Endzeitfibel

Knigge für die Apokalypse

Von Eva Hepper · 03.02.2014
Ein Grundkurs in Endzeitdeutung und ein praktischer Ratgeber für die letzten Minuten der Endzeit: Das ist Florian Werners Buch. Er balanciert so meisterhaft auf dem Grat zwischen Ernsthaftigkeit und subtilem Witz, dass es das reine Vergnügen ist.
Mit schönen Hörerlebnissen wird nach dem Weltuntergang nicht zu rechnen sein. Weder auf Seiten der Seligen im Paradies noch auf Seiten der Elenden in ewiger Verdammnis. Musikalisch gesehen dürfte es sehr eintönig werden, befürchtet Florian Werner. Während die einen unaufhörlich ihr Halleluja anstimmten, erklängen bei den anderen die immer gleichen Jammertöne.
Für diesen trostlosen Zustand hat der Literaturwissenschaftler und Endzeitspezialist Werner leider keine Abhilfe parat. Als Ausgleich bietet er aber ein "Best of" möglicher Schlussgesänge für die Zeit unmittelbar vor dem Weltenende. Darunter Wagners Walkürenritt, Peaches Fuck the pain away und natürlich ganz allgemein die Musik der Sex Pistols, die sich als "No Future"-Propagandisten geradezu aufdrängten.
Praktischer Ratgeber für die letzten Minuten der Menschheit
"Schwanengesang (schwarz)" nennt Florian Werner diese apokalyptische Hitparade. Zusammengestellt hat er sie für seine nicht ganz ernst und dann doch wieder ernst gemeinte Endzeitfibel "Verhalten bei Weltuntergang". Tatsächlich handelt es sich dabei um die einmalige Kombination einer Kulturgeschichte der Apokalypse mit einem Grundkurs in Endzeichen-Deutung und einem praktischen Ratgeber für die letzten Minuten der Menschheit.
Gestützt auf unzählige Quellen, darunter religiöse Schriften, philosophische Werke, populärwissenschaftliche Bücher und Romane, beleuchtet Werner die Apokalypse aus allen erdenklichen Blickwinkeln. Er bietet Klassifikationen von Endzeitkreaturen wie Drachen und Chimären, listet die untrüglichen Zeichen kurz vor dem Weltuntergang auf ("Die Liebe erkaltet. Das Vieh verendet..."), und stellt die bedeutendsten finalen Erzählungen der Geschichte seit dem Gilgamesch-Epos (um 1200 v. Chr.) dar.
Ein Panoptikum kurioser Endzeitwesen
Mit fein geschliffener Sprache balanciert der Autor, der über "Rap und die Apokalypse" promovierte, auf einem schmalen Grat zwischen Ernsthaftigkeit und subtilem Witz. So erläutert er einerseits, warum die Menschheit zu allen Zeiten und in allen Kulturen an ihren Untergang glaubte (tatsächlich macht er Sinnstiftendes darin aus), und weshalb dieses Ende heute angesichts einer Klimakatastrophe oder der Gefahr eines Atomkrieges nicht so unwahrscheinlich ist. Andererseits offeriert er augenzwinkernd „Aramäisch für Anfänger“, damit der Endzeit-Betroffene Jesus schließlich mit freundlichen oder auch beschwichtigenden Worten gegenübertreten kann; etwa "Ich war es nicht".
Als kongenialer Spielpartner Werners erweist sich der Illustrator Nikolaus Heidelbach, der das Buch mit einem Panoptikum kurioser Endzeitwesen bereichert. Ob sich da Monster die Erde speisefertig im Eierbecher servieren oder Skelette die apokalyptischen Posaunen blasen: Die in zwanzig ganzseitigen Abbildungen dargestellten blassblauen Gestalten sind das reine Vergnügen. Und auch die Buchgestaltung offenbart Witz. Die Seiten etwa werden rückwärts gezählt, und das Literaturverzeichnis "am Schluss" geht gar von -4 bis -10. So zeigt sich nicht nur beim Lesen, sondern auch schon beim Blättern: Nach dem Ende ist's noch nicht vorbei. Uff!

Florian Werner: Verhalten bei Weltuntergang
Nagel & Kimche, München 2013
176 Seiten, 19,90 Euro