Endlager für Auftragskunst der DDR
Kurz vor der Wiedervereinigung ließ Herbert Schirmer, der letzte Kulturminister der DDR, alle Kunstwerke aus dem Staatsbesitz der DDR einsammeln. Aus Schulen und Amtsstuben wurden diese entfernt und in der Burg Beeskow eingelagert. Das Kunstarchiv Beeskow verwaltet heute diese Werke und gestaltet aus dem Bestand regelmäßig Ausstellungen.
Hannelore Franke: "Das ist Ernst Thälmann da oben, ein Arbeiterführer aus der Zeit der Faschismus, den man im KZ umgebracht hat. Der Herr da drüben ist ja allseits bekannt, das ist der Karl Marx."
Karl Marx, Ernst Thälmann, Vladimir Iljitsch Lenin – in schlichten Regalen stehen sie nebeneinander – die Säulenheiligen des Sozialismus. In Bronze gegossen oder aus Gips gemeißelt. Früher waren sie in der DDR allgegenwärtig, heute sind sich die Mitarbeiter das Kunstarchiv Beeskow nicht immer ganz sicher, um wen es sich handelt.
Wolfgang de Bruyn: "Dieser Herr, das kann ich jetzt gar nicht sagen ..."
Franke: "Das ist der August Bebel, der andere ist der Herr Engels, der hat uns überall begleitet… " (Lachen)
Hannelore Franke und ihr Chef Wolfgang de Bruyn, als Leiter des Kulturamtes im Landkreis Oder-Spree für das Kunstarchiv Beeskow verantwortlich, kramen in den gewaltigen Beständen des Archivs. Das kulturelle Erbe aus dem Staatsbesitz der DDR füllt drei Stockwerke eines alten Getreidespeichers.
Wolfgang de Bruyn: " Wir haben hier 23.000 Objekte gelagert, wie wir das nennen, denn das sind nicht alles Kunstwerke, wir haben 1500 Gemälde, über 12.000 Graphiken, 2000 Zeichnungen, Fotografien, Plakate, Plastiken, und die Gastgeschenke, die auf der höheren Ebene irgendwann irgendwo überreicht wurden."
Unter diesen Staatsgeschenken finden sich kuriose Dinge.
Wolfgang de Bruyn: "Wir können noch mal einen kleinen Schlenker in unser so genanntes Raritätenkabinett machen ... Hier haben wir beispielsweise ein Gastgeschenk aus der Mongolei, das ist Herrn Honecker überreicht worden, das ist auf einem Fell gestickt ein Portrait Honeckers, Wahnsinnsarbeit, der künstlerische Wert muss da nicht unbedingt diskutiert werden. Es gab auch eine Gebrauchsanweisung dazu, wie man das behandelt und konserviert, dass da Motten und andere Fellschädlinge nicht ran gehen. "
Regelmäßig stellt das Kunstarchiv Beeskow Ausstellungen zusammen, die in den Räumen der Burg gezeigt werden.
Wolfgang de Bruyn: "Unter dem Spitzbogen ist unser Depot in der dritten Etage, wo die Gemälde aufbewahrt werden, wir haben die ganzen Beispiele der bekannten Walter Womacka, Willi Sitte, Bernhard Heisig, lässt sich alles hier finden ..."
Und diese Bilder sind zum größten Teil gegenständlich gehalten. Zum Beispiel der alte Bauer im Schweinestall, der müde aus dem Bild blickt. Oder die Frauen, die in einem Gewächshaus Gurken pflücken. Einige der Gemälde werden gerade für die nächste Ausstellung vorbereitet. Sie trägt den Titel "Ein weites Feld". Gezeigt werden Werke, die die Kollektivierung der Landwirtschaft reflektieren. Ganz untypisch ein Bild, das fast nur aus ineinander fließenden Farbflächen besteht. Verschwommen sind im Zentrum des Gemäldes ein paar blaue Maschinen erkennbar.
"Dieses Bild nennt sich "Erntelandschaft" von Günther Rex, das haben wir ausgesucht für die nächste Ausstellung, die sich mit dem Thema Landwirtschaft und Bodenreform beschäftigen wird, die Mähdrescher, die sie dort in den blauen Konturen sehen, das war ein wesentliches Thema in der ländlichen Entwicklung der DDR, die großen Felder mit dem Einsatz von Großmaschinen, und das spiegelte sich natürlich dann in den künstlerischen Produkten wieder, die dann teilweise als Auftragswerk entstanden sind, dieses Bild ist ein Auftrag des freien Gewerkschaftsbundes gewesen."
Wer bestellt, der bestimmt – diese Maxime galt natürlich auch in der DDR, und ganz besonders für die realsozialistische Auftragskunst.
"Es gab selbstverständlich Einfluss auf die Künstler, wo man dann sagt, die Geste des Genossenschaftsbauern, die gefällt uns nicht, die muss zukunftsgewisser sein, man muss merken, dass sie den neuen Typ des sozialistischen Genossenschaftsbauern verkörpern, es gab aber auch die andere Seite, dass die Werke angenommen wurden, weil sie so waren, wie's wirklich war."
Nicht nur in den eigenen Ausstellungen werden Werke aus dem Kunstarchiv Beeskow gezeigt. Das Interesse an der Sammlung ist groß, meint Wolfgang de Bruyn:
"Wir haben zig Anfragen von Filmteams, das war im vorigen Jahr, da riefen die an und sagten: "Wir brauchen einen Lenin, der muss aber mindest 80 Zentimeter groß sein, damit das optisch passt", und dann kommen die her, gucken sich die Objekte an, so dass hier ein Kommen und Gehen ist, es sind Ausstellungsmacher, es sind Filmemacher, es sind Leute, die wissenschaftlich zu einzelnen Themen arbeiten, die sich hier vor Ort die Grafiken und die Gemälde angucken und dann recherchieren."
Manche der Künstler, deren Bilder in Beeskow aufbewahrt werden, würden diese Werke am liebsten verleugnen, erzählt Wolfgang de Bruyn:
"Es gibt Künstler, die hinter den Werken stehen und sagen, ja das hab ich gemalt, das eine hab ich gemalt, um Geld zu haben und zu leben, und daneben hab ich Sachen gemacht, die mir Spaß machten, andere möchten am liebsten, dass wir die Dinge, die wir haben, wegschließen, weil’s ihnen peinlich ist, dass das, was man zu DDR-Zeiten als Ankauf oder als Auftrag gemalt hat, der jetzigen Reputation abträglich wäre."
Gut, dass das Kunstarchiv Beeskow diese Bilder nicht wegschließt, geben sie doch wichtige Einblicke in die Kunst- und in die Sozialgeschichte der DDR. Besucher aus dem Westen entdecken in den Ausstellungen eine Welt, die ihnen doch sehr fremd ist. Bürger der ehemaligen DDR machen eine Reise in die Vergangenheit.
"Also da ist durchweg eine positive Reaktion, dass sie sagen, ist ja wunderbar, dass wir das noch mal sehen können, dass plötzlich ganz andere Erinnerungen wieder hoch kommen, man sieht es - und das ist zum Teil gefährlich - doch sehr nostalgisch in dem Sinne, dass die Singe, die Dinge, die zurückliegen, immer rosiger werden, je weiter man sich entfernt und je kritischer und je schwerer für den Einzelnen die Situation gegenwärtig wird."
Burg Beeskow
Karl Marx, Ernst Thälmann, Vladimir Iljitsch Lenin – in schlichten Regalen stehen sie nebeneinander – die Säulenheiligen des Sozialismus. In Bronze gegossen oder aus Gips gemeißelt. Früher waren sie in der DDR allgegenwärtig, heute sind sich die Mitarbeiter das Kunstarchiv Beeskow nicht immer ganz sicher, um wen es sich handelt.
Wolfgang de Bruyn: "Dieser Herr, das kann ich jetzt gar nicht sagen ..."
Franke: "Das ist der August Bebel, der andere ist der Herr Engels, der hat uns überall begleitet… " (Lachen)
Hannelore Franke und ihr Chef Wolfgang de Bruyn, als Leiter des Kulturamtes im Landkreis Oder-Spree für das Kunstarchiv Beeskow verantwortlich, kramen in den gewaltigen Beständen des Archivs. Das kulturelle Erbe aus dem Staatsbesitz der DDR füllt drei Stockwerke eines alten Getreidespeichers.
Wolfgang de Bruyn: " Wir haben hier 23.000 Objekte gelagert, wie wir das nennen, denn das sind nicht alles Kunstwerke, wir haben 1500 Gemälde, über 12.000 Graphiken, 2000 Zeichnungen, Fotografien, Plakate, Plastiken, und die Gastgeschenke, die auf der höheren Ebene irgendwann irgendwo überreicht wurden."
Unter diesen Staatsgeschenken finden sich kuriose Dinge.
Wolfgang de Bruyn: "Wir können noch mal einen kleinen Schlenker in unser so genanntes Raritätenkabinett machen ... Hier haben wir beispielsweise ein Gastgeschenk aus der Mongolei, das ist Herrn Honecker überreicht worden, das ist auf einem Fell gestickt ein Portrait Honeckers, Wahnsinnsarbeit, der künstlerische Wert muss da nicht unbedingt diskutiert werden. Es gab auch eine Gebrauchsanweisung dazu, wie man das behandelt und konserviert, dass da Motten und andere Fellschädlinge nicht ran gehen. "
Regelmäßig stellt das Kunstarchiv Beeskow Ausstellungen zusammen, die in den Räumen der Burg gezeigt werden.
Wolfgang de Bruyn: "Unter dem Spitzbogen ist unser Depot in der dritten Etage, wo die Gemälde aufbewahrt werden, wir haben die ganzen Beispiele der bekannten Walter Womacka, Willi Sitte, Bernhard Heisig, lässt sich alles hier finden ..."
Und diese Bilder sind zum größten Teil gegenständlich gehalten. Zum Beispiel der alte Bauer im Schweinestall, der müde aus dem Bild blickt. Oder die Frauen, die in einem Gewächshaus Gurken pflücken. Einige der Gemälde werden gerade für die nächste Ausstellung vorbereitet. Sie trägt den Titel "Ein weites Feld". Gezeigt werden Werke, die die Kollektivierung der Landwirtschaft reflektieren. Ganz untypisch ein Bild, das fast nur aus ineinander fließenden Farbflächen besteht. Verschwommen sind im Zentrum des Gemäldes ein paar blaue Maschinen erkennbar.
"Dieses Bild nennt sich "Erntelandschaft" von Günther Rex, das haben wir ausgesucht für die nächste Ausstellung, die sich mit dem Thema Landwirtschaft und Bodenreform beschäftigen wird, die Mähdrescher, die sie dort in den blauen Konturen sehen, das war ein wesentliches Thema in der ländlichen Entwicklung der DDR, die großen Felder mit dem Einsatz von Großmaschinen, und das spiegelte sich natürlich dann in den künstlerischen Produkten wieder, die dann teilweise als Auftragswerk entstanden sind, dieses Bild ist ein Auftrag des freien Gewerkschaftsbundes gewesen."
Wer bestellt, der bestimmt – diese Maxime galt natürlich auch in der DDR, und ganz besonders für die realsozialistische Auftragskunst.
"Es gab selbstverständlich Einfluss auf die Künstler, wo man dann sagt, die Geste des Genossenschaftsbauern, die gefällt uns nicht, die muss zukunftsgewisser sein, man muss merken, dass sie den neuen Typ des sozialistischen Genossenschaftsbauern verkörpern, es gab aber auch die andere Seite, dass die Werke angenommen wurden, weil sie so waren, wie's wirklich war."
Nicht nur in den eigenen Ausstellungen werden Werke aus dem Kunstarchiv Beeskow gezeigt. Das Interesse an der Sammlung ist groß, meint Wolfgang de Bruyn:
"Wir haben zig Anfragen von Filmteams, das war im vorigen Jahr, da riefen die an und sagten: "Wir brauchen einen Lenin, der muss aber mindest 80 Zentimeter groß sein, damit das optisch passt", und dann kommen die her, gucken sich die Objekte an, so dass hier ein Kommen und Gehen ist, es sind Ausstellungsmacher, es sind Filmemacher, es sind Leute, die wissenschaftlich zu einzelnen Themen arbeiten, die sich hier vor Ort die Grafiken und die Gemälde angucken und dann recherchieren."
Manche der Künstler, deren Bilder in Beeskow aufbewahrt werden, würden diese Werke am liebsten verleugnen, erzählt Wolfgang de Bruyn:
"Es gibt Künstler, die hinter den Werken stehen und sagen, ja das hab ich gemalt, das eine hab ich gemalt, um Geld zu haben und zu leben, und daneben hab ich Sachen gemacht, die mir Spaß machten, andere möchten am liebsten, dass wir die Dinge, die wir haben, wegschließen, weil’s ihnen peinlich ist, dass das, was man zu DDR-Zeiten als Ankauf oder als Auftrag gemalt hat, der jetzigen Reputation abträglich wäre."
Gut, dass das Kunstarchiv Beeskow diese Bilder nicht wegschließt, geben sie doch wichtige Einblicke in die Kunst- und in die Sozialgeschichte der DDR. Besucher aus dem Westen entdecken in den Ausstellungen eine Welt, die ihnen doch sehr fremd ist. Bürger der ehemaligen DDR machen eine Reise in die Vergangenheit.
"Also da ist durchweg eine positive Reaktion, dass sie sagen, ist ja wunderbar, dass wir das noch mal sehen können, dass plötzlich ganz andere Erinnerungen wieder hoch kommen, man sieht es - und das ist zum Teil gefährlich - doch sehr nostalgisch in dem Sinne, dass die Singe, die Dinge, die zurückliegen, immer rosiger werden, je weiter man sich entfernt und je kritischer und je schwerer für den Einzelnen die Situation gegenwärtig wird."
Burg Beeskow