Embryonen im Gen-Test

Von Michael Lange |
Die in Deutschland verbotene Prä-Implantations-Diagnostik ist in vielen europäischen Ländern Routine. Werdende Eltern können dort zum Beispiel eine spezielle Labortechnik nutzen, um sicher zu sein, dass ihr Kind nicht mit einer Erbkrankheit auf die Welt kommt. Allerdings ist der Test nur möglich, wenn die Befruchtung im Reagenzglas stattfindet.
Die in Deutschland verbotene Prä-Implantations-Diagnostik ist in vielen europäischen Ländern Routine. In Großbritannien und in den Benelux-Ländern nutzen über hundert Paare pro Jahr diese Labor-Technik. Sie wollen sicher sein, dass ihr Kind nicht mit einer bestimmten Erbkrankheit auf die Welt kommt.

Die Prä-Implantations-Diagnostik ist nur möglich, wenn die Befruchtung nicht auf natürlichem Wege stattfindet, sondern im Reagenzglas, in vitro. Die britischen Ärzte empfehlen die Prä-Implantations-Diagnostik dann, wenn in einer Familie bei einem zuvor geborenen Kind eine schwere Erbkrankheit wie Mukoviszidose aufgetreten ist.

Das bedeutet: Die Mediziner befruchten Eizellen der Mutter im Reagenzglas mit Spermien des Vaters. Sobald sich ein Embryo mit mehreren Zellen entwickelt hat, entnehmen sie eine Zelle für einen Gentest. In der Zelle suchen sie gezielt nach der Genveränderung, die das ältere Geschwisterchen krank gemacht hat. Werden sie fündig, wird der Embryo aussortiert. Das geht so lange, bis sie einen Embryo finden ohne das krankmachende Gen. Dieser Embryo wird dann eingepflanzt, und die Schwangerschaft kann beginnen.

Mehrere Gentests sind mit diesem Verfahren nicht möglich. Da für Krankheiten wie Mukoviszidose mehrere genetische Ursachen in Frage kommen, kann das zu Fehlschlüssen führen. Deshalb wollen in Zukunft viele Reproduktionsmediziner ein neues Verfahren einsetzen. Es wurde jetzt von einer Klinik in London erfolgreich getestet.

Das Prinzip ist ähnlich wie bei der seit zehn Jahren bekannten Prä-Implantations-Diagnostik: Aus einem wenige Zellen großen Embryo wird eine Zelle entnommen. Vor dem Gentest jedoch wird das Erbmaterial dieser Zelle vervielfacht. Tausende oder auch Millionen Kopien des Erbmaterials lassen sich relativ einfach im Reagenzglas herstellen. Alle diese Kopien sind absolut identisch.

Die Kopien stehen nun für genetische Tests zur Verfügung. Der folgende Schnelltest sei ähnlich einfach wie der genetische Fingerabdruck, versprechen die Entwickler. Beim Embryonen-Test muss nicht mehr gezielt nach einem bestimmten Risiko-Gen gesucht werden. So lässt sich beispielsweise nach mehreren möglichen Mukoviszidose-Genen gleichzeitig suchen.

Der neue Test macht es außerdem möglich, in einem Untersuchungsschritt den Embryo auf verschiedene Erbkrankheiten zu testen. Zum Beispiel: Mukoviszidose; Duchenne-Muskel-Dystrophie und offener Rücken. Ein solcher Mehrfach-Check für Embryonen wurde bislang noch nicht durchgeführt. Aber viele Reproduktions-Kliniken in ganz Europa haben bereits Interesse angemeldet.

Die britischen Ärzte warnen bereits vor übertriebenen Erwartungen. Auch ein genetischer Rundum-Test für Embryonen kann Erbkrankheiten nicht absolut ausschließen. Aber der neue Test könnte zusätzliche Sicherheit vor Erbkrankheiten bieten. Das wiederum könnte den "Befruchtungs-Tourismus" innerhalb Europas weiter anheizen. Denn zusätzliche Sicherheit ist manchen Eltern viel Geld wert.

Sie können das Gespräch zum Thema mit Prof. Claudia Wiesemann, Medizinethikerin an der Universität Göttingen, für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. Sie ist Autorin des Buches "Von der Verantwortung, ein Kind zu bekommen".
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