English Breakfast im Ruhrgebiet

Von Friederike Schulz |
Der Essener Handballverein TUSEM hat Personalprobleme. Nachdem klar ist, dass die Mannschaft wegen der Insolvenz des Klubs in die zweite Liga absteigen muss, fehlen ihr gute Spieler. Und so kam Trainer Szargiej auf eine ungewöhnliche Idee: Er holte sich Verstärkung aus England.
Dort gibt es bisher keine Handball-Nationalmannschaft, doch bei den Olympischen Spielen 2012 möchte man unbedingt mit einem eigenen Team antreten. Und so wurden Spieler gecastet und zum Training in verschiedene Vereine nach Dänemark geschickt - bis der Essener Trainer anrückte und sie abwarb.

Seitdem leben die sechs Briten im Ruhrgebiet, essen Currywurst und kämpfen mit der deutschen Sprache - sehr zur Freude der Essener Fans. Dass die Jungs im Moment noch auf Regionalliga-Niveau spielen, macht ihren Kollegen von TUSEM nichts aus - Hauptsache die Mannschaft ist wieder vollzählig.

Pünktlich um 18.30 Uhr betritt Trainer Kristof Szargiej die Sporthalle in der Raumerstraße. Die Spieler der Bundesliga-Mannschaft haben sich bereits Bälle geholt und werfen sich ein. Die jungen Männer tragen legere Sportkleidung: Shorts und Schlabber-T-Shirts. Zwei Mal am Tag trainieren sie je zwei Stunden lang, auf offizielle Vereinskluft legt der Trainer des "Turn- und Sportvereins Essen Margarethenhöhe" dabei keinen Wert. Daniel McMillian, breite Schultern, kurzer dunkelblonder Bürstenschnitt, steht am Rand des Spielfeldes. In der linken Hand hält er eine kleine Blechbüchse mit Harz. Mit der rechten greift er hinein, verteilt die klebrige Masse auf die Fingerspitzen – damit er den Ball beim Spiel besser greifen kann. Seit drei Monaten trainiert der Engländer hier in Essen mit seinen Teamkollegen.

"Ich spiele seit anderthalb Jahren Handball. Vorher habe ich American Football gespielt."

Eine ungewöhnliche Karriere für einen jungen Mann Anfang 20, der in einem der deutschen Traditionsvereine in der Bundesliga spielt. 1926 als Arbeiter-Verein gegründet, holte TUSEM im Laufe seiner Geschichte mehrfach alle renommierten Titel: Deutscher Handballmeister 1986, 1987 und 1989. Dazu dreimal den Titel als Deutscher Pokalsieger und dreimal als Europa-Pokalsieger. Doch von den großen Erfolgen sind die meisten schon mehr als 20 Jahre her und der Verein ist seit November 2008 zum zweiten Mal in fünf Jahren insolvent. Das hat gravierende Folgen für die Mannschaft – sie muss zum Ende der Saison zur Strafe in die zweite Liga absteigen und sie hat kein Geld mehr für die Spieler – der Insolvenzverwalter kürzte den Etat für die Personalkosten von 120.000 Euro im Monat auf 20.000, erzählt Vereinssprecher Stephan Krebietke:

"Wir mussten unsere Personalkosten um 80 Prozent reduzieren. Zwangsläufig sind uns dann unsere Leistungsträger weggelaufen, die eben auch schnell andere Vereine gefunden haben. Daraufhin waren wir einfach in einer Situation, dass wir mit fünf, sechs Leuten im Training waren und damit keinen ordentlichen Spielbetrieb hätten geregelt bekommen können."

Mitten in der Saison stand die Mannschaft mit drei Spielern da. Stephan Krebietke und der Vorstand überlegten verzweifelt, wie dem Problem beizukommen sei. Denn kampflos aufgeben wollten sie die Saison nicht.

"Die Idee kam eigentlich aus dem Internet, wo wir bei ‚Handball-World’ gelesen hatten, dass die Briten sich über einen Fünf-Jahres-Plan auf die Olympischen Spiele vorbereiten, damit den Handball ein bisschen mehr publik machen wollen. Dabei stand ein Absatz mit drin, dass sie wollen, dass die Spieler verstärkt in Vereine gehen, wenn möglich in Profi-Vereine, um eben hochklassig zu spielen und zu trainieren. Das war der Auslöser, wo wir gesagt haben: Das könnte vielleicht beiden Seiten helfen, in unserer Situation eben und den Briten auch. Dann hatten wir da mal angerufen bei der Handball-Assoziation und dann war das Interesse von beiden Seiten eigentlich recht groß."

Zu diesem Zeitpunkt trainierte Daniel McMillan zusammen mit elf anderen Briten in einem Ausbildungslager in Dänemark. Als das Internationale Olympische Komitee vor vier Jahren London den Zuschlag für die Spiele 2012 gab, war es für Großbritannien Ehrensache, für jede Olympische Sportart eine eigene Mannschaft aufzustellen. Schließlich braucht sich der Gastgeber nicht für die Teilnahme zu qualifizieren. Das Problem beim Handball: Den Sport, der sich in Deutschland großer Beliebtheit erfreut, kennt kaum jemand auf der Insel. Ganze 20 Männer-Mannschaften gibt es, erzählt der 20-jährige Christopher McDermott.

"Die Teams bestehen aus sehr unerfahrenen einheimischen Spielern und Ausländern, die den Sport aber auch nur als Hobby betreiben."

Und so hat man als Spieler einen schweren Stand, weiß Daniel McMillan. Er trainiert seit seinem fünften Lebensjahr. Immer wieder muss er unwissenden Landsleuten erklären, dass es sich bei dem Sport nicht um eine merkwürdige Unterart des Fußballspiels handelt.

"Als die Entscheidung für Olympia gefallen war, kontaktierte die Regierung die britische Handball-Vereinigung und gaben ihnen Geld, sie sagten: Wir wollen, dass ihr Spieler castet und für die besten ein Trainingsprogramm entwerft. Ich habe mich beworben und musste eine Menge Tests mitmachen – Kondition, Kraft und natürlich die Fertigkeit beim Handball. Ich wurde dann zusammen mit den anderen aus einer Gruppe von 40 Leuten ausgewählt. So kam das zustande."

In Dänemark genießt der Sport einen ähnlichen Stellenwert wie in Deutschland. Die Infrastruktur für die Ausbildung professioneller Spieler ist hervorragend. Und so entschied die britische Handballvereinigung, die zwölf Besten des Castings nach Aarhus ins Trainingslager zu schicken. Drei Millionen Pfund stellte die Regierung für einen Zeitraum von drei Jahren zur Verfügung. Die Jungs trainierten fortan sechs Stunden am Tag, die meisten spielten regelmäßig in Vereinen der dänischen Bundesliga. Die Manager der britischen Handball-Vereinigung waren erleichtert: So würde man sich bei Olympia nicht blamieren. Doch dann kam die Finanzkrise dazwischen, das Budget wurde auf einen Schlag halbiert – das Aus für die teure Ausbildung in Dänemark. Die Mannschaft war ratlos – bis das Angebot aus Deutschland kam und immerhin sechs Spieler zu TUSEM wechseln konnten, erinnert sich Daniel:

"Die Frage, ob wir lieber in Dänemark geblieben wären oder nach Deutschland gehen wollten, hat sich gar nicht gestellt. Es ging darum, was für die Mannschaft das Beste war – vor dem Hintergrund der Finanzlage des britischen Handballverbandes blieb uns auch nichts anderes übrig. So war gleich klar: Wir gehen nach Essen und helfen TUSEM aus der Patsche. Für uns war entscheidend, hier tolle Erfahrungen in der Bundesliga sammeln zu können. Das war eine perfekte Gelegenheit."

Der Vorteil für den deutschen Verein: Er muss den sechs Briten kein volles Gehalt zahlen, da ihr Verband den größten Teil der Personalkosten übernimmt. Wie viel genau sie verdienen, wollen die Spieler nicht sagen – nur soviel: sparen könnten sie davon nicht, verrät Daniel:

"Um hier zu spielen, bekommen wir eine bescheidene Summe, von der man leben kann – allerdings nicht das Leben in Saus und Braus wie mancher andere Bundesligaspieler."

Das Durchschnittsgehalt eines deutschen Handball-Bundesligaspielers liegt bei 6000 bis 7000 Euro im Monat, für Spitzenspieler ist die Skala allerdings nach oben offen. Doch bis dahin ist es für die Briten noch ein weiter Weg. Wäre TUSEM nicht in die Insolvenz gegangen, hätten sie vom spielerischen Niveau in der Bundesliga keine Chance gehabt, meint Trainer Kristof Szargiej.

"Jeder der Jungs kann schon was, ich schätze bis Regionalliga in Deutschland."

Der Trainer steht in der Mitte der Halle, die Trillerpfeife im Mund, klatscht in die Hände. Den Spielern steht der Schweiß auf der Stirn. Eine Viertelstunde haben sie Blitzstarts geübt, jetzt laufen sie im Skipping von einem Ende der Halle zum anderen. Daniel, Christopher und Ciaran hängen hinterher, Kristof Szargiej runzelt die Stirn, doch er verzichtet auf einen Anpfiff.

"Wir haben Montag und Dienstag sehr viel gemacht. Wir haben am Samstag ein Spiel gehabt. Wir spielen fast mit acht Leuten und 60 Minuten lang Gas zu geben, das ist sehr anstrengend, aber die haben das auch nicht schlecht gemacht für unsere Verhältnisse. Am Montag hatten wir eine starke Einheit. Heute hatten wir auch schon vormittags Training. Da war für mich schon klar, dass es heute Nachmittag ein schleppendes Training gibt."

Seit 20 Jahren ist der gebürtige Pole bei TUSEM. Ende der 80er Jahre kam er zu dem Verein, arbeitete sich hoch zur Bundesliga-Mannschaft. Damals war TUSEM eines der stärksten Handballteams in Deutschland und frisch gekürter Europa-Pokalsieger.

"Wir haben ihn, die Anspannung von 60 Minuten Kampf, Dramatik, Hektik im Pulverfass Grugahalle entlädt sich im Bruchteil von Sekunden aus 8000 Kehlen in überschäumende Freude. Der Europapokal geht nach dem 19:16 Erfolg über US Creteil erstmals in den Besitz von TUSEM Essen über. Da stehen sie nun, schweißverklebte Haare, durchnässte Trikots und tollen herum wie kleine Kinder: Jochen Fraatz, der im Umgang mit den Magnum-Champagnerflaschen mindestens genauso viel Geschick verrät wie bei der Behandlung eines Handballes, sorgt für eine edle Abkühlung, Trainer Hans-Dieter Schmitz drückt seinem Kapitän Peter Krebs einen Busserl auf die Wange und Stefan Hecker schwebt Arm in Arm mit Martin Schwalb auf Wolke sieben."

Wehmütig klingt die Beschreibung der einstigen Siege in den Vereinsmemoiren. Die Zeiten als Nationalspieler wie Jochen Fraatz ein Tor nach dem anderen für TUSEM schossen, sind vorbei. Kristof Szargiej ist geblieben – und trainiert die Mannschaft trotz vieler Rückschläge weiter.

"Ich bin fast anderthalb Jahre hier, und ich bin jetzt dabei, die dritte Mannschaft aufzubauen. Das ist nicht einfach in der kurzen Zeit, aber was wollen wir jetzt machen? Weinen bringt nichts. Wir versuchen jetzt, diesen Verein neu zu strukturieren, einen Neubeginn anzufangen."

Ciaran blickt seinen Trainer ratlos an. Der hat gerade versucht, ihm auf Deutsch zu erklären, dass sich die Spieler paarweise zusammenfinden sollen, um Pässe zu üben. Als Kristof Szargiej gerade zur Pantomime ansetzt, kommt ihm Chris Mohr zu Hilfe – mit zwei kurzen Sätzen erklärt er Ciaran auf Englisch, was er machen soll. Chris spricht beide Sprachen akzentfrei, er hat einen deutschen und einen britischen Pass. Zusammen mit seinem ebenfalls zweisprachigen Teamkollegen Merlin Braithewaite gibt er in Essen den Übersetzer. Denn die übrigen vier Briten verstehen kaum ein Wort Deutsch. Chris und Merlin sind in Deutschland aufgewachsen. Sie spielen seit Kindertagen Handball und träumen von einer Profikarriere. Als sie von der Idee einer britischen Nationalmannschaft hörten, war die Entscheidung klar:

"Das hat für mich vor drei Jahren angefangen, da bin ich im Internet zufällig auf die britische Handballseite gestoßen, hab denen eine E-Mail geschrieben. Ich bin halb Brite, halb Deutscher, ich würde gerne beide Länder repräsentieren. Ich habe mich jetzt für die britische Mannschaft entschieden. Das ist ein geniales Projekt. Wir haben vor, 2012 bei Olympia dabei zu sein, und das ist eine einmalige Sache."

"Ich will natürlich auch versuchen, den Sport größer zu machen, in England, in Großbritannien. Im Moment ist natürlich Fußball, Cricket und Rugby an erster Stelle. Wir versuchen halt, von Jahr zu Jahr besser zu werden und den Sport auch größer zu machen und dann in London halt ein gutes Team zu haben, das wettbewerbsfähig ist."

"Hier, in die Mitte, der dritte Kreisläufer hierher!"

Nach dem Aufwärmen werden die Spielabläufe trainiert. Der Torwart begibt sich in Position. Christopher McDermott steht zusammen mit den anderen Feldspielern außerhalb der Torlinie und wirft den Ball Daniel McMillan zu. Der trickst die Abwehr aus, dribbelt und gibt den Ball an Außenspieler Ben Schütte ab, der dann mit einem gezielten Wurf für den ersten Treffer sorgt. Der 26-jährige Kapitän ist nach der Insolvenz einer der wenigen Deutschen, die der Mannschaft treu geblieben sind. Ben ist seit frühester Jugend Mitglied im Verein und studiert nebenbei Sportwissenschaften. Anerkennend nickt er Daniel nach dem gelungenen Pass zu.

"Man muss sich erstmal an einander gewöhnen, nicht nur menschlich sondern auch auf dem Spielfeld an die Spielweise. Normalerweise ist das ein Prozess von Monaten. Dafür hatten wir jetzt nicht so viel Zeit bis zum ersten Spiel miteinander. Aber vor den Jungs muss man den Hut ziehen. Das sind echte Idealisten, die werden nur vom englischen Verband bezahlt, nehmen einiges auf sich, um hier lernen zu können. Da muss man echt den Hut vor ziehen."

Auch das Management von TUSEM ist zufrieden – 15 Spiele haben die Briten seit Februar mitgemacht und so den Verein davor bewahrt, mitten in der Saison aufgeben zu müssen. Die Zwischenbilanz sei deswegen für beide Seiten positiv, sagt Marketingchef Stephan Krebietke:

"Die haben unheimlichen Schwung rein gebracht, sie haben Spaß mitgebracht, sie sind sehr motiviert, haben in jedem Training Vollgas gegeben, haben sich in der letzten Zeit hier sehr gut entwickelt, haben gute Spiele gemacht. Ich denke mal, der Nutzen ist für beide Seiten sehr, sehr groß. Wir haben eine gewisse Qualität nicht nur im Spiel sondern auch im Training, wir haben ausreichend Leute da. Die Jungs haben einfach unheimlich viel dazu gelernt und auch schon mal fühlen können, was es heißt, Handball auf hohem Niveau zu spielen, was sie ja dann auch bei den Olympischen Spielen erwarten wird."

Um 20 Uhr ist das Training beendet, die Jungs steigen in den Kleinbus, den ihnen der Verein zur Verfügung gestellt hat und fahren nach Hause auf die Margarethenhöhe – eine ehemalige Arbeitersiedlung des Krupp-Konzerns. Dort teilen sich Daniel, Merlin, Sebastian, Christopher, Chris und Ciaran eine Dreieinhalb-Zimmerwohnung – für mehr reicht das Budget nicht.

Ciaran hat sich im Wohnzimmer aufs Sofa gesetzt, eine Flasche Cola in der Hand. Der Fernseher in der Mitte des Raums läuft. In der Champions-League tritt Manchester United gegen Arsenal London an – ein Muss für jeden fußballbegeisterten Briten. Christopher und Chris setzen sich dazu.

"Wir sind wie eine Familie, wir sind die einzige Familie, die wir in Deutschland haben. Für Chris und Merlin gilt das natürlich nicht, ihre Eltern leben ja hier. Aber wir anderen müssen uns gegenseitig die Familie ersetzen. Und schließlich müssen wir ja für Olympia ein Team sein, das sich sehr gut kennt. Wir sind auch auf dem Platz wie eine Familie. Das sichert uns vielleicht einen Vorteil, den andere Mannschaften nicht haben. Vielleicht macht gerade das dann den entscheidenden Unterschied aus, damit wir richtig gut sind."

Daniel geht in die Küche. Die ist knapp zehn Quadratmeter groß, auf der Ablage neben dem Herd türmt sich schmutziges Geschirr. Daniel grinst, eigentlich wäre am Wochenende Putztag gewesen, doch da waren sie in England zum Trainingscamp. Fast jeden Monat treffen sie sich in der Heimat mit den übrigen Spielern des künftigen Nationalteams, die bei Mannschaften in Großbritannien und Dänemark spielen.

"Es war toll, die anderen Jungs wieder zu sehen. Wir haben in den vergangenen Jahren in Aarhus so eng zusammengelebt, dass wir einander vermissen. Sie wollen wissen, was wir sechs hier so in Essen machen, und wir wollen wissen, wie es ihnen in Dänemark oder England geht. Es ist wirklich eine nette Atmosphäre in unserem ganzen Team."

Sebastian gibt tief gefrorene Reibekuchen in eine Pfanne. Daniel schiebt einige benutze Teller beiseite, seufzt und heizt den Ofen vor.

"Diese winzige Küche teilen wir uns zu sechst, um uns vor und nach dem Training was zu essen zu kochen. Kochen können wir alle, wir haben alle vorher schon alleine gewohnt. Manchmal kochen wir auch gemeinsam. Das Problem ist auch weniger das Kochen sondern der Abwasch hinterher."

Die meisten Abende verbringen die Jungs in der Wohnung – das mehrstündige Training zwei Mal täglich ist anstrengend, zum Ausgehen fehlt ihnen die Muße. Von der Stadt und der Umgebung haben sie noch nicht viel gesehen. Manchester United hat das erste Tor geschossen, Ciaran prostet den anderen zu. Sebastian verteilt Teller.

"Es ist nett, hier so zusammen zu wohnen, wir werden es vermissen, wenn es vorbei ist, aber manchmal wünscht man sich ein bisschen mehr Platz – einfach mal alleine zu sein, aber die anderen sind halt immer da."

Ein paar Tage später steht die nächste Bundesliga-Begegnung gegen den Stralsunder HV auf dem Plan – dem droht wegen schlechter Leistungen ebenfalls der Abstieg in die zweite Liga. Daher hoffen die Essener, vielleicht doch noch mal einen Sieg in dieser Saison davonzutragen. Bisher haben sie nur einmal gegen Minden gewonnen und auch das nur knapp. Ansonsten ist die Bilanz bitter: 22 zu 33 gegen HSG Nordhorn, 25 zu 41 gegen den SG Flensburg-Handewitt, 26 zu 35 gegen Balingen-Weilstetten und so weiter.

Die Ränge in der Essener Sporthalle "Am Hallo" sind zwar nur gut zur Hälfte besetzt, doch die Trommler von TUSEM bemühen sich, die fehlende Masse durch Krach vergessen zu machen. Als die Mannschaft von Kristof Szargiej in roten Trikots die Halle betritt, werden die Spieler mit lautem Jubel begrüßt. Doch der ebbt im Laufe der ersten Halbzeit schnell ab. Erst hatte Kapitän Ben Schütte mit seinem Treffer zum 1:2 noch auf eine ausgeglichene Partie hoffen lassen. Doch die auswärts bislang sieglosen Gäste führen schnell mit 7:1. Sebastian, der Rechtsaußenspieler, bekommt den Ball kaum zu fassen. Kreisläufer Christopher schlappt müde hinter dem Tross her, anstatt für seine Mitspieler die Lücken in der Abwehr zu nutzen, was in dieser Position eigentlich seine Aufgabe wäre. Nach der ersten Halbzeit steht es 3:15, die Fans sind enttäuscht.

"Da fehlen einem die Worte. Ich gehe jetzt schon 20 Jahre zum Handball, aber drei Tore in einer Halbzeit habe ich noch nicht gesehen, in keiner Liga."

"Nach diesem Verlauf muss man sich ja überwinden, dass man überhaupt noch zur zweiten Spielhälfte hingeht. Sehr enttäuschend!"
Die zweite Halbzeit wird besser, Ben erzielt sechs Tore, Chris vier, doch zum Sieg reicht es dennoch nicht. Am Ende steht es 21:32. Mit hängenden Schultern steht Ciaran auf dem Spielfeld und gibt den unerschütterlichen Fans Autogramme.

"Das war enttäuschend. Die zweite Halbzeit war besser, da haben wir aggressiver gespielt, aber wir waren nicht konzentriert genug. Das Spiel ist zu Ende, wir werden jetzt analysieren, was wir hätten besser machen können. Dann werden die restlichen Spiele hoffentlich besser."

Doch die Aussichten für das nächste Spiel morgen Abend gegen die Rhein-Neckar-Löwen sind düster: Die hatten TUSEM beim Hinspiel mit 41:24 in Grund und Boden gespielt. Für die Essener würde sich auch durch einen Sieg nichts mehr ändern. Der Abstieg ist wegen der Insolvenz unumkehrbar. Im Sommer will Trainer Kristof Szargiej eine neue Mannschaft für den Neubeginn in der zweiten Bundesliga aufstellen. Von den britischen Spielern wird dann keiner mehr im Team sein, erklärt Vereinssprecher Stephan Krebietke.

"Es sieht so aus, dass wir realistisch sein müssen. Die Jungs haben Oberliga- oder Regionalliganiveau, und wir spielen eben nächstes Jahr in der zweiten Liga. Das heißt, wir werden hier keinen mit einem Profi-Vertrag ausrüsten, sondern wir haben Gespräche geführt, wir haben ihnen das mitgeteilt, wir haben auch darüber gesprochen, dass wir ihnen gerne behilflich sind, über Doppelspielrechte gute Trainingsqualität zu bieten, aber als Profispieler wird hier keiner einen Platz haben."

Chris und die anderen wissen noch nicht genau, wie es für sie weitergehen wird. Doch ihren Ehrgeiz scheint das nicht zu bremsen. Und irgendwo wird sich sicher ein Verein in Europa finden, bei dem sie für wenig Geld weiter für Olympia trainieren können, tröstet sich der Deutsche mit dem britischen Pass.

"Davon habe ich schon als Kind geträumt, irgendwann Handballprofi zu werden und damit mein Geld zu verdienen. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, ins normale Berufsleben zu wechseln, ich weiß, ich muss das irgendwann machen, ich werde auch ab Sommer mein Abitur im Fernstudium nachholen, aber erstmal will ich die nächsten Jahre Spaß haben und Handball zu meiner Berufung machen."