Engagiert
In dem Erfolgs-Romans "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst" von Hans Fallada geht es um Maßnahmen des modernen Strafvollzugs. Nun war das Stück am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg zu sehen.
"Wer einmal aus dem Blechnapf frisst" - dieser Titel von Hans Falladas Erfolgs-Roman drängt zur Ergänzung: … der wird es immer wieder tun. Warum - das erklärt Fallada am Beispiel von Willi Kufalt. Der junge, leichtsinnige Mann hat Urkunden gefälscht und musste fünf Jahre in den Bau. Die Handlung setzt ein, kurz bevor her herauskommt.
Regisseur Daniel Wahl folgt im ersten Teil seiner Bühnenbearbeitung für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg dem Roman. Willi wird landet nach seiner Entlassung aus dem Knast in einem Heim der Kirche für ehemalige Strafgefangene. Dort geht das Elend weiter, keine der Hoffnungen Willis erfüllt sich. Statt Freiheit Enge und Unterdrückung von den Geistlichen und ihren dienstbaren Geistern.
Unterwerfung wird gefordert, Demut, jene perverse Spielart des Christentums, die im Elbischen Protestantismus die bedrückendsten Blüten treibt. Willi und seine Schicksalsgenossen rebellieren - aber ihre Initiative, ein eigenes Schreibbüro aufzumachen scheitert - nicht zuletzt am Widerstand jener christlichen "Brüder", die sich von ehemaligen Gefangenen nicht in das Geschäft pfuschen lassen wollen, das sie unter der Maske christlicher Barmherzigkeit und Wohltäterei profitabel betreiben.
Der erste Teil ist auf der Bühne dicht erzählt, der zweite nur noch angedeutet. Falladas Stofffülle bewältigt Daniel Wahl nicht, es blieben nur abstrakte Andeutungen von Willis Erfolgen als Annoncen- und Abowerber in der Kleinstadt, die an der Engstirnigkeit und Herzenskälte der Bürger wieder zunichte werden. Großartige psychologisch einfühlsame Porträts von Gestrauchelten in Parallelhandlungen von Fallada finden in der Bearbeitung kaum Erwähnung - wer den Roman nicht kennt, hat Schwierigkeiten zu folgen. Ein Absturz - der aber zeigt, wie gut der erste Teil gelungen ist.
Gespielt wird episch, gegen alle Illusion. Wenn Willi einer Frau Gewalt antut, dann haut der Schauspieler - großartig, souverän: Renato Schuch - eine Flasche auf den Boden. Die Schauspielerin sinkt um - jeder weiß, was gemeint ist. Wahl ist von Haus aus Schauspieler, er hat am Théâtre de Complicité gearbeitet - und wie diese internationale Freie Gruppe vermag er darzustellen, wie sich Innen und Außen wechselseitig durchdringen. Das ist immer wieder faszinierend - der junge, talentierte Regisseur aktiviert die produktive Vorstellungskraft des Publikums.
Das ganze zehnköpfige Ensemble spielt brillant - fast alle übernehmen mehr als nur eine Rolle, Nebenrollen, haben aber auch wenigstens einen großen Auftritt. Neun Herren steht eine Dame gegenüber: Hedi Kriegeskotte verkörpert fünf verschiedene Rollen - von der gütigen, seriösen Gefängnisdirektorin bis zur runtergekommenen, schlampigen Hure. Ihre Wandlungsfähigkeit begeisterte das Publikum, sie sahnte bei der Premiere am Samstagabend beim Schlussapplaus groß ab.
Man darf Daniel Wahl abnehmen, dass er sich für Strafgefangene engagiert und sein Publikum, uns, aufruft, ihnen eine Chance zu geben, wenn sie aus dem Gefängnis kommen. Doch andere soziale Probleme scheinen augenblicklich dringlicher: der Gegensatz von Arm und Reich, der im Deutschen Schauspielhaus im Mittelpunkt vom "Marat Sade" stand, einer kühnen Neuinszenierung von Peter Weiss‘ großem Revolutionsstück.
Diese Kraft, das Publikum zu polarisieren, fehlt "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst". Aber das Deutsche Schauspielhaus hat einem hoch begabten jungen Regisseur die Chance gegeben, sich im Großen Haus zu präsentieren, und auf einen Roman hingewiesen, den jeder unbedingt mal (wieder) lesen sollte: Hans Falladas "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst".
Regisseur Daniel Wahl folgt im ersten Teil seiner Bühnenbearbeitung für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg dem Roman. Willi wird landet nach seiner Entlassung aus dem Knast in einem Heim der Kirche für ehemalige Strafgefangene. Dort geht das Elend weiter, keine der Hoffnungen Willis erfüllt sich. Statt Freiheit Enge und Unterdrückung von den Geistlichen und ihren dienstbaren Geistern.
Unterwerfung wird gefordert, Demut, jene perverse Spielart des Christentums, die im Elbischen Protestantismus die bedrückendsten Blüten treibt. Willi und seine Schicksalsgenossen rebellieren - aber ihre Initiative, ein eigenes Schreibbüro aufzumachen scheitert - nicht zuletzt am Widerstand jener christlichen "Brüder", die sich von ehemaligen Gefangenen nicht in das Geschäft pfuschen lassen wollen, das sie unter der Maske christlicher Barmherzigkeit und Wohltäterei profitabel betreiben.
Der erste Teil ist auf der Bühne dicht erzählt, der zweite nur noch angedeutet. Falladas Stofffülle bewältigt Daniel Wahl nicht, es blieben nur abstrakte Andeutungen von Willis Erfolgen als Annoncen- und Abowerber in der Kleinstadt, die an der Engstirnigkeit und Herzenskälte der Bürger wieder zunichte werden. Großartige psychologisch einfühlsame Porträts von Gestrauchelten in Parallelhandlungen von Fallada finden in der Bearbeitung kaum Erwähnung - wer den Roman nicht kennt, hat Schwierigkeiten zu folgen. Ein Absturz - der aber zeigt, wie gut der erste Teil gelungen ist.
Gespielt wird episch, gegen alle Illusion. Wenn Willi einer Frau Gewalt antut, dann haut der Schauspieler - großartig, souverän: Renato Schuch - eine Flasche auf den Boden. Die Schauspielerin sinkt um - jeder weiß, was gemeint ist. Wahl ist von Haus aus Schauspieler, er hat am Théâtre de Complicité gearbeitet - und wie diese internationale Freie Gruppe vermag er darzustellen, wie sich Innen und Außen wechselseitig durchdringen. Das ist immer wieder faszinierend - der junge, talentierte Regisseur aktiviert die produktive Vorstellungskraft des Publikums.
Das ganze zehnköpfige Ensemble spielt brillant - fast alle übernehmen mehr als nur eine Rolle, Nebenrollen, haben aber auch wenigstens einen großen Auftritt. Neun Herren steht eine Dame gegenüber: Hedi Kriegeskotte verkörpert fünf verschiedene Rollen - von der gütigen, seriösen Gefängnisdirektorin bis zur runtergekommenen, schlampigen Hure. Ihre Wandlungsfähigkeit begeisterte das Publikum, sie sahnte bei der Premiere am Samstagabend beim Schlussapplaus groß ab.
Man darf Daniel Wahl abnehmen, dass er sich für Strafgefangene engagiert und sein Publikum, uns, aufruft, ihnen eine Chance zu geben, wenn sie aus dem Gefängnis kommen. Doch andere soziale Probleme scheinen augenblicklich dringlicher: der Gegensatz von Arm und Reich, der im Deutschen Schauspielhaus im Mittelpunkt vom "Marat Sade" stand, einer kühnen Neuinszenierung von Peter Weiss‘ großem Revolutionsstück.
Diese Kraft, das Publikum zu polarisieren, fehlt "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst". Aber das Deutsche Schauspielhaus hat einem hoch begabten jungen Regisseur die Chance gegeben, sich im Großen Haus zu präsentieren, und auf einen Roman hingewiesen, den jeder unbedingt mal (wieder) lesen sollte: Hans Falladas "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst".