"Endlagerfrage in Deutschland im Konsens lösen"

Kurt-Dieter Grill im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 11.02.2013
Der CDU-Politiker Kurt-Dieter Grill, Ex-Vorsitzender der Gorleben-Kommission, hat dem designierten niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil vorgeworfen, sich in der Endlager-Frage auf einen "Ego-Trip" zu begeben. Es gebe keine Grund, Gorleben von vornherein auszuschließen.
Jan-Christoph Kitzler: Rot-Grün steht in Niedersachsen. Die Posten sind verteilt, der Koalitionsvertrag ist zwar noch nicht öffentlich, darüber müssen noch die Parteitage entscheiden, aber gestern wurde schon mal fröhlich verkündet, wir haben uns geeinigt und wir freuen uns auf fünf gemeinsame Jahre. Weitgehend reibungslos sollen die strittigen Themen abgearbeitet worden sein, zumindest hieß das hinterher so. Dabei ist ein Thema ziemlich heikel: Was wird aus Gorleben? Man hat sich darauf verständigt, dass Niedersachsen harte Kriterien einführen will und Rot-Grün. Und diese Kriterien sollen letztendlich dafür sorgen, dass Gorleben nicht zum atomaren Endlager werden kann.

Stefan Wenzel war Spitzenkandidat der Grünen bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar. Jetzt soll er Umweltminister werden und das Thema Gorleben klingt bei ihm jetzt so:

"Nach den letzten Castortransporten und nach den Erfahrungen der Asse hat der Letzte in der Bundesrepublik begriffen, dass Gorleben kein geeigneter Ort ist und dass eine Kopf-durch-die-Wand-Politik nie zum Erfolg führt."

Kitzler: Klare Ansage, Stefan Wenzel ist ein klarer Gegner des Atomendlagers in Gorleben. Dumm nur, dass sich die Grünen und auch die SPD in Niedersachsen gegen die bundespolitische Linie in ihren Parteien stellen. Dort will man ergebnisoffen nach einem neuen Endlager suchen, also nicht etwa Gorleben ausschließen. Was wird nun also aus Gorleben? Darüber spreche ich mit Kurt-Dieter Grill aus dem Gorleben-Landkreis Lüchow-Dannenberg. 13 Jahre lang war er Vorsitzender der Gorleben-Kommission, bis 2005 im Deutschen Bundestag, und jetzt ist er Unternehmensberater. Schönen guten Morgen, Herr Grill.

Kurt-Dieter Grill: Guten Morgen, Herr Kitzler.

Kitzler: Was halten Sie denn von den Signalen der rot-grünen Koalition in Niedersachsen in Sachen Gorleben?

Grill: Also ich denke, das Signal heißt, wir beteiligen uns nicht an der Suche nach einem Konsens mit allen anderen Ländern und der Bundesregierung. Es klingt ein bisschen danach, dass man Angst hat vor den Erkundungsergebnissen, wenn man das zu Ende führen würde. Und ich denke, dass das Ganze sozusagen mehr politische Willkür ist, als dass es von der immer wieder von der CDU geforderten sachlichen Grundlage für eine Endlagersuche dient.

Kitzler: Es ist ja kein Geheimnis, wenn man sagt, Sie sind ein Befürworter des atomaren Endlagers in Gorleben. Warum ist denn dieser Standort Ihrer Meinung nach so besonders geeignet?

Grill: Es geht gar nicht darum, ob ich ein Befürworter bin oder ob der Standort besonders geeignet ist. Es geht darum, einen Standort zu prüfen. Und wenn Sie darauf abheben, dass ich ein Befürworter bin, dann will ich, weil das meistens unbekannt ist, nur darauf hinweisen, dass ich siebenmal direkt gewählter Abgeordneter in diesem Wahlkreis gewesen bin. Also, ich glaube, dass dann aus den Gründen, die alle schon genannt sind, die auch Peter Altmeier umtreiben, durchaus ein Versuch gemacht werden sollte, die Endlagerfrage in Deutschland im Konsens zu lösen. Es gibt allerdings gute Gründe, und die kennt am besten Herr Trittin, im Übrigen auch Herr Wenzel, den Salzstock Gorleben nicht von vornherein auszuschalten, denn es gibt keinen Beweis für die Nichteignung.

Kitzler: Sie haben das eben so weggewischt, also, es geht nicht um die Frage, ist es geeignet oder nicht. Ist das nicht die Kernfrage: Ist Gorleben als Standort geeignet?

Grill: Ich gehöre zu denjenigen, die für die Untersuchung sind. Es geht doch nicht darum, zu einem Zeitpunkt, wo die Untersuchungen und Forschungen nicht zu Ende geführt sind, eine Eignung oder Nichteignung festzustellen. Es geht darum, ob am Ende mit den Untersuchungsergebnissen sichergestellt werden kann, dass die Sicherheit garantiert wird. Alles andere ist unwichtig.

Kitzler: Aber untersucht wird doch jetzt schon seit Jahrzehnten. Muss man nicht sagen, Gorleben ist von vornherein ein Geburtsfehler gewesen, wir müssen anfangen, neu nachzudenken?

Grill: Also den Geburtsfehler würde ich gern denen zurückgeben, die jetzt die Regierung bilden, aber wissen Sie, das ist müßig, das jetzt zu diskutieren. Die Zeitdauer der Untersuchungen sind zehn Jahre Moratorium Rot-grün, die Zeitdauer sind viele Dinge, die mit dem Erfahrung sammeln bei der Endlagersuche zu tun haben. Es würde diesen Zeitrahmen Ihrer Sendung vollkommen sprengen, sich mit der historischen Frage auseinanderzusetzen. Ich gehöre zu denjenigen, die, genauso wie Herr Trittin und Herr Schröder, 2000 feststellen, der Salzstock in Gorleben ist eignungsfähig. Und von daher gesehen könnte ich mich ja auch berufen auf Herrn Trittin, der die 14 Zweifelsfragen 2005 nicht-öffentlich hat abarbeiten lassen. Ich glaube, dass das, was die Grünen in die Koalitionsverhandlungen eingebracht haben, konsensfähiger ist, wenn ich mir die Berichterstattung jedenfalls dazu anhöre, als das, was der zukünftige Ministerpräsident vorgetragen hat.

Kitzler: Kann man es so auf den Punkt bringen: Niedersachsen ist auf dem Ego-Trip, und das ist verantwortungslos, wenn wir ein bundesweites Endlager brauchen?

Grill: Also es ist ein niedersächsischer Ego-Trip insbesondere des Ministerpräsidenten. Ich kann jedenfalls den bisherigen Berichten nicht entnehmen, dass Niedersachsen sich der Tatsache bewusst ist, die neue Landesregierung und Rot-Grün, dass, wenn man den Standort Gorleben so aufgibt, wie sie das offensichtlich vorhaben, dann alle anderen Standorte in Niedersachsen wieder ins Gespräch kommen. Es ist – es gibt ja keine weiße Landkarte. Es gibt die Untersuchung von 255 Standorten, wenn ich es richtig im Kopf habe, die ja zu einer Standortauswahl geführt haben. Es gehört mit zu den historischen, ich sage einmal, historischen Darstellungen, die falsch sind, dass es nie eine ordentliche Suche gegeben hat.

Kitzler: Der Standort Gorleben, also der Salzstock in Gorleben ist ja das eine. Das andere Problem ist aber ja eigentlich zurzeit über der Erde. In einer großen Halle sind über 100 Castor-Behälter da untergebracht. Platz wäre ja für 420. Heißt das jetzt, die Zeit drängt, wir müssen uns entscheiden? Oder heißt das nicht eher, wir können noch ein bisschen warten?

Grill: Also die Zwischenlagerfrage scheint ja jedenfalls nach dem, was ich lese, und damit auch die Frage, was man mit den Abfällen macht, den hoch radioaktiven Abfällen macht, in der Koalitionsvereinbarung entweder keine herausragende Rolle gespielt zu haben oder es ist gar nicht beantwortet, ich kann das nicht beurteilen. Auf alle Fälle ist es so, dass das Signal, wir wollen Gorleben nicht, nicht mit einer Alternative versehen ist, die in die Konsensgespräche mit der Bundesregierung eingebracht werden könnten. Und es gehört sicherlich zu den Verdiensten von Herrn Trittin, dass er 13 Zwischenlager nach dem Muster Gorleben in Deutschland hat bauen lassen, sozusagen veranlasst hat. Das Problem, was da allerdings dahinter jetzt auch durch die rot-grüne Verweigerungshaltung in Niedersachsen entsteht, ist, dass die Zwischenlager dann länger als die geplanten und den Bürgern versprochenen 40 Jahren die Castor-Behälter aufnehmen müssen. Gorleben ist nicht das einzige Lager, in dem Castor-Behälter stehen.

Kitzler: Kurt-Dieter Grill aus dem Gorleben-Landkreis Lüchow-Dannenberg. Dort war er jahrelang Bundestagsabgeordneter für die CDU, jetzt ist er Unternehmensberater. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Grill: Bitte schön.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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