole Nachbar-Junge und rappt, dass er nur Frauen mit dem großen Buch mag. "Got Big Book" heißt der Videoclip, exklusiv zu sehen auf GodTube.

GodTube gibt dem Christentum ein neues Gesicht. Jung, frech, poppig soll die biblische Botschaft sein. Chris Wyatt ist der Erfinder und CEO von GodTube. Keinesfalls will er den Kirchen Konkurrenz machen.

"GotTube ist kein Kirchenersatz. Aber bis zum Jahr 2025 werden voraussichtlich weniger als die Hälfte der Amerikaner noch in die Kirche gehen, und das ist eine alarmierende Statistik. Die Aufgabe von GodTube ist es, die Teenies in die Kirche zurückzubringen."

Ein Renner ist ein Amateurvideo, in dem ein dreijähriges Mädchen den Psalm 23 auswendig aufsagt. Fast viereinhalb Millionen Surfer haben das Video angeklickt.

Aber auch aufwändigere Produktionen sind auf GodTube zu sehen, wie diese Endzeitvision mit dem Titel "Rapture." "Are you ready?", wird der Zuschauer gefragt. Vom dramatischen "Brief aus der Hölle" bis zur Videopredigt - GodTube ist eine kreative Werkstatt für alle selbsternannten Missionare mit Online-Erfahrung. Derzeit sind zehntausende Videoclips auf GodTube zu finden, täglich kommen 300 bis 500 neue dazu. Chris Wyatt besuchte ein Theologieseminar in Texas, als er die Idee hatte, nach dem Muster des erfolgreichen Videoportals YouTube eine virtuelle Plattform für die religiöse Jugend zu schaffen.

Trotzdem ist GodTube keine Kirche, sondern ein Medienunternehmen mit durchdachtem Businessplan. Gewinn wird durch säkulare und religiöse Werbung erzielt; Kirchen, die regelmäßig auf GodTube erscheinen wollen, bezahlen eine Mitgliedschaft, und schließlich verkauft GodTube - wie Google - anonyme demographische Information an Drittparteien. Dass GodTube aus der Religion Profit schlägt, ist für CEO Chris Wyatt kein Problem.

"Natürlich gibt es immer Fragen, wenn man Religion mit Geschäftspotential mischt. Und natürlich wollen wir Gewinne erzielen. Unser Unternehmen ist enorm teuer geworden, seit GodTube zum weltweit größten Vertreiber von christlichen Videos geworden ist. Außerdem sind einige Innovationen unterwegs. Seit Kurzem produziert GodTube christliche News, und unser GodCaster wird es jeder Kirche erlauben, Gottesdienste gratis aufs Netz zu laden."

Rund 82 Millionen Amerikaner interessieren sich für Internetseiten mit religiösem Inhalt: Das ist eine Nische mit enormem Marktpotential. Um zu garantieren, dass auf GodTube keine Obszönitäten oder Hassreden anzutreffen sind, filtern die Betreiber die hochgeladenen Inhalte rigoros. Jeder neue Clip wird von einem Mitarbeiter gesichtet.

Trotzdem ist GodTube alles andere als politisch korrekt. Anti-islamische Videoclips reden von gekidnappten Christenkindern. Zum Christentum konvertierte Muslime denunzieren ihren alten Glauben.

Anti-Abtreibung, Anti-Darwinismus, Anti-Homosexualität: Derzeit ist GodTube vor allem eine Plattform der christlichen Fundamentalisten, da mögen harmlose Familienvideos nicht darüber hinwegtäuschen.

Die Medienwissenschaftlerin Lynn Clark von der Universität Denver bestätigt, dass GodTube ein virtueller Treffpunkt für konservative Christen ist.

"Wie das Material, das ich online gesehen habe, zeigt, wird GodTube als Ort behandelt, wo man seinen Glauben unter Gleichgesinnten austauschen kann. Das fördert vor allem das Zusammengehörigkeitsgefühl unter konservativen Christen. Es gibt zwar Raum für Andersdenkende, wie die Betreiber von GodTube deklarieren, aber die christlich Konservativen sind nun mal die breite Basis in den USA, und ihre Gesinnung ist sicher einer der Hauptgründe, warum Leute GodTube benutzen."

Lynn Clark verfolgt seit Anfang der neunziger Jahre, wie religiöse Gemeinschaften das Internet nutzen. In den USA haben Kirchen und Kirchengänger keine Berührungsängste mit dem neuen Medium.

"GodTube ist das Resultat des evangelikalen Versuchs, Radio und Fernsehen für missionarische Zwecke vorzuspannen. Man will Außenstehende zu einer neuen Auseinandersetzung mit dem Glauben ermutigen. Insofern ist GodTube eine Art Ausweitung des Rundfunkmodells, aber viel persönlicher und unberechenbarer. Es gibt Beiträge auf GodTube, die man im religiösen Rundfunk nie sehen würde, die lustig, hämisch oder gar kritisch sind. Und so erlaubt das Medium den Leuten auszuscheren.

Da ist dieses Mädchen, das den Psalm 23 aufsagt. Im Anhang des Videos findet man viele Kommentare, wie inspirierend dieser Beitrag sei, und dass alle Kinder so belesen sein sollten. GodTube fördert den Austausch zwischen Menschen, die Frieden und Trost finden in solchen Geschichten, und erlaubt ihnen Sentimentalität mit Religion zu mischen. Das unterscheidet sich doch sehr vom Rundfunkmodell, wo ein Pastor mit viel Geld im Rücken lieber seine Sicht auf die Wahrheit verkündet, als über Sentimentalität und Familie spricht. Und so ermöglicht GodTube eine gewisse, interessante Öffnung."

Das Internet als religiöser Spielplatz für alle, egal ob groß, klein, reich, arm - könnte das nicht eine Bedrohung für Kirchen sein, die oft autoritär strukturiert sind? Nein, meint die Medienwissenschaftlerin Lynn Clark. Denn ihre Studien hätten ergeben, dass die Leute das Internet entsprechend ihrer bisherigen religiösen Überzeugungen benützen würden.

"Es ist nicht so, dass die Leute sagen: 'Oh, ich möchte gern mehr über Buddhismus wissen' und dann online gehen, um mehr herauszufinden. Stattdessen erkennen Leute, die ohnehin in einer Kirche oder einem Komitee sind, dass das Internet und die E-Mails die Effizienz erhöhen, insbesondere um viel beschäftigte Leute zusammen zu bringen. Das Internet ersetzt eigentlich das Telefon, es ist einfach eine effizientere Art, Gruppenprozesse zu organisieren und über Dinge zu sprechen, die wichtig erscheinen. Und da Religion für viele Amerikaner sehr wichtig ist, erstaunt es nicht, dass sie das Internet benutzen, um religiöse Inhalte zu kommunizieren."
Rund 64 Prozent der Amerikaner, die Zugang zum Internet haben, surfen auf religiösen Webseiten herum, besagt Clarks Studie. GodTube ist insofern die logische Fortsetzung einer medialen Revolution, die längst stattgefunden hat. Doch persönlicher hat man sich noch nie über Himmel, Hölle und Jesus ausdrücken können - mit einem Millionenpublikum online.