Ennio Morricones letzter Auftritt in Deutschland

Arrivederci, Maestro!

Der Komponist Ennio Morricone bei seiner "The Farewell Tour" mit Taktstock in der Hand.
Ennio Morricone auf Abschiedstour: Karriere über sechs Jahrzehnte © dpa / picture alliance / Christoph Soeder
Vincent Neumann im Gespräch mit Mascha Drost · 22.01.2019
Ennio Morricone stand für sein allerletztes Deutschlandkonzert auf der Bühne: In Berlin dirigierte der 90-Jährige vor rund 11.000 Zuschauern ein 150-köpfiges Orchester. Ein würdiger Abschied, findet unser Kritiker Vincent Neummann.
Auf eine Karriere von mehr als sechs Jahrzehnten kann Ennio Morricone zurückblicken, auf mehr als 100 Werke absoluter Musik, aber natürlich allen voran auf seine rund 500 Kompositionen für Film und Fernsehen, von denen zahlreiche wegweisend waren und bis heute unvergessen sind.
"Zwei Glorreiche Halunken", "The Mission" oder "Spiel mir das Lied vom Tod" – wohl kaum jemand hat in der Geschichte der Filmmusik einen so unvergleichlichen Sound geprägt wie Ennio Morricone. Mittlerweile ist der Maestro 90 Jahre alt, und so hat er sich entschlossen, es zukünftig etwas ruhiger angehen zu lassen. Allerdings nicht, ohne sich vorher anständig zu verabschieden.

Der Meister schweigt

Gestern Abend stand Ennio Morricone noch einmal mit großem Sinfonieorchester, Chor und diversen Gästen auf der Bühne, bei seinem offiziell letzten Deutschland-Konzert in Berlin. Und das geriet zu einem sehr emotionalen Abschiedsfest, zumindest für das Publikum, berichtet Vincent Neumann, der für uns dabei war. Meister Morricone selbst gab sich eher ungerührt:
"Er ist ja noch nie besonders extrovertiert gewesen, aber in diesem Fall hätte ich schon gedacht, dass er vielleicht mal ein paar Worte ans Publikum richtet oder irgendwie einen besonderen Abschied zelebriert. Aber er kam einfach auf die Bühne, hebt den Taktstock und los geht’s – den ganzen Abend wird kein Wort gesprochen und nach gut zwei Stunden und drei Zugaben verschwindet er dann einfach."
Und dennoch: Es war ein würdiger Abschied, so Neumanns Fazit:
"Ennio Morricone ist halt noch ein richtiger Maestro alter Schule: Da gibt es einen Handkuss für die Solistin; und wenn an den falschen Stellen geklatscht wird, dann dreht er sich ärgerlich zu Seite; von seiner Art und Weise, von seinen sparsamen Gesten am Dirigierpult erinnert er mich immer ein bisschen an Günter Wand.
Und auch was den Rahmen angeht, war das schon ein würdiges Ambiente: Rund 150 Mitwirkende standen auf der Bühne (also ein großes Sinfonieorchester und zwei Chöre), zwei tolle Gastsängerinnen hatte er dabei: die Portugiesin Dulce Pontes und die italienische Sopranistin Susanna Rigacci. Und so ein Konzert kommt dann eben auch ohne den ganzen SchnickSchnack aus: keine Licht-Show, keine überdimensionierten Leinwände mit Filmausschnitten – das alles braucht die Musik von Ennio Morricone nicht, die einfach für sich alleine stehen und wirken kann."

Unglaublich breites Spektrum

Kamen die vielen Tausend Besucher denn auf ihre Kosten?
"Da geht immer so ein richtiger Ruck durch die Leute, wenn sie ein Stück erkennen: allen voran natürlich die Musik zu den Sergio-Leone-Western, 'Gabriel’s Oboe' aus dem Film 'The Mission' oder auch die düsteren Klänge zu Quentin Tarantinos 'The Hateful 8', für die Ennio Morricone vor drei Jahren dann ja endlich seinen wohlverdienten Oscar bekommen hat.
Allerdings war es zwar Morricones letztes, aber eben bei weitem nicht sein erstes Deutschland-Konzert (er war ja in den vergangenen Jahren ziemlich viel auf Tour unterwegs), und so hatte man schon den Eindruck, dass er keine Lust mehr hatte, nur seine großen Erfolge rauf und runter zu spielen.
Und so gab es auch zahlreiche etwas unbekanntere Werke, aus einer frühen Zusammenarbeit mit Regisseur Pedro Almodóvar zum Beispiel "(Fessle mich", hieß der Film im Deutschen), und auch das ein oder andere Stück absolute Musik war dabei: wie sein "Ostinato Ricercare per un’immagine". Das zeigt das unglaublich breite Spektrum von Ennio Morricone, auch stilistisch.
Ich find’s toll, dass er den Mut hat, solche Sachen zu spielen, dafür zum Beispiel nur ein ganz kurzes Stück aus 'Spiel mir das Lied vom Tod'. Er muss niemandem mehr etwas beweisen, nicht jedem alles Recht machen, sondern kann einfach mal Stücke spielen, die ihm selber am Herzen liegen – das Publikum hat ihn gestern so oder so gefeiert."
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