Engagement gegen Judenfeindlichkeit

Bundestag fordert Antisemitismus-Beauftragten

Eine junge Frau mit Kippa nimmt am Samstag (15.09.2012) in Berlin an einer Demonstration teil. Der Kippa-Spaziergang, zu dem im Internet aufgerufen worden war, sollte ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und fand auch anlässlich des bevorstehenden jüdischen Festes Rosch ha-Schana (jüdischer Neujahrstag) statt.
Es sei wichtig, die Gesellschaft für Antisemitismus zu sensibilisieren, sagt Marina Chernivsky. © picture-alliance / dpa / Britta Pedersen
Marina Chernivsky im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 18.01.2018
Der Bundestag hat die künftige Bundesregierung dazu aufgefordert, den Posten eines Antisemitismus-Beauftragten einzurichten. Marina Chernivsky vom Expertenkreis Antisemitismus begrüßt dies. Antisemitismus sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagt sie.
Die Psychologin Marina Chernivsky ist Mitglied im Expertenkreis Antisemitismus, der den Bundestag beraten hat, und sie leitet das Kompetenzzentrum der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Dort berät sie Menschen, die Hetze erleben.
Sie wünscht sich auf dem Posten vor allem einen Menschen, der die verschiedenen Projekte und Träger, die sich gegen Antisemitismus engagieren, bündeln und vernetzen kann. Judenfeindlichkeit sei in Deutschland nie umfassend aufgearbeitet worden und werde auch aktuell unterschätzt:
"Antisemitismus findet auch mitten im Alltag von Jüdinnen und Juden statt. Auch das ist lange übersehen worden und stattdessen wird häufig unterstellt, dass sie den Ernst der Lage übertreiben. Ich spreche hier aus Erfahrung. (...) Er kommt zum Ausdruck in Beleidigungen, Hasskommentaren insbesondere auch im Netz, aber auch Gewalt."

Von Andeutungen bis zu Bedrohungen

Der Expertenkreis Antisemitismus hat beim Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltforschung eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben, in der die Befragten von versteckten Andeutungen bis hin zu Beleidigungen und Bedrohungssituationen berichten, sagt Chernivsky. Die Wissenschaftlerin warnt aber davor, "den Antisemitismus zu zerstückeln" und ihn nur "bestimmten, quasi klar umrissenen Gruppen zuzuschieben". Es sei vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Problem, das in allen Teilen der Gesellschaft existiere.
"Es gibt den Antisemitismus unter verschiedenen muslimischen Gruppen und Communitys – so wie es auch den deutschen Antisemitismus gibt. Den müssen wir studieren und verstehen, weil er kommt auch im Gewand der Israel-Kritik und des Anti-Zionismus, aber oftmals wird es auch nicht unterschieden, sondern der Hass auf Israel wird an Juden entladen."
Der Beschluss erfolgte auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP. Auch die AfD stimmte zu, den Posten eines Antisemitismus-Beauftragten einzurichten. Die Linke enthielt sich.
(cosa)
Mehr zum Thema