"Elvis ist für mich ein Traum"

Moderation: Tom Grote · 16.08.2007
Die Sängerin, Kabarettistin und Schauspielerin Maren Kroymann ist bekennender Elvis-Fan. Für sie habe der King of Rock 'n' Roll etwas Revolutionäres ausgestrahlt, was es bis dahin in der Musikszene nicht gegeben habe, sagte Kroymann.
Tom Grote: Jetzt im Studio Maren Kroymann, Sängerin, Kabarettistin, Schauspielerin und bekennender Elvis-Fanin?

Maren Kroymann: Da darf man Fan sagen.

Grote: Okay, Tag Frau Kroymann!

Kroymann: Tag Herr Grote.

Grote: "Bei Elvis krieg ich immer ‛ne Gänsehaut", haben Sie im Interview in der "TAZ" gesagt. Immer?

Kroymann: Ja, schon mal gleich gut eingestiegen. Ich muss sofort sagen, dass ich Elvis eigentlich nur bis zu seiner Militärzeit gut finde.

Grote: Also den jungen, knackigen Elvis?

Kroymann: Knackig weiß ich gar nicht – den aufregenden, den unverbrauchten, den aufsässigen. Und mit der Militärzeit, da war er ja in Deutschland, und ich hatte natürlich den Traum – ich war in Tübingen, er war in Friedberg in Hessen –, wo ich dachte, vielleicht kann ich da mal hinfahren und den sehen oder so. Das war eigentlich so eine ganz große Aufregung. Aber danach hat ja Colonel Parker übernommen, und danach war Elvis für mich verloren, weil er dann Mainstream wurde, und das hat mich gar nicht mehr interessiert. Aber die ersten sagen wir mal zwei, drei Jahre fand ich so aufregend, dass es mich bis heute verfolgt. Und da kriege ich auch heute noch die Gänsehaut.

Grote: Hat’s denn mal geklappt, Maren Kroymann, mit Elvis irgendwie?

Kroymann: Nee, leider nicht. Aber es blieb dann bei so Wunschträumen und so Tagträumen. Das klappte dann nicht. Ich war ja wahrscheinlich dann noch zu klein auch. Es ist ja sowieso ein Traum. Elvis ist ja für mich sowieso ein Traum. Insofern konnte das auch so bleiben.

Grote: Worin besteht der Traum, was ist so toll an dem?

Kroymann: Dass er etwas anderes in diese Schlagermusik reingebracht hat. Damals sagte man noch nicht Pop. Es gab auch noch keine Jugendkultur in dem Sinne. Es gab Bing Crosby und dann kam Elvis. Und das Neue war, dass der irgendetwas – heute würde ich sagen – Revolutionäres hat der ausgestrahlt, irgendetwas, was anders war, was irgendwie sexuell war.

Grote: Der Hüftschwung?

Kroymann: Den hab ich ja nicht gesehen. Es war ja keine Fernsehzeit, es war Radiozeit. Ich hörte den nur vom Radio. Und der hatte in der Stimme etwas Flirrendes, etwas Prickelndes, etwas Unangepasstes, dass ich Herzklopfen kriegte und wirklich die Haare sich aufstellten, und ich lauschte an der Tür, wenn mein Bruder im Nebenzimmer das im AFN hörte – wir wohnten in Tübingen, mein Bruder hörte AFN –, und ich lauschte dann. Und manchmal, wenn ich im Bett lag abends und mein Bruder arbeitete irgendwie und dann hörte ich die Abendsendung und das mischte sich dann mit meinen Voreinschlafträumen. Und dann dachte ich, ah, dieser Elvis, und dann hätte ich irgendwie ‛ne Geschichte mit dem und ich wär seine Frau und ich würde so ein Kleid anhaben wie im Quelle-Katalog war oder so. Also es mischte sich natürlich total hochgradig präpubertär. Ich meine, ich war da acht oder neun oder so. Das war was Sexuelles, und dieses Wort gab es ja noch nicht. Und Erotik, den Begriff gab es auch nicht. Aber es war etwas, was ich ganz deutlich gespürt habe. Und im Nachhinein weiß ich, das war’s, es war Sex.

Grote: In der "Süddeutschen Zeitung" von heute, da kann man lesen, die Erregung, der schnellere Atem, die eindeutigen Blicke, wie Elvis zu werden …

Kroymann: Och.

Grote: Steht da drin. … wie Elvis zu werden, hieß in letzter Konsequenz, dass man Sex mit seiner Mutter haben kann – nicht will, sondern kann. Und jetzt Sie, Frau Kroymann.

Kroymann: Ah, ja, überraschend jetzt. Also was mir bei Elvis auffiel, und das finde ich bemerkenswert, das war auch neu: Er hat in seinen Liedern oft von Mama und Papa – mit Mama, klar. Sein erstes Lied, was er überhaupt aufgenommen hat bei "Sun Records", war ja "That’s alright mama". Da kommt die Mutter vor. Aber zum Beispiel bei "Don’t cry over you" kommt, "I’m gonna tell my mama, tell my papa, too". Also einfach, dass die Eltern vorkamen, das mit der Mutter, na ja, irgendwie ja, schon rausgehoben, aber die Eltern. Und ich sehe das so, das war die erste Formulierung von Abgrenzung der jungen Generation. Bei Bing Crosby war unklar, wer ihn hört, aber bei Elvis war klar, das sind die Leute, die noch Mama und Papa sagen, das heißt, das sind die Jugendlichen. Für mich war das der Beginn der Jugendkultur dann damit.

Grote: Die erste eigene Elvis-Platte war welche?

Kroymann: Eine LP, die hieß, glaube ich, "That’s alright mama", und da waren die ganzen frühen Sachen drauf. Da war auch "Blue moon" und "Milkcow Blues Boogie" und die, wo er jodelt, also wirklich die ganz frühen, das war die gehütete. Und es war ein blaues Cover mit irgendwie Elvis drauf, und es waren alle frühen Sachen drauf.

Grote: Und die letzte Elvis-Platte?

Kroymann: Die letzte, na ja, ich kauf jetzt, irgendwie so Compilations habe ich gekauft auf CD, dass ich ihn auch auf CD habe und so. Aber natürlich, ich habe nie etwas gekauft, wie gesagt, nach der Militärzeit. Ich habe nie die … Schon bei "It’s now or ever" hört es bei mir auf. Also das würde ich nie kaufen, ich höre ich noch nicht mal im Radio. Also dieser weiß gekleidete aus Las Vegas mit den Glitzersteinen und dem Fett und den Koteletten, das finde ich schon eine Parodie in sich. Da tat er mir schon leid, also damals schon.

Grote: Bei welchen Gelegenheiten passt Elvis-Musik ganz prima für Sie?

Kroymann: Eigentlich kaum. Für mich ist Elvis etwas für mich selber, was ich höre und was ich eigentlich auch ganz selten höre und mehr in meinem Herzen habe. Das klingt jetzt total Teenager-mäßig …

Grote: Na gut, dass Sie das selber sagen.

Kroymann: Aber es ist so. Ich mache ja dieses Programm "Gebrauchte Lieder", wo ich auch einige Stücke von Elvis singe, und um das vorzubereiten, habe ich kaum noch mal reingehört. Ich habe das gesungen, was ich erinnerte als meinen ersten Eindruck.

Grote: War es nicht besonders schwer, einen Song vom Idol jetzt sozusagen selber auf die Bühne zu bringen und den nicht unter der Dusche zu lassen?

Kroymann: Ja, das ist auch schwer, da habe ich auch lange überlegt. Ich habe vor über 20 Jahren mein erstes Schlagerprogramm gemacht, und da habe ich immer gesagt, mein Lieblingsstück war "Jailhouse Rock", aber das ist für mich zu belastet, das kann ich nicht sagen. Und da habe ich ein anderes gesungen.

Grote: Welches?

Kroymann: Ich habe gesungen … "Love Me" habe ich stattdessen gesungen. Das ist auch ein ganz tolles Lied, aber "Jailhouse Rock", das war, glaube ich, mein Lieblings-Elvis-Hit aller Zeiten. Ich hatte ja jahrelang als Kind eine persönliche Elvis-Presley-Hitparade, wo ich von 1 bis 10 immer aufgeschrieben habe.

Grote: Hat die sich jede Woche verändert und Neueinsteiger gehabt?

Kroymann: Im Grunde hat sie sich erschöpft, weil es monatelang, ja jahrelang dieselbe Reihenfolge blieb …

Grote: Frau Kroymann, als Elvis gestorben ist, da besaß der trotz Plattenverkäufen in dreistelliger Millionenhöhe ein Vermögen, glaube ich, sein Haus in Graceland 1,2 Millionen Dollar. Ich glaube, es gibt niemanden in der Plattenindustrie, der so von falschen Freunden und Produzenten und was weiß ich wem ausgenommen wurde. Mich macht das wütend. Wie ist das bei Ihnen?

Kroymann: Ja, mit tat das irgendwie leid. Es war ganz schrecklich zu sehen, den Verfall. Und der Verfall begann, als er sozusagen sein Talent auf Abruf zur Verfügung gestellt hat, als er so glatt geworden ist und so, als er so auf den Mainstream schielte. Es fing schon so ungefähr mit "It’s now or never" an, wo er fast den Tenor gegeben hat und … Das ist ja auch ein italienisches Lied, glaube ich, das ist so eine italienische Schmonzette im Original. Da hat er … Damals hätte ich gesagt, er hat sich verraten oder so, das sind ja hochmoralische Kategorien, ich bin ja jetzt nicht im Elvis-Presley-Fanclub von damals oder so. Aber da hat es angefangen, das mir leid zu tun, dass er irgendwie in ‛ne Richtung ging, wo es nicht mehr interessant war. Ich weiß, es gibt Leute, die auch da hohe Qualitäten sehen. Das konnte ich nicht. Also ist einfach nicht so mein Geschmack.

Grote: Die Beatles haben Elvis mal besucht und haben nach dem Treffen gesagt, wir haben wenigstens uns, der hat gar keinen. Das klingt, als ob er unheimlich einsam gewesen wäre.

Kroymann: Ja, was man so gelesen hat, war es ja auch so. Er war das erste Idol … Also jetzt kriegt man das immer mit, irgendwie Robbie Williams und Drogen und in die Entzugsklinik und doch, der Manager hat ihn ausgenommen und so. Und er war vielleicht das erste Popopfer auch, weil er so überdimensional berühmt war, dass man ihn auch viel verkauft hat und dass er sozusagen ein Objekt war, um ausgenommen zu werden. Und er war irgendwie, er war wahrscheinlich auch wirklich nicht der Schlaueste. Er hat dann den Ruhm genossen und hat dann gedacht, er ist wirklich im Leben als Mensch so wichtig, wie er ist für die Plattenindustrie oder so. Und der hat das falsch eingeschätzt, er hat nicht mehr drüber nachgedacht, was mit ihm passiert. Und das konnte man, aus seinem Beispiel, glaube ich, haben dann viele gelernt, was mit so Karrieren im Popbusiness passieren kann. Aber er hatte keinen Präzedenzfall, und deswegen war das schwer für ihn zu begreifen. Sie sehen, ich nehme den immer noch ein bisschen in Schutz.

Grote: Trotz Popopfer, wie Sie sagen, es gibt ja weltweit ganz viele Leute, die sich die Haare zu ‛ner Tolle hoch machen und als Elvis-Double dann auf Bühnen oder bei Autohauseröffnungen auftreten.

Kroymann: Ja ja.

Grote: Mal ganz abgesehen davon, dass das manchmal ziemlich zweifelhaft aussieht, haben Sie eine Ahnung, warum so viele Leute offenbar heute immer noch so gerne Elvis wären?

Kroymann: Ach, ich weiß nicht, ob die Elvis wären, das ist einfach etwas, was, also es ist eine Ikone, die man wiedererkennt. Es liegt auch an dieser Verkleidung mit dem, es ist so ein schönes Symbol dieser …

Grote: Aber kein Mensch zieht sich an als Marilyn Monroe oder so, oder nur ganz wenige.

Kroymann: Doch, doch, doch. Denken Sie hier im Estrelle, da werden ja ganz viele Stars parodiert. Marilyn Monroe ist auch extrem, bis zum Erbrechen wird die ja parodiert und immer mit diesem weißen Plisseekleid, wo dann aus dem U-Bahn-Schacht die Luft hochgeht und der Rock geht hoch und so. Da wird ja hemmungslos parodiert von allen jungen Schauspielerin. Da kann man auch eigentlich nur sich übergeben, weil sie gar nicht mehr merken, dass sie gar nicht mehr Marilyn nachmachen, sondern schon die letzte Schauspielerin vor ihnen, die Marilyn nachgemacht hat. Aber Elvis ist noch, er ist einfach bekannter und er ist wiedererkennbar und er hat so diese schöne Entwicklung, also von dem unschuldigen Jungen, der irgendwie ganz revolutionär ist, zu diesem verfetteten, angepassten. Der ist im Grunde auch ein Paradigma für alle Aufsässigen, die sich später anpassen, auch für 68er, die in die Institutionen gegangen sind und dann irgendwie was anderes machen, als sie vorher gesagt haben. Also das ist auch so was Menschliches, dass man es vergeigt irgendwie.

Grote: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit der Schauspielerin Maren Kroymann. Und jetzt gibt’s auch noch Musik von Elvis. Frau Kroymann, Sie haben sich "Lawdy, Miss Clawdy" ausgesucht, warum?

Kroymann: Weil ich da immer geweint hab.

Grote: Warum?

Kroymann: Das war, allein, wie das Klavier anfängt, da musste ich schon beim Klavier weinen. Ich weiß bis heute nicht wirklich, worum es geht in dem Lied, aber das ist für mich das traurigste und ergreifendste und dramatischste Elvis-Lied, und ich fand’s einfach so, ich muss jetzt gleich selber, ich werde bestimmt jetzt, wenn ich’s höre, wieder …

Grote: Wir spielen jetzt auch mal, mal gucken, was passiert.

Kroymann: … Taschentuch rausholen.

Grote: Vielen Dank, Frau Kroymann. Und hier ist Elvis Presley und "Lawdy, Miss Clawdy".