Energiewende Bad Lauchstädt

Der Kampf für und gegen Windmühlen

09:40 Minuten
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besichtigt einen Kavernenspeicher. Neben ihm stehen Hans-Joachim Polk (l-r), VNG-Vorstand Infrastruktur/Technik, ein Mitarbeiter des Unternehmens und Cornelia Müller-Pagel, Leiterin Grüne Gase und Projektleiterin der VNG.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich den Bau des Energiespeichers in Bad Lauchstädt angesehen. © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Niklas Ottersbach |
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Es ist Sachsen-Anhalts größtes Wasserstoff-Projekt, das in Bad Lauchstädt entstehen soll. Lauchstädts Bürgermeister ist dafür, der Bürgermeister der Nachbargemeinde vorerst nicht. Es geht um viel Geld. Doch das Genehmigungsverfahren zieht sich hin.
Bad Lauchstädt, südlich von Halle an der Saale, ist eine 9.000-Einwohner-Stadt mit Goethe-Theater, saniertem Marktplatz und einer Arbeitslosenquote von gerade mal drei Prozent.
Umrandet ist die Kurstadt von jeder Menge Windrädern. Und es sollen noch mehr dazukommen. Denn hier entsteht Sachsen-Anhalts größtes Wasserstoffprojekt: Der Energiepark Bad Lauchstädt. Gesamtinvestitionsvolumen: 140 Millionen Euro.
In Bad Lauchstädt soll Wasserstoff in 17 unterirdischen Kavernen, also Hohlräumen, gespeichert werden. Sie sind so groß, dass das Leipziger Völkerschlachtdenkmal gleich zweimal reinpassen würde.
Hier kommt die komplette Wertschöpfungskette an einem Ort zusammen, sagt Projektleiterin Müller-Pagel: „Wir bauen extra einen Windpark.“ Außerdem gebe es eine Direktkopplung zwischen Windpark und Elektrolyse, andere Reallabore hätten so etwas nicht.
Eine schon bestehende Erdgasleitung werde umgewidmet, was ein Kostenvorteil sei. Und, so Müller-Pagel, man werde eine schon bestehende Erdgaskaverne für die Wasserstoffspeicherung nutzen.
Eigentlich ist in der Chemieregion im Süden Sachsen-Anhalts schon alles vorhanden: Eine rund 150 Kilometer lange Erdgas-Pipeline, die unterirdischen Salzkavernen. Nur der Windpark muss noch errichtet werden, das heißt acht Windräder.

Touristen ja, Windräder nein

Doch es stehen bereits rund 40 Windräder in Bad Lauchstädt. Und die Goethestadt möchte an ihre Kur-Traditionen aus dem 19. Jahrhundert anknüpfen, als die Weimarer Haute-Volée in Bad Lauchstädt im Theater von Johann-Wolfgang von Goethe ein und ausging. Eine neue Therme soll her, mehr Touristen, aber keine weiteren Windräder, so ist die Stimmung bei vielen.
Das sei eine Gerechtigkeitsfrage, erklärt der CDU-Bürgermeister von Bad Lauchstädt, Christian Runkel. In Bad Lauchstädt sage man: „Momentmal, mit 42 Anlagen sind wir eigentlich schon gut dabei. Es gibt viele Gemeinden in Deutschland, die haben nicht eine.“ In Bayern, fügt Runkel an, wehre man sich seit vielen Jahren erfolgreich mit dem Hinweis, Tourismusland zu sein.
Ein Gerechtigkeitskonflikt innerhalb Deutschlands: Wer trägt die Last der Energiewende? Bürgermeister Christian Runkel ist ein Befürworter des Wasserstoffprojekts.
Trotz Auseinandersetzungen: Am Ende genehmigt der Stadtrat von Bad Lauchstädt die acht zusätzlichen Windräder. Gebaut werden können sie aber noch lange nicht. Denn Jörg Homann hat was dagegen. Der parteilose Ortstbürgermeister aus Delitz am Berge, einem Ortsteil am Rande von Bad Lauchstädt gelegen, hat Unterschriften gesammelt und Einspruch erhoben.
Man sei nicht gegen alternative Energie, aber: „Man sollte immer dabei bedenken, dass nicht alles an Delitz am Berge sollte. Das ist einfach zu viel, was wir hier mittlerweile haben.“

Können Unterschriften das Projekt kippen?

Seine Argumente gegen den Windpark: Schlagschatten, Blinklicht, Lärm oder Wertverlust der Grundstücke. Hohmann sagt, die Ortschaft Delitz am Berge sei am meisten betroffen von den zusätzlichen Windrädern. Zumal in diesem Ortsteil schon ein Umspannwerk und eine Lagerstätte für Industrieabfälle sei: „Irgendwann reichts mal.
Außerdem, so Homann, müsse man bedenken, dass Wasserstoff nicht ungefährlich sei. Ob das nun in Kavernen sei oder nicht, es könne ja mal was passieren. Und dann sei Delitz am Berge stark mitbetroffen, sagt Homann.
Könnten seine Unterschriften das größte Wasserstoffprojekt Sachsen-Anhalts noch kippen? Diese Hoffnung hat Kommunalpolitiker Jörg Homann nicht. Aber Widerstand will er dennoch leisten. Und wenn es am Ende darauf hinausläuft, dass seine Ortschaft mehr Geld bekommt. Denn mit dem Windpark kommen auch zusätzliche Einnahmen: Für die acht zusätzlichen Windräder wird die Stadt Bad Lauchstädt an den Erlösen der Stromproduktion beteiligt. Pro Jahr werden das 30.000 bis 50.000 Euro sein.
Wie das Windpark-Geld verteilt wird, ist Sache der Stadt. Für Jörg Homann ist klar: Dieses Geld soll zum überwiegenden Anteil in seinen Ortsteil von Bad Lauchstädt fließen. Nach Delitz am Berge.
Schon wieder ein Verteilungskonflikt bei der Energiewende: Nicht zwischen Bundesländern mit viel oder wenig Windrädern, sondern innerhalb einer Kommune. Das alles kostet Zeit. Mehr als ein Jahr ist mittlerweile vergangen zwischen der Anfangseuphorie um den grünen Wasserstoff in Bad Lauchstädt und dem Streit um den Windpark.

Windkraftanlage sucht Genehmigung

Das Bundeswirtschafts- und Klimaministerium hat vor kurzem Zahlen vorgelegt: die durchschnittliche Dauer der Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen liegt bei rund zwei Jahren. Niedersachsen ist deutlich schneller mit 14 Monaten, in Hessen dauert die Genehmigung eines Windrads fast fünf Jahre. Sachsen-Anhalt liegt ziemlich genau im Bundesschnitt, rund zwei Jahre dauert es hier.
Abgesehen von den Konflikten rund um den Windpark: Während des Genehmigungsverfahrens muss in Bad Lauchstädt die Standsicherheit der Windräder geprüft werden und zusätzlich die Sicherheit der unterirdischen Kavernen in 800 Metern Tiefe.
Die Projektleitung wird nun doch langsam unruhig. 2020 habe man bereits die Unterlagen eingereicht. Es folgte ein Stellungnahme-Marathon der Behörden, heißt es auf Anfrage beim Energiepark Bad Lauchstädt: „Errichtung und Netzanschluss unserer Anlagen im Jahr 2023 sind damit unrealistisch geworden. Im schlechtesten Fall bedeutet das, dass eine Fertigstellung des Windparks dann erst Ende 2024 oder Mitte 2025 realisiert werden kann“.
Für die sechs Projektpartner steht in den nächsten Wochen die Entscheidung an, ob sie final in Bad Lauchstädt investieren wollen. Sprich: Ob das Wasserstoff-Konzept kommerziell tragfähig ist. Einer der sechs Partner ist der angeschlagene Gasimporteur „Uniper“, der derzeit Rekordverluste einfährt.
Bad Lauchstädts Bürgermeister Christian Runkel lässt sich den Optimismus nicht nehmen: „Auch wenn wir jetzt nicht wissen, wie sich die Zukunft entwickelt. Aber man muss etwas in Sachen Klimaschutz tun.“
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