Endlager-Gesetz

Wer Atomstrom nutzt, kann nicht gegen Endlager sein

Vor Containern mit radioaktiver Lauge hängt am 31.04.2016 in der Schachtanlage Asse bei Remlingen (Niedersachsen) ein Warnschild mit der Aufschrift "Radioaktiv".
Bundesumweltministerin Hendricks erwartet, dass ein Endlager für Atommüll 2050 in Betrieb genommen wird. © dpa
Von Barbara Schmidt-Mattern  · 23.03.2017
Der Bundestag hat ein Gesetz für die Suche nach einem deutschen Endlager für radioaktiven Atommüll beschlossen. Falls ein Standort gefunden wird, ist Bürgerprotest vorprogrammiert, meint Korrespondentin Barbara Schmidt-Mattern. Das eine ist aber nicht ohne das andere zu haben.
Ängstlichkeit kann man Barbara Hendricks nicht gerade nachsagen. Schon jetzt stellt sich die Bundesumweltministerin recht gelassen darauf ein, irgendwann einmal mit Tomaten beworfen zu werden. Und zwar genau von dem Moment an, in dem der Standort für das erste deutsche Endlager feststeht. Hendricks wird diesen fernen Moment als Umweltministerin zwar gar nicht mehr erleben – aber darum geht es auch nicht. Die Zeitdimension beim Thema Atommüll – eine Million Jahre Lagerzeit, eine jahrzehntelange Suche – das alles klingt sowieso eher nach einer Mischung aus Captain Future und Knoff-Hoff-Show. Nein, entscheidend ist heute ein anderer Punkt.
Mit der Verabschiedung des Standort-Auswahl-Gesetzes steht Deutschland das erste Mal an einem Nullpunkt. Schluss mit der einseitigen Fixierung auf den Salzstock Gorleben, stattdessen beginnt jetzt alles von vorn. Und diese Suche nach einer geeigneten Lagerstätte für hoch radioaktive Abfälle hat es in sich. Sie ist für Politiker, Atomkonzerne, und vor allem für uns – die Bürgergesellschaft – eine riesige Herausforderung. Umso besser, dass mit dem neuen Gesetz jetzt wenigstens ein Fahrplan feststeht. Barbara Hendricks nannte die Endlagersuche heute im Bundestag einen "Testfall für unsere Demokratie". Das ist nicht untertrieben. Wer erinnert sich nicht an den Kampf der Anti-Atombewegung im Wendland.

Bundesregierung betont neue Spielregeln

Damit nicht gleich sofort irgendeine Region oder Dorfgemeinschaft auf die Barrikaden geht, sobald ein Atommüll-Lager vor der eigenen Haustür droht, betont die Bundesregierung vehement die neuen Spielregeln: Die künftige Lagerstätte muss erstens: Sicher sein – das heißt, nicht in einem Erdbeben- Überschwemmungs- oder Ballungsgebiet liegen – und: zweitens: Es soll kein Präjudiz mehr für Gorleben geben. De facto aber geben die Standort-Bedingungen natürlich Anhaltspunkte, wo das Endlager am Ende einmal liegen könnte. Bleibt es bei der unterirdischen Lösung, kommen Salz-, Ton- und kristallines Gestein in Frage.
Ersteres findet sich eher im Norden und Nordosten Deutschlands, Tonflöze dagegen im Südwesten, und Granit in Bayern und Sachsen. Sobald ein Bundesland also näher in den Fokus der Suchenden rückt, wird es auf das Fingerspitzengefühl der Politik ankommen, vor allem in Berlin. Zwar sollen die Bürger in Form verschiedenster Gremien beteiligt werden, doch am Ende werden Bundestag und Bundesrat über den Endlager-Standort entscheiden. Die Kommunen haben da nichts mitzureden. Bürgerinitiativen und Anti-Atomverbände blicken unter anderem auch deshalb skeptisch auf das neue Gesetz. Man wünschte sich, sie würden irgendwann überflüssig werden, doch der Kampf gegen Gorleben hat in der Vergangenheit das Gegenteil bewiesen. Jeder hierzulande muss allerdings auch wissen: Wer jahrzehntelang billigen Atomstrom genutzt hat, darf jetzt nicht gegen ein Endlager vor dem eigenen Gartenzaun wettern.
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