Elvis lebt

Von Isabella Kolar · 12.08.2007
Fast eineinhalb Jahre hat Elvis Presley in Deutschland seinen Militärdienst geleistet, genauer in Hessen. Noch heute erinnern sich die Menschen hier gut an den bei seiner Ankunft 23-jährigen sympathischen jungen Mann. In der Reportage berichten die Freunde von Elvis vom Leben mit Elvis, damals, vor fast fünfzig Jahren in Bad Nauheim.
Der Elvis-Fan Ilge: "Wenn Elvis statt einem Konzert aus der Bibel vorgelesen hätte oder aus dem Telefonbuch, dann wären die Leute nach der Veranstaltung genauso begeistert nach Hause gegangen wie wenn er gesungen hätte."

Der Elvis-Friseur Stein: "Ja, an und für sich ein pflegeleichter Mann. Ohne Starallüren, ohne dass er sich so hervorgetan hat, ein ganz stinknormaler Mensch. Sehr höflich, sehr zuvorkommend, ein traumhafter Mann, wenn ich so zurückblicke. Schade, dass er so früh gehen musste."

Karl-Heinz Stein steht gestützt auf einen schwarzen Stock in der rechten Hand am Eingang der Ray Barracks, der US-Kasernen, am Rand von Friedberg, vier Kilometer entfernt von Bad Nauheim. Betonblöcke begrenzen die Zufahrt, Sandsäcke liegen auf einem Haufen, auf den Blaumännern der Wachleute steht mit gelben Buchstaben "Security". Stein, der stattliche Mann in olivgrüner Trachtenjacke fixiert die Fahrer der hinein fahrenden Autos, den ein oder anderen kennt er noch. 37 Jahre arbeitet er in der US-Armee, im Barbour Shop, im Friseursalon, und er ist der Leiblingsfriseur von Elvis Presley, der amerikanischen Rock´n Roll Legende.

Siebzehn Monate lang, vom 1. Oktober 1958 bis zum 2. März 1960 leistet Elvis hier seinen Militärdienst als Kurierfahrer ab. Und zwei Mal die Woche sitzt der damals 23Jährige beim gleichaltrigen Stein. Mit ziemlich genauen Vorstellungen:

"Ich habe ihn gefragt, wie ich's ihm schneiden darf. Dann hat er gesagt, an den Seiten nicht zu viel, an den Ohren nicht zu viel und am seitlichen Anschnitt auch nichts und dann im Nacken ein langer Übergang und nicht zu hoch. Und die Deckhaare oben, die sollten so belassen werden wie er sie hatte, sollten nicht gekürzt werden. Dann von Zeit zu Zeit hat er sie wieder abschneiden lassen, musste er ja, sonst wären sie ihm ja über die Ohren gewachsen."

Die Verständigung funktioniert mit Händen und Füßen und mit dolmetschenden Bekannten, Englisch spricht Stein nicht. Aber Elvis ist zufrieden: als neidische Kollegen den jungen Konkurrenten wegen des guten Trinkgelds in einen anderen Friseursalon auf dem Armeegelände versetzen, sucht und findet Elvis seinen Friseur auch dort.

Rainer Brause vom Area Support Team der Kaserne lädt Karl-Heinz Stein, der leicht hinkt, ein Bandscheibenschaden, zu einer VW-Bus Tour durch die Kaserne ein. Der Friseur mit der akkurat gekämmten ergrauten Elvis-Tolle staunt: es hat sich viel verändert, seit er 1997 seinen Dienst hier quittiert:

Stein: "Ja, Sie können mal bis da runter fahren. Nicht da unten links, sondern dann rechts."

Brause: "Da sind wir auch nicht mehr."

Stein:"Auch nicht mehr? Wo sind Sie denn jetzt?"

Brause: "Hier oben bei den Peags"

Stein: "Ach was."

Brause: "Im Pferdestall."

Stein: "Jaja, da war ja auch der Barbourshop, Friseursalon. Der ist ja heute auch noch da."

Brause: "Nein, auch nicht mehr."

Stein: "Nicht?"

Brause: "Nein!"

Stein: "Wo ist denn der?"

Brause: "Der ist ganz oben."

Vorbei geht die Fahrt an den beige gestrichenen Kasernenhäusern mit dunklen Dächern, viel Grün, hie und da wächst knallroter Klatschmohn. Es ist leer, Holiday Tag, die Kaserne wirkt wie ausgestorben. Ein Teil der Soldaten ist schon weg, zum 31. Oktober werden die Ray Barracks ganz geschlossen und an die Deutschen übergeben. Stein träumt von einem Elvis-Museum auf dem Gelände. Da an einer Ecke der Barbourshop, weiße Buchstaben auf blauem Schild, ein graues Eckgebäude, hier frisiert Stein Elvis zum ersten Mal und ist bis heute stolz, dass er speziell ihn aussucht:

"Da kam mein erster Kollege und war fertig und der zweite und der dritte auch und je nach dem hat jeder gefragt, er könnte doch platznehmen und dann hat er das verneint. Wie ich fertig war, fragte er mich, ob ich ihm die Haare schneiden würde. Und natürlich - ich war ja der jüngste Friseur. Da war ich im Moment ein bisschen, dachte ich, was soll das. Meine Kumpels, die schon mehrere Jahre da waren, hat er abgewiesen und mich als Jüngsten, wo ich erst zwei Wochen dort beschäftigt war, fragt er, ob ich ihm die Haare schneiden will. Ja selbstverständlich, hab ich dann gesagt."

Luftlinie, wenige hundert Meter entfernt, liegt der zweite Friseursalon, in den Karl-Heinz Stein strafversetzt wird, weil Elvis gutes Trinkgeld gibt. Die Fenster sind dunkel, die Türe ist geschlossen, hier wird nicht mehr frisiert:

"Da war das Fenster links, ein Fenster und da Glasbausteine, war ein anderes Fenster, ein zweites, und da war der Barbour Shop drin, wo ich Elvis frisierte. Hier habe ich ihm die Haare geschnitten und hier ist der Capri Club, hier rechts, mit einem Klavier und da ist Elvis in der Mittagszeit, wenn er kam, nach dem Haareschneiden rüber und hat da auf dem Klavier ein bisschen geübt. In der Woche drei bis vier Mal, aber zwei Mal war er bei mir in der Woche. Nicht mehr."

Friedberg, Möllerstraße 5. Eine helle freundliche Wohnung, alles in Weiß, goldene Streifen verzieren die Schränke. Elvis rockt in schwarzem Leder auf einem braunen Kissen auf dem weißen Sessel. Roswitha Klaus kennt Elvis gut. Sie ist damals fünfzehn und schwärmt für ihn, lange bevor sie ihn kennenlernt. Und hat dann das Glück seine heimliche Freundin zu werden, "Das was man damals unter Freundin versteht". Ihre Eltern sind nicht begeistert, weder von der Musik, sagt sie und runzelt die Stirn, noch von Elvis. Sie stehen mehr auf Operette. Die aparte Goldschmiedin sitzt auf dem Sofa, hat die braunen Haare hochgesteckt, die blauen Augen gekonnt geschminkt. Sie wühlt in ihrem Elvis-Memory-Korb, der neben ihr steht:

Klaus: "Hier, des sind alles Elvis Sachen, wo's staubt. Das sind alte Fotos von 1959/1960, Elvis Vater, Programme, Wackelelvis, der ist ganz ausgeleiert."

Auf einem Foto tollen Elvis und Roswitha herum, sie liegt in grau-weiß kariertem Kleid mitten auf einer Wiese, er sitzt auf ihr und hält ihr lachend die Arme hoch. Auf einem anderen liegen sie nebeneinander im Gras. Nie vergisst sie, wie sie ihn das erste Mal sieht. Seine Sekretärin hilft ihr dabei, damals als er in Bad Nauheim im Hotel wohnt:

Klaus: "Dann hat sie mich mit hochgenommen und hat mir die Post gezeigt vom Elvis. Da war so ein Erkerzimmer und das war so hoch voll mit Post. Und da haben wir gerade so geguckt, auf einmal geht die Tür auf und dann stand Elvis in der Tür. Das war das erste Mal, wo ich ihn richtig gesehen habe."

Reporterin: "Und wie war der Eindruck, der erste?"

Klaus: ""Natürlich Herzklopfen."

Roswitha Klaus schaut verlegen auf ihr Elvis-Kissen und streicht eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Sie sitzt da und erzählt, wie sie damals geduldig wartet und solange Autogramme von Elvis sammelt, bis er sie eines Tages hereinwinkt:

"Also er hat gut ausgesehen und hatte einen sehr sinnlichen Mund, Lippen. Also das war das A und O von Elvis. Das war auch irgendwie erotisch, wenn er das immer so hochgezogen hat, ich kann das gar nicht. In einem Mundwinkel, so richtig goldig."

Ihre Wohnung ist voller Erinnerungsstücke. Sie steht auf, zieht ihren blau-weiß quergestreiften Pulli gerade, geht zum Regal, zeigt auf eine Tasse im Wohnzimmerregal mit Elvisporträt. Sie geht rüber ins Schlafzimmer, dort ein gerahmtes Bild auf dem Boden neben dem Bett, auf der Innenseite des weißen Kleiderschrankes zwei Poster, Elvis in goldenem Anzug. Auch fast fünfzig Jahre später bekommen Roswithas Augen diesen Glanz, wenn sie von Elvis spricht. Das Ende der Romanze: sie lernt ihren zukünftigen Mann kennen, geht nicht mehr zu Elvis, verabschiedet sich auch nicht von ihm. "Nicht freundlich", sagt sie heute. Aber ihr Mann hat Mund und Kotletten wie Elvis. Elvis` Auto wird danach in ihrer Wohngegend gesehen, erzählt sie melancholisch, sitzt wieder auf ihrem weißen Wohnzimmersofa. Sucht er sie damals vielleicht? Doch kurz darauf lernt er sowieso Priscilla kennen. Roswitha Klaus erfährt später von seiner Hochzeit aus den Medien, verfolgt auch die Geschichten über Frauen, Tabletten, Alkohol:

"Also ich hab's nicht glauben können, aber dann die letzten Jahre, wenn man ihn im Fernsehen gesehen hat, wie er dann immer dicker geworden ist und manchmal auch nach Luft geschnappt hat. Da habe ich mir auch im Stillen gedacht, ob das alles wahr ist, was so erzählt wird, oder was ,man liest, das ist dann im Hintergedanken: das kann nicht sein, aber es kann doch sein, aber ich kann's nicht so glauben, oder will's nicht glauben, ja."

Ihre eigene Tochter darf sie - der Ehemann ist dagegen - nicht wie die Tochter von Elvis nennen. Dafür heißt ihre Enkelin jetzt Lisa-Marie. "I'm so lonesome tonight" ist das Lieblingslied von Roswitha Klaus, Elvis forever, hier in ihrer kleinen Wohnung im hessischen Friedberg ganz sicher:

"Also in dem Sinn habe ich jetzt gar nicht so nachgedacht, dass er prominent war. Ich war schon verliebt oder habe geschwärmt für Elvis, das ist ganz normal, aber in Gedanken ist er auch immer noch bei mir."

Dorheim, Pferdekoppel, weite Rapsfelder und Wiesen: Der grüne Kanister ist leer, die schwarze Plastikwanne ist voll mit frischem kaltem Wasser und die zehn Miniponys von Karl-Heinz Stein stürzen herbei, durstig. Elvis Leibfriseur wechselt die Kleidung: statt Trachtenjacke ein legeres Jeanshemd mit dazu passender Hose. Arbeitskleidung. Seit vierzig Jahren kommt der 72- jährige Rentner täglich hierher nach Dorheim, drei Kilometer östlich von Friedberg, um seine Tiere zu versorgen, die Ponys, bis vor kurzem auch Schafe.

"Elvis und ich, wir hatte ein gemeinsames Hobby. Elvis hatte ebenfalls Pferde, indem er sich seinerzeit, Anfang der 70er Jahre eine Ranch in den Staaten kaufte und dort seinen Mitstreitern, also Bodyguards und Freunden, jedem ein Pferd zugestand, die dann mit ihm ausgeritten sind. Ich habe auch viel Interesse an Pferden und das ist für mich Urlaub. Das gibt für mich wie für andere zwei oder drei Wochen im Ausland.".

Seine rechte Hand tätschelt zärtlich die weiße Stute, die ihm die Nüstern vertrauensvoll entgegenstreckt. Der Wind streicht nebenan durchs gerade verblühte Rapsfeld. Die Ponys werden nicht geritten, genießen im Moment die Freiheit den ganzen Tag auf der grünen Koppel. Doch Stein plant, sie bald vor die Kutsche zu spannen.

Wieder zu Hause in der Nonnenmühle zwischen Steinfurth und Opershoven vor den Toren von Bad Nauheim, ein altes Fachwerkhaus aus dem 11. Jahrhundert. Hier steht es, des Friseurs Allerheiligstes, die hellen Holztreppen am Eingang hinauf, der Arbeitsplatz an dem Karl-Heinz-Stein Elvis damals frisiert. Mit der brummenden Haarschneidemaschine:

"Ich habe ihn mit einer größeren Maschine geschoren. Ich habe die Maschine noch, die waren etwa 20 Zentimeter länger, die wurden nachher halt zu schwer in der Hand und dann hat man sich auf andere Maschinen verlegt, die leichter waren, die ringsum Plastik hatten. Die Maschinen zu Elvis Zeiten, die waren aus Metall. Wenn man Tag für Tag dreißig, vierzig Soldaten oder Kunden bedient hatte, war abends der Arm um die dreißig Zentimeter nach unten gesenkt"

Original aus Elvis Zeiten ist der braunumrandete Spiegel, der an der Wand hängt, die schwarze Box für die Nackenkrause und das Haarwasser, die über dem Waschbecken stehen. Kopien der braune Friseurstuhl und das Frisierbesteck. Viel gibt Stein an das Haus der Geschichte in Bonn ab, auch seine Handvoll Resthaare von Elvis. Heute frisiert sich hier die Familie Stein gegenseitig, Steins älteste Tochter ist Friseusin.

Weiße Neonröhren summen an der Decke, Karl-Heinz Stein schaut stolz über die goldumrandete Brille auf sein Heiligtum, alles tip top gepflegt: der Spiegel blitzt, das Waschbecken glänzt, waschen schneiden legen, passend zu Steins eigener Optik, kein Härchen ist verrutscht in seinem graublonden Vollbart und seiner Frisur. Sein breites offenes Gesicht bekommt einen verschmitzten Ausdruck, wenn er wieder eine seiner Elvis-Anekdoten erzählt:

"Man fragte mich mal, hast du schon gesehen, warum Elvis diese speziellen Offiziersschuhe trägt? Ich sagte ja, habe ich schon gesehen, aber was hat das damit zu tun, ist das was Besonderes? Ha ja, haben die gesagt, der Elvis, du hast bestimmt schon gesehen, wenn er neben dir steht. Dann hat er die gleiche Größe wie Du auch, einen Meter 83. Aber er ist nicht so groß, nur einen Meter 78. Nur mit einer Einlage von fünf Zentimetern bringt er es in diesen Schuhen auf eins 83."

Steins unerschütterlicher Glaube an sein Idol wird dadurch nicht gemindert. Elvis und ich, wir haben so vieles gemeinsam, nicht nur das Alter, sagt er und wie bei Roswitha Klaus lächelt dazu ein rockender Elvis vom Poster an der Holzwand im Hintergrund.

Roswitha Klaus ist an diesem Nachmittag zwar müde, doch sie sitzt trotzdem inmitten ihrer Freunde aus alten Zeiten beim Kaffeetrinken im offenen VW-Bus auf dem Parkplatz vor der Goethestraße Nummer 14 in Bad Nauheim. Ein Klapptisch hinter dem Fahrersitz, Plastikbecher, Schokoladenkekse und Elvis von CD.

In das gegenüberliegende unauffällige beige zweistöckige Haus aus der Vorkriegszeit am Rande des Stadtpark zieht der Elvis-Clan im Januar 1959 ein, für 3200 Mark Miete im Monat. Elvis selbst, sein Vater und zwei befreundete Aufpasser, nachdem sie aus zwei Hotels wegen Ruhestörung rausfliegen. Elvis Mutter stirbt sechs Wochen bevor er nach Deutschland kommt. Die dicken blühenden Linden hier riechen schon zu Elvis Zeiten so angenehm süß, doch da, wo sich einst die Fans auf einem weißen Lattenzaun verewigen, wächst jetzt eine hohe undurchdringlich-abweisende dunkelgrüne Hecke. Der heutige Bewohner des Hauses hält nichts vom Elvis-Kult. Roswitha nippt am Wasser, stützt den Kopf auf den Arm:

"Nach der Berufsschule musste man ja immer wieder auf die Arbeit kommen und ich natürlich gleich hierher, dann hat mein Chef gesagt, so und so, dann hab ich gesagt, nein, ich habe den Zug in Hanau verpasst. Dort, wo die Berufsschule war. Dann bin ich von da aus, vom Bahnhof aus immer erst hierher und nicht auf die Arbeit. Ja, das war halt so, das waren so Unarten, so schlimm."

Neben ihr sitzt Angelika Springauf, bekennende Elvis-Autogramm-Jägerin und ebenfalls Stammgast in der Goethestraße. Die Frau mit den kurzen braunen Haaren und dem energischen Blick aus stahlblauen Augen ist keine Elvis-Freundin, aber
sie erzählt, wie Elvis sie, damals 13, über eine verhagelte Klassenarbeit ausfragt:

"So hat das früher ausgesehen, ich habe hier das Bild und da steh' ich dann mit einem Bekannten. Da haben sich die jungen Leute vor dem Haus getroffen und halt gewartet, bis Elvis von der Kaserne nach Hause kam und das hat sich dann auch so abgespielt: er kam von der Kaserne, hat das Auto hier vors Haus gestellt, vor die Tür, ist ausgestiegen und dann standen die Fans in Grüppchen da. Dann kam er zu uns, hat sich entweder mit uns unterhalten oder Autogramme gegeben. Wenn es nicht so viele Leute waren, dann hat man Glück gehabt, dann hat er sich mit uns hingestellt, hat Blödsinn gemacht, sich unterhalten und dann ist er wieder rein."

Angelika Springauf hebt triumphierend ein Foto hoch, sie im zu großen beigen Mantel mit Pelzbesatz im Arm von Elvis, der am Hauspfosten lehnt. Leben in alten Fotos, liebe Erinnerung und Beweisstück zugleich für alle, die Elvis damals kennen:

Springauf: "Ich habe mein Englisch an ihm ausprobiert. Und er war dann auch so geduldig, wenn man auf eine Vokabel nicht gekommen ist. Dann hat er ganz geduldig auch probiert und überlegt, was könnte es denn sein. Einmal habe ich scheinbar was ganz besonders Nettes gesagt, also ihm muss es gefallen haben. Denn dann hat er mir über die Wange gestreichelt. Ich war so begeistert darüber, ich bin gleich zu meinen Freundinnen gelaufen und habe es ihnen erzählt. Die haben mich dann angeschaut, als würde man hier jetzt irgendwie was sehen und ich habe mich dann eine Woche lang nicht gewaschen. Meine Mutter konnte machen, was sie wollte, aber ich habe es nicht gemacht."

Ihr gegenüber im VW-Bus sitzt im hellblauen Hawaii-Hemd mit Jeans Klaus-Kurt Ilge, der Star unter den Elvis-Kennern von Bad-Nauheim: 304 Autogramme von Elvis hat der heute 64jährige mit dem Igel-Bürstenhaarschnitt in seinem Banksafe, verkaufen will er sie nicht. 24.000 Kilometer fährt er 1987/88 mit seinem VW-Bus durch die USA, immer auf den Spuren von Elvis, er ist stolzer Besitzer von 1000 Elvis-Schallplatten, 500 CDs, alle Filme auf DVD und Video. Zu Hause in seinem eigens eingerichteten Elvis-Raum steht ein alter Plattenspieler von Elvis und ein Flipper mit Elvis drauf. Sogar ein Schweinchen-Elvis und ein Engel-Elvis nennt Ilge sein Eigen. Zweimal nimmt Elvis den "Boy from Friedberg" wie er ihn nennt in seinem Auto von Bad Nauheim nach Friedberg mit. Er ist der erste Fan, der ihm am 8.1.1960 zum 25. Geburtstag gratuliert.

Ilge: "Er hat mir auch gesagt, er hätte nicht gedacht, dass er in Deutschland so bekannt ist. Da war er völlig überrascht. Er hat zwar schon damit gerechnet, dass die Filme hier gespielt werden, auch die Musik, aber mit so einer großen Fanbewegung hat er damals nicht gerechnet, da war er sichtlich überrascht."

Oft unterhalten sie sich auch hier vor dem Haus in der Goethestraße, wohin Ilge mit dem Fahrrad kommt. Noch heute gehen Ilges Kopfschmerzen weg, wenn er Elvis-Musik hört, sagt er stolz. Der Elektromeister im Ruhestand lehnt sich in dem grauen Kunststoffsessel zurück, seine blauen Augen lebhaft:

Ilge: "Ja und hier hinten raus, das war früher alles Wiese und Salinen, so Gradierbauten. Da hat die Roswitha auf dem Elvis gesessen, da hinten."

Klaus: "Nein, gerade umgekehrt. Das würde ich am helllichten Tag nie machen."

Ilge: "Samstags mittags sind sie dann zu Fuß dahin gelaufen, die 100 Meter und haben da Ball gespielt, Rugby. Ja, Rugby haben sie gespielt. Die Soldaten haben Rugby gespielt, viele Zuschauer, und wir haben da mit zugeguckt."

Ilge ist der stolze Hahn im VW-Bus, angeschwärmt von Roswitha Klaus und Angelika Springauf und natürlich von seiner Lebensgefährtin, der kleinen braungelockten Elvira Spohn. Er redet viel und gern und wie ein Wasserfall, wenn es um "seinen" Elvis geht. Wenn der Lehrer ihn 1959 vermisst, muss er nur in die Goethestraße 14 gehen:

Ilge: "Der Lehrer ist mittags noch hier vorbeigegangen und hat geguckt, welche Schüler jetzt hier beim Elvis waren und dann ist man in der Schule an den Pranger gestellt worden. Der Ilge, der Idiot, der war wieder bei dem Elvis, ich glaub der ist schwul. Wir wussten gar nicht, was schwul ist. Wir waren nicht so aufgeklärt, das wussten wir gar nicht, dann haben wir erstmal gefragt. Das könnte sich heute kein Lehrer mehr erlauben, aber damals war das Gang und Gäbe."

Es sind Klaus-Kurt Ilge und Elvira Spohn, die alljährlich zum Elvis-Todestag am
16. August einen Fackelzug zwischen Friedberg und Bad-Nauheim organisieren, fester Bestandteil des Elvis-Presley-Festivals, das dann immer stattfindet. In diesem Jahr soll zum dreißigsten Todestag ein Gospel-Chor in Friedberg singen.

Ilge: "Das ist ein ganz großer Teil meines Lebens und er hat mich immer begleitet. Da habe ich mich immer an die schöne Zeit der Jugend erinnert und habe das eben weiterverfolgt mit Elvis - wie das weiterging mit seinen Filmen mit seinen ganzen… die Erinnerungen. Wir leben halt da dafür, das Vermächtnis, das Elvis hinterlassen hat, weiterzugeben und am Leben zu erhalten. Das Elvis nicht in Vergessenheit gerät, das ist unser Anliegen."

19 Uhr, der erste Samstag des Monats. Der Elvis-Verein von Bad Nauheim trifft sich im Dolce-Pub am Elvis-Presley Platz im Zentrum der Stadt. Dunkles Holz, schummriges Licht, die Balkontür offen. Erst 1998 gründen die Elvis-Fans den Verein, über 200 Mitglieder hat er bundesweit. Friseur Stein plagt die Bandscheibe, deshalb kann er nicht kommen, auch Klaus-Kurt Ilge und Elvira Spohn sowie Angelika Springauf sind verhindert. Doch Roswitha Klaus, Elvis heimliche Freundin, lässt seit dem Tod ihres Mannes keinen Vereinsabend mehr aus. Sie hat sich zurechtgemacht, die Haare frisch hochtoupiert, die Schminke nachgezogen, reichlich Schmuck, sitzt mit etwa 40 weiteren Fans auf den Holzbänken, die Apfelsaftschorle vor sich auf dem Tisch, Plauderstündchen:

Klaus: "Das man sich mit jedem mal so aussprechen kann. Der eine weiß wieder was Neues, der andere erzählt das und schon ist es interessant. Wir haben hier einen Fernseher, da gucken wir Elvis-Filme und dann ab und zu haben wir auch einen Interpreten hier."

Ritt: "Herzlich Willkommen heute Abend hier beim Elvis-Presley-Verein. Der erste Samstag im Monat, wie gewohnt,es freut mich, dass doch noch einiges zusammengekommen ist. Wir haben heute einen Gast hier, der sich vorstellen möchte, das ist Marc Defiebre."

Klaus Ritt, der Vorsitzende des Elvis-Presley-Vereins von Bad Nauheim, stellt den Elvis-Interpreten Marc Defiebre vor, der heute für die Vereinsmitglieder singen wird. Neugierig betrachtet Roswitha Klaus den kleinen Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose. Sie hat schon viele Elvis-Imitatoren erlebt.

Die Hüften des Sängers zucken ansatzweise, als er an den Tischen vorbeigeht und Roswithas Daumen zuckt nach zwei Liedern nach unten. Da haben wir schon Bessere gehabt, kommentiert sie verschmitzt lächelnd. Elvis forever. Ihm kommt eben doch keiner gleich.