Enten auf Meerfahrt

Rezensiert von Rainer Moritz |
Unter den Zeichnern der Donald Duck-Geschichten sticht besonders Carl Barks heraus, der in den Comics kleinbürgerliches Verhalten mit seinem Strich festhielt. Die von Erika Fuchs kongenial übersetzten Comicstrips wurden jetzt von dem Romancier Frank Schätzing neu editiert und kommentiert. Die prachtvoll ausgestatte Sammlung präsentiert Geschichten, die die wackere Ente auf und am Meer zu bestehen hat.
Der fünfundzwanzigste Band der Mare-Bibliothek wartet mit einer glanzvollen Idee auf: Der Romancier Frank Schätzing, spätestens seit seinem Bestseller Der Schwarm als Meeresexperte und Tsunami-Frühwarner ausgewiesen, bekennt sich zu seiner frühen Prägung durch die Welt Entenhausens, durch die Abenteuer der Sippe Duck:

"Von den Ducks habe ich zweierlei gelernt: Erstens, die Feder ist mächtiger als das Schwert. Zweitens, die besten Geschichten spielen auf dem Meer."

Schätzings Liebe zu Donald, Dagobert, Daisy und Glückspilz Gustav Gans und zu den Weiten des Ozeans führte dazu, dass er nun 24 der Barks'schen Duck-Geschichten gesammelt und kommentiert hat - zuzüglich einer Bonuserzählung, die auf dem platten Land spielt. Die Nähe des Duck-Clans zu Meer und Strand erklärt sich aus der strategisch günstigen Lage seines Wohnorts: Obwohl es in der hoch engagierten Gemeinde der Duck-Enthusiasten immer wieder Stimmen gab, die ihr El Dorado Entenhausen als ein Abbild der Ostküstenmetropole Boston ansahen, scheint es nun wissenschaftlich abgesichert, dass Donald und seine Neffen irgendwo an der Westküste der USA wohnen.

Der prachtvoll ausgestattete Halbleinenband zeigt Donald auf Nordpolfahrt, veranschaulicht die Wunder und Schrecken der Tiefsee, erzählt von tollkühnen Tauchern und lässt Donald beim alljährlichen Entenhäuser Strandfest im Wettstreit um Daisys Gunst endlich obsiegen. Natürlich treten uns auch in diesen Meergeschichten vertraute Motive und Themen entgegen: der glücklose Donald, der für Aufträge jedweder Art herhalten muss, sobald seinem schwerreichen Onkel der Sinn danach steht, der Einfallsreichtum von Trick, Tick und Tack, die den Familienfrieden oftmals zu retten haben, das vor allem durch die wankelmütige Daisy verkörperte Frauenbild, das Kommentator Schätzing kurzerhand "verheerend" findet, und nicht zuletzt die Felder "Sex" und "Tod", die derart tabuisiert sind, dass die Darstellung eines (angedeuteten) Zungenkusses Donaldisten in höchste Erregung versetzt.

Es ist ein Vergnügen, Carl Barks zuzusehen, wie er kleinbürgerliches Verhalten mit seinem Strich festhält und welche komischen Sequenzen er erfindet, um Donalds Verzweiflung über sein irdisches Schicksal zu dokumentieren.

Dass diese Geschichten in Deutschland so erfolgreich wurden, hat indes nicht zuletzt mit ihrer genialen Übersetzerin Erika Fuchs zu tun - mit jener promovierten Kunsthistorikerin, die der Ehapa-Verlag nach dem Zweiten Weltkrieg als Chefredakteurin einsetzte, um der vom Bildungsbürgertum vehement bekämpften Gattung der Comics akademische Weihen zu geben. Bei den Donald-Duck-Exegeten genießt die 2005 im Alter von 98 Jahren verstorbene Erika Fuchs seit langem höchste Verehrung - nicht zuletzt, weil es ihr gelang, Carl Barks' Geschichten genial zu adaptieren und mit Esprit aufzuladen.

So durften und dürfen sich deutsche Leser beispielsweise daran erfreuen, dass Donald & Co. das Leben mit Schiller-Zitaten kommentierten, und Erika Fuchs' Wortwitz zog es nach sich, dass auch ihre eigenen Kreationen - "Dem Ingeniör ist nichts zu schwör" - Klassiker wurden.

Frank Schätzings Sammlung schließt folgerichtig mit einer CD, auf der Erika Fuchs' Originalstimme zu hören ist - in einem langen Interview, das Denis Scheck, der Herausgeber der Mare-Bibliothek, 1994 mit der Meisterübersetzerin führte. Mehr können selbst Donald-Enthusiasten von einem Buch nicht erwarten.


Carl Barks: Die tollkühnen Abenteuer der Ducks auf hoher See
Herausgegeben von Frank Schätzing.
Marebuch, 440 S. , EUR 39,90