Enge Verbündete
Mögen sich Barak Obama und Benjamin Netanjahu noch so unsympathisch sein, so kann sich Israel doch fast immer der Unterstützung der USA sicher sein. Doch woran liegt das eigentlich? Der amerikanische Journalist und Politikwissenschaftler Peter Beinart setzt sich damit und mit der Politik der großen amerikanisch-jüdischen Organisationen kritisch auseinander.
Sie heißen "American Israel Public Affairs Committee" - kurz AIPEC - oder Anti-Defamation League und haben vor allem ein Ziel: den Kampf für Israel und gegen den Antisemitismus. Die genannten Lobbyorganisationen haben in den USA heute eine große Macht, sagt Peter Beinart.
Das war nicht immer so, betont der Journalist und Politikwissenschaftler, bis in die 70er-Jahre haben sich die Mehrheit der organisierten amerikanischen Juden für ein anderes Thema engagiert: für die volle Gleichberechtigung in den USA.
Beinart: "”Die Krise, die die organisierte amerikanisch-jüdische Community in den 70er-Jahren erfasste, war die Krise der Assimilation, der gemischten Ehen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich die amerikanisch-jüdische Community in der Mitte des 20. Jahrhunderts für Bürgerrechte und Integration engagierte, um dann festzustellen, dass es auch eine Kehrseite gibt: Wenn die Leute dich erst mal herzlich umarmen, dann wollen sie dich heiraten - und das bringt ganz neue Probleme mit sich.""
Um nicht in der Mehrheitsgesellschaft aufzugehen, brauchte es eine neue gemeinsame Identität. Und diese fanden die jüdischen Organisationen, so Beinart, in der Überzeugung, dass der Antisemitismus nicht etwa verschwunden sei sondern nur sein Gesicht gewechselt habe - und sich jetzt vor allem gegen Israel richte.
"Im Zentrum dieser neuen amerikanisch-jüdischen Identität stand der Kampf gegen den neuen Antisemitismus - anders als bei unseren Eltern und Großeltern, die den Nazismus nicht effektiv bekämpft hatten.
Man muss das wissen, wenn man die Generation verstehen will, die die organisierte amerikanisch-jüdische Community heute leitet, denn es sind die Kinder derjenigen, die nicht genug getan haben, als der Holocaust passierte."
Beinart wirft AIPAC und Anti-Defamition Leage vor, bis heute auf den Antisemtitismus und den Holocaust "fixiert" zu sein und Israel blind zu unterstützten. Kritik an der israelischen Politik äußerten sie nicht, dabei sei der demokratische Charakter dieser Politik von innen bedroht.
"”Die Weigerung der amerikanisch-jüdischen Community, sich mit den internen Bedrohungen der israelischen Demokratie auseinanderzusetzen, kommt letztlich daher, dass sie nicht bereit ist zu akzeptieren, dass sich die Lage der Juden - auch wenn es noch äußere Bedrohungen gibt – fundamental gewandelt hat. Einige unserer größten Probleme heutzutage haben nicht mit unserer Schwäche zu tun, sondern mit unserer Macht.""
Was er mit dieser Macht meint, daran lässt Beinart in seinem fundiert recherchierten Buch keinen Zweifel. Seit dem Sechs-Tage-Krieg sei Israel Besatzungsmacht und enthalte den Palästinensern in den besetzten Gebieten grundlegende Bürgerrechte vor.
Eine moralische Katastrophe, findet der orthodoxe Jude und liberale Zionist. "Ethisches Verhalten in einer Zeit jüdischer Macht", schreibt er am Ende seines Buches, "bedeutet, dass man sich nicht nur dem Leiden Andersgläubiger zu stellen hat, sondern auch dem von Juden verursachten Leiden Andersgläubiger."
"”Pro-Israel zu sein bedeutet für mich, die Unabhängigkeitserklärung ernst zu nehmen, in der es heißt: Der jüdische Staat wird all seinen Einwohnern gleiche soziale und politische Rechte bieten, unabhängig von Rasse, Religionszugehörigkeit und Geschlecht. Das heißt für mich, eine Politik zu unterstützen, die Israel diesen Prinzipien näherbringt und mich gegen eine Politik auszusprechen, die Israel davon entfernt.""
Vor allem die Siedlungspolitik sei ein Verrat an den Wurzeln des Zionismus: Jüdische Siedler mit allen Rechten stünden mehr oder weniger rechtlosen Palästinensern gegenüber. Wenn weiter Siedlungen gebaut würden, sei eine Zwei-Staaten-Lösung bald nicht mehr möglich, die Grenze zwischen dem israelischen Staat vor 1967 und dem besetzten Westjordanland würde immer mehr verwischt.
Am Ende bliebe nur noch die Ein-Staaten-Lösung, die Beinart ablehnt, denn sie bedeute entweder das Ende der jüdischen Mehrheit im Staat, oder, wenn den Palästinensern dauerhaft die Bürgerrechte vorenthalten würden, das Ende der Demokratie.
Um das zu verhindern, hält Beinard sogar einen gezielten Boykott von Waren aus den Siedlungen für legitim, eine Forderung, die für jüdische Organisationen in Deutschland ein rotes Tuch ist. Sie fühlen sich an die Judenboykotte der Nazis erinnert und werfen den Kritikern Antisemitismus vor. Doch Beinart lässt das nicht gelten.
"Es gibt viele Leute in der organisierten jüdischen Welt, ich kenne die aus den USA, die aus Deutschland kenne ich nicht, aber ich nehme an, sie sind ganz ähnlich, die in der Sache keine guten Argumente haben, und genau deswegen maßen sie sich eine moralische Autorität an, die ihnen nicht zusteht.
Sie haben diese Autorität wegen des Leids und der Traumatisierungen der vergangenen Generationen und sie missbrauchen sie, weil sie sich damit besser in einer politischen Auseinandersetzung durchsetzen können, die sie sonst nicht gewinnen könnten. Das ist beschämend und man sollte dem die Stirn bieten."
Peter Beinart: Die amerikanischen Juden und Israel. Was falsch läuft
C. H. Beck 2013, 320 Seiten, 24,95 Euro
Das war nicht immer so, betont der Journalist und Politikwissenschaftler, bis in die 70er-Jahre haben sich die Mehrheit der organisierten amerikanischen Juden für ein anderes Thema engagiert: für die volle Gleichberechtigung in den USA.
Beinart: "”Die Krise, die die organisierte amerikanisch-jüdische Community in den 70er-Jahren erfasste, war die Krise der Assimilation, der gemischten Ehen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich die amerikanisch-jüdische Community in der Mitte des 20. Jahrhunderts für Bürgerrechte und Integration engagierte, um dann festzustellen, dass es auch eine Kehrseite gibt: Wenn die Leute dich erst mal herzlich umarmen, dann wollen sie dich heiraten - und das bringt ganz neue Probleme mit sich.""
Um nicht in der Mehrheitsgesellschaft aufzugehen, brauchte es eine neue gemeinsame Identität. Und diese fanden die jüdischen Organisationen, so Beinart, in der Überzeugung, dass der Antisemitismus nicht etwa verschwunden sei sondern nur sein Gesicht gewechselt habe - und sich jetzt vor allem gegen Israel richte.
"Im Zentrum dieser neuen amerikanisch-jüdischen Identität stand der Kampf gegen den neuen Antisemitismus - anders als bei unseren Eltern und Großeltern, die den Nazismus nicht effektiv bekämpft hatten.
Man muss das wissen, wenn man die Generation verstehen will, die die organisierte amerikanisch-jüdische Community heute leitet, denn es sind die Kinder derjenigen, die nicht genug getan haben, als der Holocaust passierte."
Beinart wirft AIPAC und Anti-Defamition Leage vor, bis heute auf den Antisemtitismus und den Holocaust "fixiert" zu sein und Israel blind zu unterstützten. Kritik an der israelischen Politik äußerten sie nicht, dabei sei der demokratische Charakter dieser Politik von innen bedroht.
"”Die Weigerung der amerikanisch-jüdischen Community, sich mit den internen Bedrohungen der israelischen Demokratie auseinanderzusetzen, kommt letztlich daher, dass sie nicht bereit ist zu akzeptieren, dass sich die Lage der Juden - auch wenn es noch äußere Bedrohungen gibt – fundamental gewandelt hat. Einige unserer größten Probleme heutzutage haben nicht mit unserer Schwäche zu tun, sondern mit unserer Macht.""
Was er mit dieser Macht meint, daran lässt Beinart in seinem fundiert recherchierten Buch keinen Zweifel. Seit dem Sechs-Tage-Krieg sei Israel Besatzungsmacht und enthalte den Palästinensern in den besetzten Gebieten grundlegende Bürgerrechte vor.
Eine moralische Katastrophe, findet der orthodoxe Jude und liberale Zionist. "Ethisches Verhalten in einer Zeit jüdischer Macht", schreibt er am Ende seines Buches, "bedeutet, dass man sich nicht nur dem Leiden Andersgläubiger zu stellen hat, sondern auch dem von Juden verursachten Leiden Andersgläubiger."
"”Pro-Israel zu sein bedeutet für mich, die Unabhängigkeitserklärung ernst zu nehmen, in der es heißt: Der jüdische Staat wird all seinen Einwohnern gleiche soziale und politische Rechte bieten, unabhängig von Rasse, Religionszugehörigkeit und Geschlecht. Das heißt für mich, eine Politik zu unterstützen, die Israel diesen Prinzipien näherbringt und mich gegen eine Politik auszusprechen, die Israel davon entfernt.""
Vor allem die Siedlungspolitik sei ein Verrat an den Wurzeln des Zionismus: Jüdische Siedler mit allen Rechten stünden mehr oder weniger rechtlosen Palästinensern gegenüber. Wenn weiter Siedlungen gebaut würden, sei eine Zwei-Staaten-Lösung bald nicht mehr möglich, die Grenze zwischen dem israelischen Staat vor 1967 und dem besetzten Westjordanland würde immer mehr verwischt.
Am Ende bliebe nur noch die Ein-Staaten-Lösung, die Beinart ablehnt, denn sie bedeute entweder das Ende der jüdischen Mehrheit im Staat, oder, wenn den Palästinensern dauerhaft die Bürgerrechte vorenthalten würden, das Ende der Demokratie.
Um das zu verhindern, hält Beinard sogar einen gezielten Boykott von Waren aus den Siedlungen für legitim, eine Forderung, die für jüdische Organisationen in Deutschland ein rotes Tuch ist. Sie fühlen sich an die Judenboykotte der Nazis erinnert und werfen den Kritikern Antisemitismus vor. Doch Beinart lässt das nicht gelten.
"Es gibt viele Leute in der organisierten jüdischen Welt, ich kenne die aus den USA, die aus Deutschland kenne ich nicht, aber ich nehme an, sie sind ganz ähnlich, die in der Sache keine guten Argumente haben, und genau deswegen maßen sie sich eine moralische Autorität an, die ihnen nicht zusteht.
Sie haben diese Autorität wegen des Leids und der Traumatisierungen der vergangenen Generationen und sie missbrauchen sie, weil sie sich damit besser in einer politischen Auseinandersetzung durchsetzen können, die sie sonst nicht gewinnen könnten. Das ist beschämend und man sollte dem die Stirn bieten."
Peter Beinart: Die amerikanischen Juden und Israel. Was falsch läuft
C. H. Beck 2013, 320 Seiten, 24,95 Euro