Energiewende

Intelligente Stromzähler in der Warteschleife

Von Dirk Asendorpf · 27.01.2014
Die Smart Meter sollen den Deutschen die Energiewende schmackhaft machen, weil Strom dann verbraucht wird, wenn er billig vorhanden ist. Doch die gesamte EU hängt mit der Einführung der intelligenten Stromzähler weit hinterher. Und den Bürgern? Denen sind sie immer noch herzlich egal.
Rund Tausend Euro im Jahr zahlt ein deutscher Durchschnittshaushalt für Elektrizität. Für die Telekommunikation fallen ähnlich hohe Gebühren an. Doch während die monatliche Telefonrechnung die Kosten jedes einzelnen Gesprächs und Datenpakets exakt auflistet, bekommen wir für den Strom nur einmal im Jahr eine kaum verständliche Endabrechnung. Als Sparanreiz ist sie völlig ungeeignet, meint Siemens-Vorstand Christian Urbanke.
"Woran sollen Sie auf dieser einen Rechnung erkennen können, dass Sie durch die Energiesparlampe etwas erspart haben? Das heißt, es fehlt völlig an der Transparenz. Ich stelle mir immer vor, das Schönste wäre die Energiesparlampe, die den eingesparten Betrag als Geld auf den Tisch fallen lässt, das würden die Leute sofort kaufen."
Die elektronische Umsetzung der Goldesel-Lampe heißt Smart Meter. Eigentlich sollten längst Millionen Haushalte mit solch einem intelligenten Stromzähler ausgestattet sein – die Grundvoraussetzung nicht nur für detaillierte Rechnungen. Smart Meter sollen künftig auch dafür sorgen, dass das schwankende Angebot erneuerbarer Energie aus Wind- und Solarparks besser mit der Nachfrage harmoniert, indem sie Heizungspumpen, Tiefkühltruhen oder Waschmaschinen dann anspringen lassen, wenn Strom gerade im Überfluss vorhanden und entsprechend billig ist. Energiepolitiker schwärmen seit zehn Jahren davon, doch in der Praxis ist wenig passiert. Henry Blume ist beim Bremer Stromversorger swb für die Einführung der Smart Meter zuständig. In seinem Büro liegen drei Prototypen.
50 Gesetze müssen für die Smart Meter geändert werden
"Zurzeit können Sie diese Geräte noch nicht bekommen, da die regulatorischen Grundlagen noch nicht endgültig erstellt worden sind. Wir rechnen damit, dass Anfang nächsten Jahres erste Prototypen am Markt verfügbar sind, so dass man dann in größeren Stückzahlen vielleicht schon in 2015 diese Gerätschaften verbauen kann. Das ist noch eine optimistische Annahme, das hängt natürlich alles von der gesetzgeberischen Seite ab, dass man dort mit Nachdruck die Vorgaben definiert.“
Rund 50 Gesetze und Verordnungen müssen beschlossen oder geändert werden. Und der Preis der Umstellung ist hoch. Allein der Zähleraustausch kostet rund fünf Milliarden Euro. Dazu kommen weitere fünf Milliarden für Datenübertragung, Aufbau und Wartung der technischen Infrastruktur bei den Netzbetreibern. Die per Smart Meter gesammelten Daten ermöglichen zudem einen detaillierten Einblick ins Privatleben. Der sekundengenau gespeicherte Stromverbrauch zeigt, wann ich aufstehe, koche, das Haus verlasse und sogar, welches Fernsehprogramm ich eingeschaltet hatte. Entsprechend groß wird der Aufwand für die Verschlüsselung und sichere Übertragung der sensiblen Daten sein.
"Diese sogenannte Private-Key-Infrastructure muss gänzlich aufgebaut werden, die gibt es noch nicht. Es wird eine sogenannte Datenschutzverordnung noch geben, die in der Erarbeitung ist, die genau regeln soll, wer wann wie welche Daten zu welchem Zweck erhalten kann. Da auch noch kein Entwurf bekannt ist, können wir dazu leider noch keine Aussage treffen."
In Pilotversuchen waren die sensiblen Zählerdaten noch unverschlüsselt übertragen worden. Vertrauen in die neue Technik konnte so gar nicht erst entstehen. Und auch um die versprochenen Einspareffekte steht es schlechter als erwartet. Philip Lewis hat im Auftrag des europäischen Smart Metering Industrieverbands weltweit 100 Pilotprojekte mit einer halben Million beteiligten Haushalten systematisch untersucht.
Der Hälfte der Haushalte interessiert sich nicht einmal dafür
"Bei den Ergebnissen gibt es eine große Bandbreite. Schlechte Projekte haben in Sachen Effizienz fast nichts erreicht. Mit sehr guten Projekten kann man Einsparungen von über zehn Prozent erzielen. Einige Projekte hatten aber sogar eine negative Wirkung, denn die Leute dachten, dass die Technik ganz von alleine für Energieeinsparung sorgen würde. Und natürlich wird es immer eine Menge Kunden geben, die sich für diese Dinge überhaupt nicht interessieren."
Rund der Hälfte aller Haushalte war die Sache selbst bei bestem Marketing total egal. Diese Erfahrung musste auch Werner Brinker machen. Er ist Vorstandsvorsitzender der EWE AG, des fünftgrößten deutschen Energieversorgers, und hat vor zehn Jahren eines der ersten deutschen Smart Meter Pilotprojekte initiiert.
"Bei der Umsetzung wollten wir natürlich möglichst viele Kunden beteiligen und hatten eigentlich die Idee, tausend Kunden in Cuxhaven dafür zu gewinnen, haben allerdings mit viel Aufwand und Werbemaßnahmen und kleineren Geschenken nur 650 gekriegt. Was ich damit sagen will, ist: Die Kunden insgesamt sind bei weitem noch nicht dort, wo wir eigentlich hin müssen. Da haben wir noch Aufklärungsbedarf an vielen Stellen.“
Schließlich macht die Stromrechnung in Deutschland, dem EU-Land mit den höchsten Preisen, nur einen Bruchteil der monatlichen Ausgaben aus, zehn Prozent Rabatt sparen da gerade mal acht Euro. Selbst unter sehr optimistischen Annahmen ist das weniger als die mit Einbau und der Nutzung eines Smart Meters einhergehenden Kosten, heißt es dazu in einer Studie, die die Unternehmensberatung Ernst & Young Ende 2013 für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt hat. Im Klartext: Smart Meter machen den Strom teurer. Und sie erhöhen den Gesamtverbrauch. Denn all die Elektronik frisst selber Strom. Von mindestens drei Milliarden Kilowattstunden im Jahr ist die Rede – die Erzeugung eines mittelgroßen Kohlekraftwerks. Es ist wie bei einem Spielautomaten. Er posiert als Goldesel – verschluckt am Ende aber mehr Taler als er ausspuckt.
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