Elke Heidenreich

"Oper muss zeitgenössische Themen behandeln"

Elke Heidenreich mit erhobenem Zeigefinger bei der Präsentation ihres Buches "Das geheime Königreich - Oper für Kinder" in Köln
Opernliebhaberin Elke Heidenreich, hier bei einer Präsentation ihres Buches "Das geheime Königreich - Oper für Kinder" in Köln © picture-alliance/ dpa / Jörg Carstensen
Elke Heidenreich im Gespräch mit Nana Brink · 31.07.2015
Am Freitag wird in Rheinsberg die Oper "Adriana" aufgeführt. Das Libretto hat Elke Heidenreich geschrieben, seit ihrer Jugend Opernliebhaberin. Sie fordert für die Oper moderne Stoffe und eine Rückkehr zur Tonalität: "Es hat sich 'ausgeavantgardet'!"
Die Schriftstellerin, Literaturkritikerin und Kabarettistin Elke Heidenreich liebt Opern nicht nur als Zuhörerin, sie schreibt sie auch. So hat sie zur Oper "Adriana", die am Freitagsabend in der Kammeroper Schloss Rheinsberg uraufgeführt wird, das Libretto beigesteuert. Komponiert hat das Werk Heidenreichs Lebensgefährte Marc-Aurel Floros.
Es gehe dabei wie immer in der Oper um die Liebe, sagt Elke Heidenreich. Jedoch erzählt "Adriana" im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Opernkompositionen eine Geschichte, die in der Gegenwart spielt. "Die modernen Komponisten flüchten sich immer in die Antike, immer noch eine Proserpina und noch eine Medea oder noch ein Nietzsche – Dithyramben –, und ich weiß gar nicht, warum", kritisierte Heidenreich. "Ich meine, man kann ja auch mal eine Oper schreiben, die hier und heute spielt, in der Handys und Börsenkurse eine Rolle spielen, und das habe ich einfach mal versucht."
Die Oper muss sich von der Avantgarde lösen
Oper müsse endlich wieder zeitgenössisch werden, sagte Heidenreich. "Und zweitens muss die Musik sich mal lösen von dem, was jetzt 70 Jahre lang Avantgarde hieß. Das hat sich jetzt mal 'ausgeavantgardet'!" Wenn es um Gefühle, Glück und Verzweiflung gehe, müsse man eine andere Art von Musik schreiben. "Ich glaube, da kommt ganz langsam was in Bewegung, denn so spielen wir die Opernhäuser leer."
Auch Marc-Aurel Floros komponiere zum Teil atonal und zum Teil sehr modern und avantgardistisch, räumte Heidenreich ein. "Aber dann, wenn es passt! Wenn etwas dargestellt wird, wo man diese Art Musik braucht."



Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Man kennt sie aus dem Fernsehen: Mitte der 70er debütierte Elke Heidenreich in der Rolle der Comedy-Figur Else Stratmann, und man kennt sie natürlich als Moderatorin von Talkshows und als Lesefreak – ihre Sendung "Lesen" war ein Publikumsrenner. Dass ihre große Leidenschaft aber eigentlich der Musik gilt, der klassischen allzumal, das hat Elke Heidenreich bislang ganz gut versteckt. Heute nun kommt in der Kammeroper im schönen Rheinsberg in Brandenburg die Uraufführung der Oper "Adriana" heraus, komponiert von Marc-Aurel Floros, und die Libretti hat Elke Heidenreich bearbeitet. Ich grüße Sie!
Elke Heidenreich: Hallo, guten Morgen!
Brink: Eine eigene Oper – Frau Heidenreich, geht da ein Traum in Erfüllung?
Heidenreich: Ganz ehrlich gesagt, nein, denn ich hab jahrelang, jahrzehntelang eigentlich schon für Opernhäuser gearbeitet, hab Libretti bearbeitet, übersetzt, für die Kinderoper in Köln, 20 Opern eingerichtet, ich hatte immer damit zu tun. Und ich hatte auch für Köln schon mal eine Oper geschrieben, und als dieser Auftrag jetzt kam, hab ich mich gefreut, aber so, dass es jetzt ein Riesentraum gewesen wäre, so ist es eigentlich nicht.
Brink: Woher rührt Ihre Begeisterung für die Oper?
Heidenreich: Ich finde die Oper einfach was ganz Wunderbares. Was da live passiert, überlegen Sie mal, da spielt ein riesiges Orchester mit lauter ausgebildeten Musikern, auf der Bühne wird eine Geschichte erzählt, die wird noch dazu gesungen, das ist ein solches gewaltiges Unternehmen, in einer Zeit, wo wir lauter Konserven benutzen, ich finde das immer wieder herzzerreißend großartig, in der Oper zu sitzen.
Brink: Dabei hatte man eigentlich immer so den Eindruck, dass Oper etwas Elitäres ist, da geht nur eine ganz bestimmte Klientel hin, das ist vielen Teilen ja einfach verschlossen. Ist das ein Irrtum?
Das ist ein so ewig altes Klischee
Heidenreich: Ja, das ist ein Irrtum. Das ist ein so ewig altes Klischee, was sich immer und immer noch hält. Oper ist genauso einfach wie Fernsehen oder Theater. Man muss ein bisschen gucken, worum geht es, und sich dann konzentrieren und zuhören und zugucken, und dann erreicht es eigentlich jeden Menschen. Die Musik ist die Kunst, die uns doch am unmittelbarsten erreicht, man muss nur einfach endlich mal machen. Das Problem ist, Oper ist oft ziemlich teuer, weil ja da sehr, sehr viele Menschen gleichzeitig live wirken, aber es gibt immer auch in der Oper billige Plätze und Vergünstigungen. Man sollte es einfach mal versuchen, und dann merkt man, da ist überhaupt gar nichts Elitäres, es ist einfach nur schön.
Brink: Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, ich bin missionarisch unterwegs, was meinen Sie damit?
Heidenreich: Na ja, das ist ja mein ganzes Wesen, ich will immer Leute davon überzeugen. Wenn ich was schön finde, will ich das weitertragen. Mein allererstes Buch hieß "Kolonien der Liebe", weil ein Freund gesagt hat, Elke gründet immer Kolonien der Liebe. Wenn wir uns alle untereinander mögen, dann geht sie schon wieder weiter und ist schon wieder woanders. Das ist so. Ich will sagen, wenn ihr Kummer habt oder wenn ihr krank seid oder wenn euer Leben schiefläuft, kein Buch kann das heilen, aber jedes gute Buch kann euch drei, vier Stunden ablenken, und in der Zeit wächst Kraft. Und so ist das mit Musik natürlich noch viel stärker. Ich will sagen, die Dinge, die in der Kunst schön sind und in der Kultur, die eigentlich unsere Wurzeln sind, das, was uns von Barbaren unterscheidet und zu Menschen macht, die sollte man als Geschenk auch annehmen und benutzen.
Brink: Aber deshalb müsste man ja trotzdem erst ins Opernhaus ja erst mal finden, und das ist ja doch nicht so ganz einfach.
Heidenreich: Na ja, man kann ja auch wie ich als Kind, als ich kein Geld hatte für ein Opernhaus, Radio hören. Man kann Radio hören, und es sind wunderbare Opernübertragungen im Fernsehen, neuerdings ja auch in Kinos. Hier in Köln gibt es ein Kino, das alle Sachen, die in der MET laufen, überträgt, das ist immer ausgebucht. Da sitzt man und trinkt Wein und guckt zu und hört zu, das ist wunderbar. Man kann auf viele Weise sich den Dingen nähern.
Brink: In "Adriana", wenn wir jetzt mal zu Ihrer Oper kommen, die Sie ja zusammen mit dem Komponisten Marc-Aurel Floros gemacht haben, geht's ja ganz heutig zu, da begegnen sich drei Generationen – eine junge Frau taucht da auf, die sich so nicht ganz entscheiden kann, ein altes Paar, das sich zofft. Ist das vielleicht, ja, ein Grund oder eine Möglichkeit, mehr Menschen für die Oper zu gewinnen?
Heidenreich: Ja, ich hoffe das, denn die Oper hat früher immer zeitgenössische und moderne Stoffe – "Traviata" damals bei Verdi, das war ein ganz zeitgenössischer Stoff: die Frau, die Kurtisane war und nicht in die gute Gesellschaft gehörte, der Alfredo, der nicht mit ihr leben durfte. Das waren oft sehr zeitgenössische Stoffe und sehr politische. Und heute, die modernen Komponisten flüchten sich immer in die Antike, immer noch eine Proserpina, noch eine Medea oder noch ein Nietzsche- Dithyramben, und ich weiß gar nicht warum. Ich meine, man kann ja auch mal eine Oper schreiben, die hier und heute spielt, in der Handys und Börsenkurse eine Rolle spielen. Und das habe ich einfach mal versucht. Und ich hoffe...
Brink: Also dann klingelt ein Handy bei Ihnen? Nein, natürlich nicht.
Heidenreich: Es ist ein Bräutigam, der ständig telefoniert, weil er an der Börse Sachen laufen hat und immer auf dem Laufenden bleiben muss. Klar, das passiert schon, natürlich.
Brink: Also muss die Oper runter vom Sockel, also rein ins...
Das hat sich jetzt mal ausgeavantgarded
Heidenreich: Nein, muss nicht, aber die kann. Es geht auch bei mir – ein Augenzwinkern – wie in 500 Jahren Operngeschichte um die Liebe. Es geht immer in der Oper um die Liebe und den Tod, um die großen Gefühle, um das, womit wir nicht fertig werden. Aber ich finde, die Oper muss zweierlei langsam mal leisten: Erstens zeitgenössisch werden und heutige Geschichten erzählen und nicht immer die Antike, und zweitens muss die Musik sich mal lösen von dem, was jetzt 70 Jahre lang Avantgarde hieß. Das hat sich jetzt mal ausgeavantgarded. Immer nur dieses Atonale, es trifft nicht alle Gefühle. Auch Floros schreibt zum Teil atonal und zum Teil sehr modern und avantgardistisch, aber dann, wenn es passt, wenn etwas dargestellt wird, wo man diese Art Musik braucht. Wenn es um Glück geht, um Gefühle, um Verzweiflung, dann muss man eine andere Art Musik schreiben. Und ich glaube, da kommt ganz langsam was in Bewegung, denn so spielen wir die Opernhäuser leer.
Brink: Ich kann mir schon vorstellen, dass Sie ihm dann gesagt haben, dass Sie eine andere Art von Musik haben wollen, wenn Sie die Libretti dazu...
Heidenreich: Nee, ich hab dem gar nichts zu sagen. Der ist so hoch begabt, ist ein wunderbarer Komponist, ich kann ja keine einzige Note schreiben. Nein, nein, ich hab das Libretto geschrieben, und ab dann hat er komponiert, und damit habe ich gar nichts zu tun. Letztlich ist der Komponist das Wichtigere bei der Oper, der Librettist liefert nur ein Gerüst. Und Floros weiß so genau, was er mit seiner Musik will, der lässt sich da von keinem Menschen auf der Welt was sagen.
Brink: Wie schreibt man ein Libretto?
Heidenreich: Ja, man überlegt sich erst mal die Geschichte, und dann muss man immer – und das hat meine Erfahrung mit der vielen Arbeit für die Kölner Oper mir beigebracht –, man muss immer überlegen, dass der Text nicht gesprochen, sondern gesungen wird. Das heißt, da ist ein Orchester noch dabei, das wird laut, das können nicht zu lange Sätze sein, nicht zu kompliziert, die Sprache muss ein bisschen rhythmisch sein. Ich hab viel Schiller gelesen, man kann sich bei Schiller eine Menge abgucken, der hat eine ganz rhythmische dramatische Sprache, und die muss man hier auch machen. Also der Held kann nicht singen, ach, ich bin so klein und nichtig, verlieb dich nicht in mich, ich kann mich ja selbst nicht leiden, sondern er singt, sähest du mich mit meinen Augen, du sähest mich nicht. Also es muss ein bisschen überhöht poetisch sein und trotzdem eine Aussage haben. Und das habe ich geübt.
Brink: Und das kommt heute Abend zur Aufführung, nämlich im schönen Rheinsberg in Brandenburg, die Kammeroper "Adriana". Vielen Dank, Elke Heidenreich!
Heidenreich: Vielen Dank Ihnen für Ihr Interesse!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema