Elyas: Staat darf nicht das Gewissen prüfen

Moderation: Susanne Führer und Dorothea Jung · 07.01.2006
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, hat kritisiert, dass muslimische Einbürgerungsbewerber in Baden-Württemberg seit Anfang des Jahres einen Gesinnungstest absolvieren müssen. Er kündigte eine Klage gegen den Fragebogen an.
Deutschlandradio Kultur: Herr Elyas, lassen Sie uns zu Beginn das Vorurteil erfüllen, dass Journalisten den Muslimen gerne Dogmatismus und Intoleranz unterstellen, und gestatten Sie uns die Frage, wie Sie zu Kritik an einer Religion stehen. Halten Sie diese für zulässig?

Elyas: Kritik ist zulässig, es kommt darauf an, wie sie formuliert wird, ob die Kritik auf der Ebene des gegenseitigen Respekts erfolgt oder ob damit Beschimpfung und Unterstellung gemeint sind.

Deutschlandradio Kultur: Setzen Sie sich auch mit Kritik an der Religion auseinander?

Elyas: Natürlich, und es gibt etliche Bücher in der islamischen Literatur, die sich mit Kritik am Islam befassen. Sogar der Koran selbst übt Selbstkritik und beantwortet diese. Also, Kritik ist legitim, wir setzen uns damit auseinander und profitieren auch davon.

Deutschlandradio Kultur: Halten Sie es für einen Fortschritt, dass Männer und Frauen in Deutschland kraft Gesetzes gleichberechtigt sind?

Elyas: Das ist sehr vorteilhaft, und wir sehen auch die Ergebnisse in der Gesellschaft. Und wir erkennen auch im Islam eine gewisse Zielsetzung; leider wurde es in der heutigen islamischen Gesellschaft versäumt, dies zu handhaben.

Deutschlandradio Kultur: Im Islam ist ja nicht so sehr von Gleichberechtigung die Rede, sondern mehr von einer Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Wir wissen, Herr Elyas, dass Ihr Sohn mit einer Christin verheiratet ist. Was würden Sie tun, wenn Ihre Tochter einen Mann anderen Glaubens heiraten möchte?

Elyas: Sollte sie auf diese Idee kommen und diesen Wunsch haben, dann werden wir nichts mehr daran ändern können. Wir fangen bei der Erziehung an, und wenn wir das versäumt haben, dann kann man das durch Gewalt oder durch Ausgrenzung nicht mehr gut machen.

Deutschlandradio Kultur: Die letzten Fragen waren ausnahmsweise nicht von uns, sie stammen aus einem Gesprächsleitfaden für die Einbürgerungsbehörden in Baden-Württemberg. Denn seit Jahresbeginn werden Muslime in Baden-Württemberg, die deutsche Staatsbürger werden wollen, genauer überprüft. Nämlich, ob ihr Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung bei der Einbürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren Einstellung entspricht. Dagegen kann man doch eigentlich nichts haben, oder?

Elyas: Mit Sicherheit kann man etwas dagegen haben. Der Staat muss sicher sein, dass seine Bürger, und auch die Ausländer, die hier leben und wohnen, sich im Gefüge des Grundgesetzes verhalten und die Gesetze beachten, aber zu einer Gewissensprüfung, einer Überprüfung der inneren Einstellung, ist der Staat nicht berechtigt. Und gerade dieser Fragekatalog zeigt uns, mit wie viel Misstrauen den Muslimen begegnet wird. Wir haben immer befürchtet …

Deutschlandradio Kultur: Wieso ist der Staat dazu nicht berechtigt? Wenn man deutscher Staatsbürger werden will, muss man sich zur demokratischen Grundordnung bekennen. Da geht es ja um eine innere Einstellung.

Elyas: Nein, nach den geltenden Vorschriften, die überall in den anderen Bundesländern angewandt werden, wird festgestellt, ob man Kenntnisse über das Grundgesetz hat und ob man das Grundgesetz bejaht und akzeptiert.

Deutschlandradio Kultur: Eben.

Elyas: Aber hier geht es einen Schritt weiter, und zwar wird hier die innere Einstellung dazu hinterfragt. Genauso könnte man auch jeden Deutschen jede Deutschen fragen, wie er oder sie dazu steht. Es sind auch Fragen darin, die überhaupt nichts mit Verfassungskonformität oder Verfassungsfeindlichkeit zu tun haben, zum Beispiel wie man zur Homosexualität steht. Es ist das Recht eines jeden, eine Meinung dazu zu haben. Aber ob man dann das geltende Gesetz beachtet und respektiert, das ist eine andere Sache. Und zum Gesetz sagen die Muslime Ja, auch wenn sie selber vielleicht eine andere Einstellung zur Homosexualität haben.

Deutschlandradio Kultur: Laut Untersuchungen des Zentralinstituts Islam-Archiv Deutschland sind 21 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime der Auffassung, dass das Grundgesetz gar nicht mit dem Koran übereinstimmen kann.

Elyas: Es kommt darauf an, wie man die Fragen stellt. Und nicht jede Statistik kann für sich den Anspruch erheben, wissenschaftlich und relevant zu sein. Fragt man allgemein, dann bekommt eine allgemeine Antwort, die man missbrauchen kann. Fragt man z. B., ob die Bibel nicht im Widerspruch zum Grundgesetzt steht, so würde die Antwort Nein heißen, auch wenn der Einzelne dann sagt, trotzdem ist für mich das Grundgesetz maßgebend. So ist es auch mit dem Koran. Wenn man nach staatsrelevanten Inhalten im Koran fragt, so ist es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Aber der Koran selbst und der Islam selbst verpflichten zum Respekt des Grundgesetzes und jeder Staatsordnung, in der man lebt.

Deutschlandradio Kultur: Nun haben ja verschiedene muslimische Verbände, unter anderem auch Ihr Zentralrat, gegen diese Sonderbefragung in Baden-Württemberg protestiert. Ansonsten ist aus der nicht-muslimischen deutschen Öffentlichkeit aber sehr wenig zu hören gewesen. Wie erklären Sie sich das?

Elyas: Nein, da ist sehr viel zu hören. Von der Opposition in Baden-Württemberg ist sehr viel zu hören, auch von den Ausländerbeauftragten überall. Und von den türkischen Verbänden, von anderen Parteien gibt es sehr großen Widerstand. Es muss geklärt werden, ob dies verfassungskonform ist und ob dies integrationsfördernd ist.

Deutschlandradio Kultur: Werden Sie klagen?

Elyas: Ja. Wir meinen, beides ist nicht gegeben mit diesem Fragenkatalog, und wir werden klagen.

Deutschlandradio Kultur: Herr Elyas, seit über zehn Jahren sind Sie Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ihre Amtszeit endet in wenigen Tagen. Sie wollen nicht mehr kandidieren, hört man. Warum sind Sie amtsmüde?

Elyas: Ich bin nicht amtsmüde, ich bin der Überzeugung, dass ein Amt und eine Institution wie der Zentralrat oder, sagen wir, die islamische Szene sich nicht an einzelnen Personen festmachen darf. Es sollte auch ein Generationswechsel stattfinden, es sollten neue Leute drankommen, so dass die Errungenschaften des Zentralrats, seine Linie, seine Politik, nicht an einer Person festgemacht wird, sondern an der Institution selbst.

Deutschlandradio Kultur: Hat es nichts damit zu tun, dass die Kritik sich gehäuft hat? Z. B. wird ja moniert, dass der Zentralrat immer kleiner geworden ist, dass er inzwischen höchstens, allerhöchstens zehn Prozent der drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime vertritt. Es gibt auch andere Stimmen, dass die Kritik an Ihnen von Seiten der nicht-muslimischen Öffentlichkeit stärker geworden ist, wie auch innerhalb des Zentralrats selbst.

Elyas: Ich habe mein ganzes Leben mit Kritik gelebt, also das ist nichts Neues für mich. All diese Behauptungen und Unterstellungen, manche gingen ja schon in den Bereich Unterstellungen, haben sich nicht bewahrheitet. Wir haben gemerkt, trotz all dieser Vorwürfe oder Unterstellungen, dass der Zentralrat an Ansehen und Vertrauen gewonnen hat. Nehmen Sie zum Beispiel die Größe des Zentralrats: Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie man versucht, manche Organisationen zu relativieren, zu demontieren. Man spricht nicht von Gemeindemitgliedern, sondern von Mitgliedsorganisationen.

Deutschlandradio Kultur: Das sind 19, aber wie viele Gemeindemitglieder vertreten Sie?

Elyas: Die kann keine Organisation angeben, weil die Muslime keine Mitgliedschaft in Gemeinden kennen. Aber man ignoriert, dass wir 400 Moschee-Gemeinden haben mit Hunderten und Tausenden von Mitgliedern.

Deutschlandradio Kultur: Kommen wir mal zu dem, was Sie sich vorgenommen haben als Zentralrat. In der Selbstdarstellung des Zentralrates heißt es "Der Zentralrat der Muslime leistet Aufklärungsarbeit über den Islam und die Muslime in der Öffentlichkeit – aber auch im Innenverhältnis gegenüber den Mitgliedern über die deutsche Gesellschaft." Sie müssen nach innen und nach außen agieren und befinden sich quasi zwischen zwei Stühlen. Haben Sie sich da immer wohl gefühlt?

Es ist eine Herausforderung gewesen und das wird auch so bleiben für die neuen Vorstandsmitglieder und den neuen Vorsitzenden. Das ist aber eine Sache, die unabdingbar ist. Wir müssen uns hier artikulieren in dieser Gesellschaft, auch einiges an Verteidigungskampagne für den Islam durchstehen. Wir müssen aber auch Aufklärung innerhalb der islamischen Gemeinden leisten, was das Grundgesetz bedeutet, was die Sicherheitsbehörden für uns bedeuten usw.

Deutschlandradio Kultur: Kann man es salopp so zusammenfassen, dass Sie der nicht-muslimischen deutschen Öffentlichkeit zu muslimisch sind und den Mitgliedern des Zentralrates zu westlich, zu säkular? Was Sie bei den einen an Punkten gewinnen, verlieren Sie immer umgehend bei den anderen?

Ich meine, da gewinne ich an beiden Fronten gleichzeitig. Wenn die Öffentlichkeit der Meinung ist, ich sei zu islamisch, dann ist das für mich ein Lob und kein Verlust. Wenn auf der anderen Seite die Muslime meinen, ich sei zu westlich, dann heißt das, ich bin hier integriert und kenne die westliche Gesellschaft, so ist das für mich keine Beleidigung. Wir müssen beide Teile davon überzeugen, dass beides im eigenen Interesse liegt.

Deutschlandradio Kultur: Aber man kann ja nicht so tun, als hätte es keine Konflikte gegeben. Im Zentralrat sitzt mit der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) eine Organisation, die der Verfassungsschutz als "mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der islamistischen Muslimbruderschaft" bezeichnet. Die IGD wird außerdem als extremistisch eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet. Außerdem haben Sie sich ganz explizit gegen die antisemitische und israelfeindliche so genannte Quds-Demonstration in Berlin ausgesprochen, jedenfalls habe ich das den Medien entnommen. Organisiert wird diese Demonstration aber vom Islamischen Zentrum Hamburg, einer Mitgliedsorganisation im Zentralrat. Wie passt das alles zusammen?

Die Definitionsproblematik, was für den Verfassungsschutz als islamistisch gilt oder als extremistisch, das ist ein Thema, das wir uns vorgenommen haben für das Spitzengespräch mit den Sicherheitsorganen. Um klarzustellen, was die Behörden sich darunter vorstellen und ob dies auch zutrifft. Die IGD ist alles andere als terroristisch oder Gewalt verherrlichend.

Deutschlandradio Kultur: Aber extremistisch.

Auch nicht extremistisch im Sinne von Gewalt verherrlichend. Und sie hat sich zum Grundgesetz bekannt und agiert hier seit Jahren, ohne dass irgendein Vorfall gemeldet wurde, der der IGD vorzuwerfen wäre.

Deutschlandradio Kultur: D. h. die Beobachtung durch den deutschen Verfassungsschutz halten Sie für falsch?

Der Verfassungsschutz kann beobachten, wen er für angebracht hält. Aber allein die Tatsache, dass jemand beobachtet wird, darf nicht dazu führen, dass die Person oder Institution von vornherein vorverurteilt wird.

Deutschlandradio Kultur: Darf ich zusammenfassen, dass Sie diese Konflikte im Inneren gar nicht sehen?

Es gibt einzelne Personen, mit denen wir Schwierigkeiten haben. Wir suchen den innerislamischen Dialog. Ich selber war in sehr vielen Moscheen und habe dort zum Beispiel die islamische Charta vorgestellt, auch mit den provozierenden Inhalten in Bezug auf Verfassung, Grundgesetz, Religionswechsel usw. Wir suchen also das Gespräch und finden nur einzelne Personen, die tatsächlich als Gewalt verherrlichend oder Gewalt anwendend zu bezeichnen wären.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben sie gerade erwähnt, die so genannte islamische Charta, die hat der Zentralrat der Muslime in Deutschland erarbeitet, quasi als Antwort auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Das ist ein Dokument, Sie haben es gerade angedeutet, in dem ein Bekenntnis zum Grundgesetz, zum Rechtsstaat und auch zur Religionsfreiheit abgelegt wird; zweifelsohne ein wichtiger Baustein zum interkulturellen Dialog. Trotzdem gab es von der nicht-muslimischen Öffentlichkeit -von der muslimischen auch, dazu vielleicht später noch - nicht nur Beifall, weil man gemeint hat, dass der Grundkonflikt, nämlich, dass der Islam keine Trennung von Staat und Religion kennt, durch die Charta nicht ausgeräumt wurde.

Wir haben das ausgeräumt für uns hier in Deutschland und manche, die immer um jeden Preis die Probleme beibehalten wollen, die sehen nur diesen Aspekt. Sie ignorieren, dass wir für uns in Deutschland, für die Muslime in Deutschland und für den Zentralrat in Deutschland dies ausgeräumt haben. Wir haben gesagt, für uns gilt das Grundgesetz, und wir können das mit unserer islamischen Überzeugung ohne weiteres vereinbaren. Und alles andere, was staatsrelevant ist, hat für uns keine Relevanz, weil der Islam uns nicht dazu verpflichtet. Wir können aber nicht für den Islam, für alle Muslime in der Welt sprechen, das ist nicht unsere Aufgabe.

Deutschlandradio Kultur: Darf ich da doch mal ins Detail gehen. In These 10 dieser Charta heißt es z. B.: "Das islamische Recht verpflichtet Muslime in der Diaspora, sich grundsätzlich an die lokale Rechtsprechung zu halten." Das gibt Ihnen scheinbar recht. Aber, warum nur "grundsätzlich"? Was ist ausnahmsweise? Und was ist, wenn die Muslime nicht mehr in der Diaspora leben, sondern tatsächlich hier die Mehrheit hätten, würde dann das Grundgesetz nicht mehr gelten?

Elyas: Für uns in Deutschland haben wir in These 13 klar gesagt, dass wir nicht auf Errichtung eines Gottesstaates aus sind. Wir haben deutlich gesagt, dass wir weder jetzt noch in Zukunft aus Deutschland einen islamischen Staat machen wollen, sondern für uns gilt das Grundgesetz. Was die Formulierungen angeht, so müssen Sie bedenken, dass wir auch die Muslime damit ansprechen, wir versuchen, die islamische Argumentation auch für die Muslime bereit zu stellen, damit auch sie diese Haltung unterstützen und für sich akzeptieren. Und da sehen manche vielleicht in manchen Formulierungen Probleme, aber wir haben eine feste Grundlage angeboten, auf der das Zusammenleben in Deutschland stattfinden kann.

Deutschlandradio Kultur: Aber ist es nicht doch so, dass die grundlegende These heißt: Eigentlich ist es richtig, der Islam trennt nicht zwischen Staat und Religion, aber da wir nun gerade zu diesem Zeitpunkt uns in diesem Land in der Diaspora befinden, müssen wir die lokale Rechtsordnung anerkennen. Aber das ist sozusagen nur eine Ausnahme, eigentlich gilt es nicht? Das Misstrauen und die Skepsis kommen ja auch durch die innerislamische Kritik, auch von Mitgliedern des Zentralrats selbst. Zum Beispiel hat Ahmad von Denffer geschrieben, dass man in Deutschland zwar in einer säkularen Demokratie lebe, aber das müsse für die Muslime ein Ansporn sein, diese Gesellschaft in eine islamgemäße umzuwandeln.

Elyas: Also, wenn Ahmad von Denffer dieser Meinung ist, dann soll er daran arbeiten, dann soll er die Verantwortung dafür tragen, aber wir als Zentralrat haben uns anders entschieden. Und Ahmad von Denffer hat keine Bedeutung, keine Stimme in der Vertreterversammlung, im Gegenteil. Jeder Mensch hat das Recht, seine Meinung zu äußern. Dass andere Meinungen vorhanden sind schmälert auf keinen Fall die Bedeutung der islamischen Charta, die einstimmig von den Mitgliedern des Zentralrats verabschiedet wurde.

Deutschlandradio Kultur: Herr Elyas, Sie haben These 13 gerade eben erwähnt. Ich zitiere mal den Anfang: "Zwischen den im Koran verankerten, von Gott gewährten Individualrechten und dem Kernbestand der westlichen Menschenrechtserklärung besteht kein Widerspruch." Diese Formulierung ist für uns in mehrerer Hinsicht merkwürdig: Warum sprechen Sie nur vom "Kernbestand" der Menschenrechtserklärung? Und warum sprechen Sie von der "westlichen" Menschenrechtserklärung? Die wurde ja bekanntlich 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet?

Elyas: Für uns ist maßgebend, dass wir die Menschenrechtserklärung voll und ganz akzeptieren. Und wenn wir sagen, wir bejahen das Grundgesetz, so ist das auch eine Bejahung der Allgemeinen Menschenrechtserklärung. Aber wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass in der islamischen Welt eine allgemeine Akzeptanz so wie bei uns vorhanden ist, sondern …

Deutschlandradio Kultur: … "bei uns" heißt?

Elyas: ... bei uns in Deutschland. Sondern, dass bei manchen Rechtsschulen oder Staaten auch Diskussionsbedarf vorliegt in Bezug auf bestimmte Formulierungen der Allgemeinen Menschenrechtserklärung, die nicht den Kern der Menschenrechtserklärung betreffen, sondern nur Formulierungen, Und dies wollten wir nicht einfach ignorieren. Aber was für uns maßgebend ist, ist, dass wir die Menschenrechtserklärung hier voll und ganz akzeptieren. Und warum "westlich"? Für uns bedeutet westlich, dass die Formulierung einen westlichen Ursprung hat, und nicht eine Relativierung für den Geltungsbereich der Erklärung oder eine Beschimpfung oder eine Verminderung ihrer Werte, sondern dass sie westlichen Ursprungs ist. Wir sagen auch, dass die Prinzipien dieser Erklärung auch im Koran wieder zu finden sind, aber die Formulierung ist westlich, und wenn sie von der ganzen Welt angenommen wurde, dann hat sie natürlich ihren allgemeinen Charakter.


Nadeem Elyas wurde am 1. Sept. 1945 in Mekka, Saudi-Arabien, geboren. 1964 ging er nach Frankfurt/Main, studierte Medizin (Abschluss als Facharzt in Frauenheilkunde) und Islamwissenschaften. E. engagierte sich bereits als Student religiös und war Generalsekretär der "Union Muslimischer Studenten Organisation in Europa". Nach dem Studium ließ E. sich in Eschweiler bei Aachen als Gynäkologe nieder. 1994 wurde er zum Vorsitzenden des "Zentralrats der Muslime in Deutschland" gewählt. 1999 erhielten E. und Ignatz Bubis den alternativen Friedenspreis; Bubis posthum. E. ist seit 1969 mit Muna Taliba verheiratet, sie haben drei Söhne und eine Tochter.
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