Emanuele Coccia: "Das Zuhause. Philosophie eines scheinbar vertrauten Ortes"

Der Philosoph in seinen eigenen vier Wänden

06:42 Minuten
Buchcover zu Emanuele Coccia "Das Zuhause".
© Hanser Literaturverlag

Emanuele Coccia

Übersetzt aus dem Italienischen von Andreas Thomsen

Das Zuhause. Philosophie eines scheinbar vertrauten OrtesHanser Verlag, München 2022

160 Seiten

22,00 Euro

Von Andrea Gerk · 07.09.2022
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Wenn die Philosophie über Orte nachgedacht hat, dann meistens über die Stadt, wo das öffentliche Leben stattfindet. Dem Zuhause, diesem privaten Raum, hat sie wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Das will der italienische Philosoph Emanuele Coccia ändern.
In den letzten zwei Jahren haben die meisten von uns coronabedingt wahrscheinlich mehr Zeit zuhause verbracht als je zuvor. Manche haben deshalb angefangen zu renovieren oder zu entrümpeln, andere haben sich womöglich gefragt, was das (eigene) Zuhause eigentlich ausmacht. Dazu gehört der italienische Philosoph Emanuele Coccia, der in Paris Geschichte der Philosophie unterrichtet.
"Die Philosophie hat dem Zuhause bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt", stellt Coccia zu Beginn seines neuen Buches fest. Während sie zur Stadt, als dem Schauplatz von Macht und Einfluss, seit jeher eine besondere Beziehung eingenommen habe, seien Häuser und vor allem deren Innenleben weniger beachtet worden. Was zweifellos auch damit zusammenhängt, dass das Zuhause traditionell als weibliche und damit weniger machtvolle Domäne angesehen wurde, was sich aber, spätestens seit mit den Medien und der globalen Vernetzung durch das Internet, ohnehin die Welt überall zu Hause ist, grundlegend geändert hat.

Der Planet als wahres Zuhause

"In der modernen Philosophie steht die Stadt im Mittelpunkt, aber die Zukunft des Planeten kann nur im häuslichen Ambiente liegen", erklärt Coccia. Wir müssen uns mit dem Zuhause auseinandersetzen, so seine These, weil es an der Zeit ist, "diesen Planeten in unser wahres Zuhause zu verwandeln".

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Wollen wir unser Zuhause, das Coccia als "moralische Realität" definiert, mit der Umwelt in Einklang bringen, müssen wir sie aber erst einmal besser verstehen. Dementsprechend inspiziert der Autor in seinem Buch den häuslichen Raum quasi von Keller bis zum Dachboden, beziehungsweise vom Badezimmer bis in den Kleiderschrank hinein.
Der Philosoph beginnt die einzelnen Kapitel meist mit einer persönlichen Anekdote - etwa, wenn er von seinen zahlreichen Umzügen erzählt und von seiner "ungewollten häuslichen Promiskuität", die ihn aber erst dazu gezwungen habe, zu untersuchen, was einen Ort zum Zuhause mache. Dieses existiert Coccia zufolge nicht per se, es muss vielmehr erst erschaffen werden, indem Dinge und Menschen einander kultivieren.

Stöbern in Dachböden und Kellern

In einem anderen Kapitel erforscht er die Dachböden und Keller als „Friedhöfe der Dinge des Zuhauses“ oder stöbert im Kleiderschrank, um festzustellen, dass man Kleidung und Zuhause nicht getrennt betrachten könne, denn "Kleidung ist ein ins Schaufenster gestelltes Zuhause".
Immer wieder überraschend sind die Einsichten, die Emanuele Coccia auf einen scheinbar allzu vertrauten Ort wirft, wobei sein etwas manierierter Stil zuweilen die Lektüre mühsam macht.
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