Energie frisst Lebensmittel
Die Industrieländer wollen ihre Abhängigkeit vom Öl mindern und eine klimapolitische Wende herbeiführen. Daher setzen sie vermehrt auf den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen als Energielieferanten. Was dem Klimaschutz dient, führt zugleich zu steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel und einem erhöhten Bedarf an landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Problem: Nach dem Ende des Kalten Krieges sind es nicht mehr Panzer, sondern Pipelines, mit denen "Politik" gemacht wird. Saudi-Arabien, Russland und der Iran sind sich ihrer Macht sehr wohl bewusst, was dem Slogan "Fördern statt Fordern" eine neue Bedeutung gibt. Ihre Energieträger verkaufen sie an den Meistbietenden und genießen dabei die wachsende Abhängigkeit der Abnehmer. Wie rasant der Energiebedarf steigt, verdeutlicht die Tatsache, dass in China jede Woche ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb genommen wird.
Aktuelle Lösung: Nachwachsende Energie vom Acker. Auf diese Option setzen sowohl die Europäer als auch die Amerikaner. Präsident George W. Bush erhielt für seine Aussage, die Leute sollten mit dem Treibstoff fahren, "der in Amerika wächst", großen Applaus. Klingt auch ziemlich logisch: Das CO2, das beim Verbrennen von Biodiesel freigesetzt wird, wurde vorher von der wachsenden Pflanze gebunden. Damit wird die Umwelt entlastet. Und die Abhängigkeit von irgendwelchen Regimes auch.
Die Folgen: Der Anbau von Energiepflanzen konkurriert mit dem Lebensmittelmarkt. Immer mehr Raps, Ölpalmen und Mais werden nicht mehr an Mühlen oder Margarinefabriken geliefert, sondern an die gut zahlende Energiewirtschaft. Gleichzeitig sorgt die wachsende Kaufkraft in Asien für eine Nachfrage nach Lebensmitteln, die ebenfalls die Produktion zu übersteigen beginnt. Beides zusammen hat gravierende Auswirkungen auf Versorgung und Preise.
Immerhin ist damit der lang beklagte Preisverfall für Agrarprodukte ruckartig gestoppt. Wegen des global gestiegenen Bedarfs und einer katastrophalen Missernte in Australien hat sich Weizen in Deutschland innerhalb von wenigen Monaten um 50 Prozent verteuert. Während der Erntezeit kostete die Tonne 105 Euro, jetzt sind es über 150 Euro. Ähnliches gilt für andere Grundnahrungsmittel wie Mais. Für viele Landwirte in Deutschland kommt diese Entwicklung wie ein warmer Regen.
Doch die Freude über die neuen Märkte ist selbst in der Landwirtschaft nicht ungeteilt. Denn durch den Entzug von Flächen für Energiepflanzen stiegen die Preise für Futtermittel deutlich an. Allein die vage Ankündigung, dass in der Region eine neue Biogasanlage gebaut werden soll, löst bei Geflügel- und Schweinemästern schlaflose Nächte aus. Die Biogasproduzenten können zurzeit erheblich höhere Pachtpreise zahlen als ihre ackernden Kollegen. Das stellt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der tierischen Veredelungswirtschaft in Deutschland auf eine harte Belastungsprobe.
Und global: Der rasante Preisanstieg trifft die Länder der Dritten Welt mit ihrer geringen Kaufkraft weitaus härter. In Mexiko kam es in der Hauptstadt bereits zu Massendemonstrationen, weil sich der Preis für Mais fast verdoppelt hat, was viele Familien in ihrer Existenz bedroht. Die Amerikaner produzieren aus dem Mais Biokraftstoffe. Inzwischen landen dort 20 Prozent der Maisproduktion im Tank statt in Mittelamerika – mit steigendem Trend.
Das ist nur ein Vorgeschmack. Denn Nahrung bekommen nur die, die sie bezahlen können. Solange Überschüsse produziert wurden, waren die Preise auf dem Weltmarkt so niedrig, dass sich viele Menschen in der Dritten Welt ausreichend Essen leisten konnten. Schon bieten die ersten Staaten ihre Getreidevorräte nicht mehr auf dem Weltmarkt an. Wenn das Horten beginnt, kommen die Spekulanten. Zugleich wird der Druck zunehmen, die letzten Urwälder zum Anbau von Nahrung zu roden. Dies wird in der Dritten Welt die einzige Möglichkeit sein, um überhaupt überleben zu können.
Milchmädchenrechnung: Allen Beteiligten ist klar, dass Raps und Biogas unsere Pkws oder Industrie keinen Deut aus der Abhängigkeit von den Energieimporten aus Saudi-Arabien oder Russland befreien können. Um etwa das von der Europäischen Union vorgegebene Ziel einer Beimischung von dürftigen 5,75 Prozent beim Biodiesel zu erreichen, müsste - so eine Studie der Universität Barcelona - schätzungsweise ein Fünftel des Ackerlandes in der EU für Energieraps genutzt werden. Europas gesamtes nutzbares Ackerland, das derzeit zur Nahrungsmittelproduktion dient, reicht nicht mal aus, um auch nur ein Drittel des Benzinbedarfs zu decken. Da ist noch keine Nutzung durch die chemische Industrie enthalten (zum Beispiel Kunststoffproduktion). Auch würde das nichts am Energieverbrauch in Form von Strom ändern. Europa kann seine Ziele in Sachen erneuerbarer Energie nur realisieren, wenn andere Kontinente ebenfalls ihre Lebensmittelproduktion für seine Energieziele opfern würden.
Welche Folgen hat das für die Kohlendioxidbilanz? Die zu erwartenden (Brand)-Rodungen von Wäldern zur notwendigen Ausweitung der Anbauflächen (wie es derzeit schon vor allem zur Produktion von Palmölen für die Energieproduktion praktiziert wird) werden die CO2-Bilanz sicher nicht verbessern. Der Aufwand, um aus Energieliefernden Pflanzen Biodiesel herzustellen, ist – vor allem in Hinblick auf die dafür erforderliche Energie – nicht zu unterschätzen. Der Anbau erfordert Energie, während man Erdöl und Erdgas durch Pipelines pumpen kann, werden pflanzliche Rohstoffe per Fahrzeug transportiert. Auch der "Umbau" (zum Beispiel Ölextraktion, Methylierung) von Mais in Diesel erfordert Energie. Insofern werden wir weiterhin Erdöl importieren müssen, um unsere energiepolitischen Ideen träumen zu können.
Öko-Energie-Landwirtschaft?
Bisher galt der ökologische Landbau als Maßstab einer "politisch korrekten" Bewirtschaftung von Agrarflächen. Gilt das nun auch für den Anbau von Energieliefernden Pflanzen? Ein wirtschaftlicher Anbau von Nutzpflanzen zur Energiegewinnung setzt ertragsstarke Hochleistungssorten und den Einsatz von Kunstdünger voraus. Ohne moderne Züchtungstechnik – auf dem internationalen Parkett Gentechnik genannt – und ohne Einsatz von Phosphor- und Stickstoffdünger kann man die Energieproduktion auf dem Acker vergessen. Die Bilanzen, mit denen die Freunde der Ökologie sich für nachwachsende Energiepflanzen einsetzen, gehen davon aus, dass gerade nicht ökologisch gewirtschaftet wird.
Fazit: Das ganze System mit dem Biodiesel funktioniert nur durch Subventionen und durch eine hohe Besteuerung anderer Energien. Dies wird auf lange Sicht so bleiben. Damit handelt es sich nicht um eine "Wende", sondern um eine langfristig geplante Vernichtung volkswirtschaftlichen Kapitals, das sich derzeit noch in den Händen der Bürger befindet.
Energie aus nachwachsenden Rohstoffen ja - aber nur solange darunter die Produktion von Nahrung nicht leidet und die Ökobilanz für den jeweiligen Prozess auch wirklich vorteilhaft ist.
Quellen:
Stein M: Energie frisst Lebensmittel. EU.L.E.nspiegel 2007/H.1/S.1-2
Russi D: Social multi-criteria evaluation and renewable energy policies. Dissertation; Universitat Autonoma de Barcelona, 2007
Monbiot G: Worse than fossil fuel. Guardian 7.12.2005;
www.zmag.org/content/showarticle.cfm?ItemID=9285
Aktuelle Lösung: Nachwachsende Energie vom Acker. Auf diese Option setzen sowohl die Europäer als auch die Amerikaner. Präsident George W. Bush erhielt für seine Aussage, die Leute sollten mit dem Treibstoff fahren, "der in Amerika wächst", großen Applaus. Klingt auch ziemlich logisch: Das CO2, das beim Verbrennen von Biodiesel freigesetzt wird, wurde vorher von der wachsenden Pflanze gebunden. Damit wird die Umwelt entlastet. Und die Abhängigkeit von irgendwelchen Regimes auch.
Die Folgen: Der Anbau von Energiepflanzen konkurriert mit dem Lebensmittelmarkt. Immer mehr Raps, Ölpalmen und Mais werden nicht mehr an Mühlen oder Margarinefabriken geliefert, sondern an die gut zahlende Energiewirtschaft. Gleichzeitig sorgt die wachsende Kaufkraft in Asien für eine Nachfrage nach Lebensmitteln, die ebenfalls die Produktion zu übersteigen beginnt. Beides zusammen hat gravierende Auswirkungen auf Versorgung und Preise.
Immerhin ist damit der lang beklagte Preisverfall für Agrarprodukte ruckartig gestoppt. Wegen des global gestiegenen Bedarfs und einer katastrophalen Missernte in Australien hat sich Weizen in Deutschland innerhalb von wenigen Monaten um 50 Prozent verteuert. Während der Erntezeit kostete die Tonne 105 Euro, jetzt sind es über 150 Euro. Ähnliches gilt für andere Grundnahrungsmittel wie Mais. Für viele Landwirte in Deutschland kommt diese Entwicklung wie ein warmer Regen.
Doch die Freude über die neuen Märkte ist selbst in der Landwirtschaft nicht ungeteilt. Denn durch den Entzug von Flächen für Energiepflanzen stiegen die Preise für Futtermittel deutlich an. Allein die vage Ankündigung, dass in der Region eine neue Biogasanlage gebaut werden soll, löst bei Geflügel- und Schweinemästern schlaflose Nächte aus. Die Biogasproduzenten können zurzeit erheblich höhere Pachtpreise zahlen als ihre ackernden Kollegen. Das stellt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der tierischen Veredelungswirtschaft in Deutschland auf eine harte Belastungsprobe.
Und global: Der rasante Preisanstieg trifft die Länder der Dritten Welt mit ihrer geringen Kaufkraft weitaus härter. In Mexiko kam es in der Hauptstadt bereits zu Massendemonstrationen, weil sich der Preis für Mais fast verdoppelt hat, was viele Familien in ihrer Existenz bedroht. Die Amerikaner produzieren aus dem Mais Biokraftstoffe. Inzwischen landen dort 20 Prozent der Maisproduktion im Tank statt in Mittelamerika – mit steigendem Trend.
Das ist nur ein Vorgeschmack. Denn Nahrung bekommen nur die, die sie bezahlen können. Solange Überschüsse produziert wurden, waren die Preise auf dem Weltmarkt so niedrig, dass sich viele Menschen in der Dritten Welt ausreichend Essen leisten konnten. Schon bieten die ersten Staaten ihre Getreidevorräte nicht mehr auf dem Weltmarkt an. Wenn das Horten beginnt, kommen die Spekulanten. Zugleich wird der Druck zunehmen, die letzten Urwälder zum Anbau von Nahrung zu roden. Dies wird in der Dritten Welt die einzige Möglichkeit sein, um überhaupt überleben zu können.
Milchmädchenrechnung: Allen Beteiligten ist klar, dass Raps und Biogas unsere Pkws oder Industrie keinen Deut aus der Abhängigkeit von den Energieimporten aus Saudi-Arabien oder Russland befreien können. Um etwa das von der Europäischen Union vorgegebene Ziel einer Beimischung von dürftigen 5,75 Prozent beim Biodiesel zu erreichen, müsste - so eine Studie der Universität Barcelona - schätzungsweise ein Fünftel des Ackerlandes in der EU für Energieraps genutzt werden. Europas gesamtes nutzbares Ackerland, das derzeit zur Nahrungsmittelproduktion dient, reicht nicht mal aus, um auch nur ein Drittel des Benzinbedarfs zu decken. Da ist noch keine Nutzung durch die chemische Industrie enthalten (zum Beispiel Kunststoffproduktion). Auch würde das nichts am Energieverbrauch in Form von Strom ändern. Europa kann seine Ziele in Sachen erneuerbarer Energie nur realisieren, wenn andere Kontinente ebenfalls ihre Lebensmittelproduktion für seine Energieziele opfern würden.
Welche Folgen hat das für die Kohlendioxidbilanz? Die zu erwartenden (Brand)-Rodungen von Wäldern zur notwendigen Ausweitung der Anbauflächen (wie es derzeit schon vor allem zur Produktion von Palmölen für die Energieproduktion praktiziert wird) werden die CO2-Bilanz sicher nicht verbessern. Der Aufwand, um aus Energieliefernden Pflanzen Biodiesel herzustellen, ist – vor allem in Hinblick auf die dafür erforderliche Energie – nicht zu unterschätzen. Der Anbau erfordert Energie, während man Erdöl und Erdgas durch Pipelines pumpen kann, werden pflanzliche Rohstoffe per Fahrzeug transportiert. Auch der "Umbau" (zum Beispiel Ölextraktion, Methylierung) von Mais in Diesel erfordert Energie. Insofern werden wir weiterhin Erdöl importieren müssen, um unsere energiepolitischen Ideen träumen zu können.
Öko-Energie-Landwirtschaft?
Bisher galt der ökologische Landbau als Maßstab einer "politisch korrekten" Bewirtschaftung von Agrarflächen. Gilt das nun auch für den Anbau von Energieliefernden Pflanzen? Ein wirtschaftlicher Anbau von Nutzpflanzen zur Energiegewinnung setzt ertragsstarke Hochleistungssorten und den Einsatz von Kunstdünger voraus. Ohne moderne Züchtungstechnik – auf dem internationalen Parkett Gentechnik genannt – und ohne Einsatz von Phosphor- und Stickstoffdünger kann man die Energieproduktion auf dem Acker vergessen. Die Bilanzen, mit denen die Freunde der Ökologie sich für nachwachsende Energiepflanzen einsetzen, gehen davon aus, dass gerade nicht ökologisch gewirtschaftet wird.
Fazit: Das ganze System mit dem Biodiesel funktioniert nur durch Subventionen und durch eine hohe Besteuerung anderer Energien. Dies wird auf lange Sicht so bleiben. Damit handelt es sich nicht um eine "Wende", sondern um eine langfristig geplante Vernichtung volkswirtschaftlichen Kapitals, das sich derzeit noch in den Händen der Bürger befindet.
Energie aus nachwachsenden Rohstoffen ja - aber nur solange darunter die Produktion von Nahrung nicht leidet und die Ökobilanz für den jeweiligen Prozess auch wirklich vorteilhaft ist.
Quellen:
Stein M: Energie frisst Lebensmittel. EU.L.E.nspiegel 2007/H.1/S.1-2
Russi D: Social multi-criteria evaluation and renewable energy policies. Dissertation; Universitat Autonoma de Barcelona, 2007
Monbiot G: Worse than fossil fuel. Guardian 7.12.2005;
www.zmag.org/content/showarticle.cfm?ItemID=9285