"Ich glaube, dass Romy nicht gut allein sein konnte"
"3 Tage in Quiberon" zeigt die besonderen Umstände von Romy Schneiders letztem großen Interview. Sie wolle mit ihrem Film vor allem "wahrhaftig" sein, sagt die Regisseurin Emily Atef – und die Schauspielerin in ihrer damaligen Verzweiflung weder beschönigen noch diffamieren.
Patrick Wellinski: Im kleinen französischen Kurort Quiberon verbringt 1981 Romy Schneider ein paar Tage, um auszunüchtern. Sie steht kurz vor den Dreharbeiten zu einem neuen Film, doch alleine zu bleiben, das kommt für den Weltstar, der sich gerade in einer sehr harten depressiven Phase befindet, nicht infrage. Und so lädt sich Romy drei Menschen ein, darunter auch den jungen "Stern"-Fotografen Michael Jürgs.
((Einspieler O-Töne))
Es wird das letzte große Interview von Romy Schneider vor ihrem Tod. Die Regisseurin Emily Atef hat diese Schicksalstage in ihrem Film "3 Tage in Quiberon" festgehalten, mit Marie Bäumer in der Hauptrolle. Ganze zehn Nominierungen für den Deutschen Filmpreis hat der Film erhalten und kommt nächsten Donnerstag in unsere Kinos. Ich konnte vor der Sendung mit Emily Atef sprechen. Herzlich willkommen, Emily Atef!
Emily Atef: Vielen Dank!
Wellinski: In welcher Rolle haben eigentlich Sie, Emily Atef, Romy Schneider zum ersten Mal wahrgenommen? War es als Jungkaiserin Sissy, so wie bei allen von uns?
Atef: Ah, nee. Ich muss gestehen, ich hab Sissy vor ein paar Monaten gesehen.
Wellinski: Zum ersten Mal?
Atef: Ja.
Wellinski: Und, wie war der Eindruck?
Atef: Kann ich das überhaupt sagen?
Wellinski: Das ist total neu.
"Man fühlte alles mit ihr"
Atef: Das hat mich nie interessiert. Ich bin in Berlin geboren, bis sieben, und da durften wir nicht viel Fernsehen gucken, und dann sind wir nach Amerika gezogen, dann nach Frankreich, und ich hab eigentlich Romy Schneider mit den französischen Filmen, ihren erwachsenen Filmen kennengelernt.
Und Sissy ist mir nur viel, viel später hier ein Begriff geworden, und dann hatte ich nie Lust, die zu sehen, weil ich einfach so Kostümfilme der 50er, das ist nicht so mein Ding. Ich hab mich gezwungen, wirklich, dachte, du musst, es geht nicht, du musst die sehen, du musst. Und es war überraschend, besser als ich dachte, weil sie so gut ist. Die hat mich schon extrem überrascht, und ich hab nachvollziehen können, warum die Deutschen, Österreicher, der ganze deutschsprachige Raum so unendlich berührt war von diesem Mädchen.
Man fühlte alles mit ihr. In der Trauer war sie wirklich in der Trauer und aufgeregt war sie aufgeregt, und das hat mich fasziniert.
Wellinski: Dieser Erfolg von Sissy wurde für Romy ja auch zum Fluch, und in gewisser Hinsicht, um diesen Fluch geht es auch in "3 Tage in Quiberon", in Ihrem Film. Es ist ja eine sehr prägende Phase für Romy Schneider: Sie möchte weg vom Image, sie möchte sich in gewisser Weise neu erfinden. Warum haben Sie gerade diese drei Tage in Quiberon für einen Spielfilm jetzt gewählt?
Atef: Erstens finde ich, ein Leben in 90 Minuten zu erzählen, unmöglich. Ich kann damit nichts anfangen. Ich liebe, Biografien zu lesen, 400 Seiten, 500, während 90 Minuten, da ratter, ratter, jede zehn Minuten sind noch mal fünf Jahre, und es sind oft vier Schauspieler, die das spielen. Ich kann das nicht.
Das Projekt ist zu mir gekommen, mein französischer Produzent hatte die Idee, weil er befreundet war mit Marie Bäumer. Dann kam es zu mir, weil die merkten, es kann kein französischer Film sein, Romy Schneiders letztes deutsches Interview, auf Deutsch, mit deutschen Protagonisten, das hat mich erst mal gereizt. Als er gesagt hat, es ist ein paar – er wusste nicht, wie viel Tage, das war eine Recherche, ist ein paar Tage, ist das letzte Interview mit dem "Stern". Und dann sah ich die Bilder von Robert Lebeck – ich hab gegoogelt, ganz einfach, Romy Schneider Quiberon, weil ich hatte nie davon gehört, dass sie da war.
Und dann sah ich diese Bilder, die so unendlich bewegend sind und roh und ungeschminkt sitzt sie da, lacht sie, weint sie, isst sie, trinkt sie, tanzt sie. Man hatte den Eindruck – und das war die Kraft auch von Robert Lebeck –, dass man dabei ist. Man sah eine Frau, die gebrochen war, was vielleicht auch ihr Untergang war, dass sie sich auch nicht schützen konnte, dass sie alles zeigte.
Wellinski: Sie zeigen aber interessanterweise auch eine fast schon selbstzerstörerische Romy Schneider. Sie bekommt ja an diesen drei Tagen Besuch von drei Menschen: Hilde, ihre Sandkastenfreundin, Robert Lebeck, ihr Fotograf und auch irgendwie Freund, und dann Michael Jürgs, der das Interview machen möchte. Sie lädt die ja letztendlich irgendwie alle auch zu sich sein, sie soll sich aber abschotten, auf eine neue Rolle vorbereiten. Ist Romy Schneider in diesem Zeitpunkt in ihrem Leben auch irgendwie nicht nur depressiv und alkoholsüchtig und auch tablettensüchtig, hat sie was Selbstzerstörerisches? Ist auch dieses Einladen dieser drei Menschen so was Selbstzerstörerisches?
"Sie war selbstzerstörerisch seit einer langen Zeit"
Atef: Ja, ich behaupte, sie war selbstzerstörerisch seit einer langen Zeit. Das war jetzt ein Jahr, bevor sie gestorben ist, aber sie hatte Probleme mit Alkohol, mit Sucht seit vielen Jahren, und die Freundin, die fiktiv ist – also da war eine echte Freundin, die hab' ich auch getroffen, aber die wollte nichts damit zu tun haben, das war ihr alles zu emotional, was ich auch verstehen kann. Und zu meinem Riesenglück hat sie mir erlaubt, eine fiktive Freundin zu kreieren, weil mir war das so wichtig, genau deshalb.
Diese Freundin war da als Einzige, die hatte nichts mit der Presse, mit Schauspielerei, mit dem Showbizz zu tun, eine Sandkastenfreundin, die bodenständig ist und die nur da ist eigentlich, um schöne Tage mit ihrer Freundin zu verbringen, und dann kommen auf einmal diese Journalisten.
Ich glaube, dass Romy nicht gut allein sein konnte. Ich hatte Lebeck auch gefragt – der hat ja mehrmals in seinem Leben die Nacht mit ihr verbracht, immer betont, dass es nie sehr weit gegangen ist, es war eigentlich, weil sie nicht alleine sein wollte. Es ist nicht der Gegenüber, der wichtig ist, es ist nur, dass da ein Gegenüber da ist.
Wellinski: Das ist ja im Prinzip ein Zeichen der Schwäche, und dennoch hat man das Gefühl, so wie sie zum Beispiel mit Michael Jürgs umgeht, aber auch manchmal mit Hilde und dann mit Robert, alle tanzen nach ihrer Pfeife letztendlich. Da ist sie ja doch noch die Diva.
Atef: Wir gehen sehr weit, und man kann es auch im echten Interview von Michael Jürgs lesen, einfach die Sachen, die sie sagt: Ich bin kaputt, ich bin 42 und unglücklich, mein Leben hätte viel besser sein können, also die Sachen, die sie von sich gibt. Man sieht wirklich eine Verzweiflung, aber sie ist für mich nicht ein Opfer. Sie war sehr stark, und sie weiß von ihrer Kraft, Leute zu berühren. Sie hat alle berührt, sagte auch Hilde einmal, alle sind von Romy Schneider berührt, und sie benutzt das.
Wellinski: Sie haben ja schon erwähnt, Marie Bäumer spielt Romy Schneider, einige würden sagen, sie ist auf gewisse Art und Weise Romy Schneider. Das Aussehen ist wirklich frappierend, Sie zeigen auch noch häufig das Profil, wo die Ähnlichkeit ja fast schon zu hundert Prozent dagewesen ist. Wie schwer war es aber, jemanden, der so ähnlich wie Romy Schneider aussieht, auch so zu inszenieren?
"Eine ganz klare Entscheidung war, keine Imitation zu machen"
Atef: Komischerweise, wenn Sie das sagen, mit dem Profil, das ist nie eine bewusste Entscheidung. Die bewegt sich ja nonstop oder unsere Kamera bewegt sich, aber eine ganz klare Entscheidung war, keine Imitation zu machen. Es bleibt Marie Bäumer, die eine Rolle spielt, und die ist Romy Schneider.
Marie Bäumer hatte eine tiefe, tiefe Angst, diese Rolle zu spielen. Ich fing an, auch ein bisschen Angst zu kriegen, dass sie irgendwie das dann doch nicht macht. Ich glaube, was auch sehr geholfen hat, ich bin nicht sehr ängstlich als Mensch, ich bin sehr optimistisch, und ich dachte, das wird schon. Und einen Monat, bevor wir angefangen zu drehen, ist sie reingesunken, aber wirklich so was von reingesunken, extrem, extrem, ohne dass ich sie inszeniert habe, sah ich auch nicht Romy Schneider. Ich sah Marie, weil man sieht natürlich das Licht, da ist das Team, und wir haben sehr lange gedreht.
Es ist wirklich ein Schauspielfilm, und als ich dann zum Schnitt kam und mein Schnittmeister hatte quasi so einen ganz, ganz, ganz rohen Schnitt, da habe ich geguckt und da konnte ich es kaum glauben, dass sie manchmal wirklich … Man vergisst, das ist eine Schauspielerin, und man denkt, es ist Romy. Ich glaube, das Schwarz-Weiß hilft auch, aber das ist Wahnsinn, es ist manchmal Wahnsinn.
Wellinski: War das Schwarz-Weiß eigentlich von vornherein gegeben oder ist das … Es ist natürlich klar, durch die Fotografien von Robert Lebeck ist das Schwarz-Weiß irgendwie da, aber bevor man sich überzeugt, dass man einen Film in Schwarz-Weiß macht, was ja heute immer noch ein Statement ist im Jahr 2018. Wie haben Sie daran gearbeitet?
Atef: Sobald man Schwarz-Weiß hat, kommt enormer Widerstand. Niemand außer die Schauspieler und der Kameramann und ja, die Mitarbeiter freuen sich, aber alle, die mit Finanzen zu tun haben, freuen sich überhaupt nicht, weil die denken, schwarz-weiß, das lockt die Leute nichts ins Kino.
Robert Lebeck und seine Witwe, die haben mir – da waren so 20 Bilder im Internet und in seinen Büchern –, die haben mir alle Rollen gegeben. Ich hatte 580 Bilder von diesen drei Tagen. Als ich angefangen habe, die ersten Zeilen zu schreiben, sah ich nur Bilder, sah ich nur Schwarz-Weiß. Ich sah meine Figuren, auch Hilde, die fiktiv ist, in Schwarz-Weiß. Und ich hatte auch den Eindruck, dass es uns hilft, zur Fiktion zu kommen.
Wellinski: Vielleicht ist meine Frage jetzt etwas naiv, aber wenn man sich so intensiv damit beschäftigt, mit einem Menschen, mit einem Ausschnitt aus der Filmgeschichte letztendlich auch, und ich fand es gerade spannend, wenn Sie gesagt haben, dass Sie in die Fiktion wollten, quasi über die Realität und die Filmgeschichte in die Fiktion, klopft da dennoch nicht so ein bisschen der Gedanke ab und zu mit der Frage, was würde Romy zu diesem Film sagen?
"Ich wollte einfach wahrhaftig sein"
Atef: Manchmal hatte ich das, aber ich wollte wahrhaftig sein. Ich wollte sie weder zu sehr schützen oder verschönern oder sie diffamieren, sie am Boden in ihrer Kotze oder ich weiß nicht, oder hysterisch – anscheinend hatte sie Momente, wo sie sehr hysterisch sein konnte –, ich wollte einfach wahrhaftig sein damit, was ich gedacht habe, was da passiert ist. Und natürlich, ich bin kein öffentlicher Star, aber es sind viele Sachen in diesem Film, die ich nachvollziehen kann.
Wellinski: "3 Tage in Quiberon" kommt nächste Woche in die Kinos und ist mittlerweile auch für zehn Filmpreise nominiert. Ende des Monats wissen wir dann, ob Sie vielleicht sogar die Goldene Lola bekommen haben. Emily Atef, bis dahin noch viel Erfolg und viel Glück, vielen Dank für den Besuch!
Atef: Danke, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.