Elke Buhr zur Flick Collection

"Das hat Berlin in den Sand gesetzt"

05:59 Minuten
Besucher des Museums Hamburger Bahnhof stehen in der Ausstellung "Local Histories" vor einem Werk des Künstlers Richard Jacklon. Mit "Local Histories" werden noch bis zum 29. September 2019 Werke aus der Friedrich Christian Flick Collection gezeigt.
Solche Blicke auf die Flick Collection sind nur noch bis September 2021 möglich © picture alliance/dpa/Jörg Carstensen
Elke Buhr im Gespräch mit Marietta Schwarz · 24.04.2020
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Mit der Flick Collection verliert Berlin eine der bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst: Denn die Hallen, in denen sie gezeigt wurde, werden abgerissen. Ein "blamables Ende", findet Elke Buhr, die Chefredakteurin des Kunstmagazins Monopol.
Nördlich des Berliner Hauptbahnhofs, in den Rieckhallen des Hamburger Bahnhof, werden seit dessen Eröffnung 2004 immer wieder Werke der Flick Collection gezeigt. Mit dem 30. September 2021 läuft der Leihvertrag über diese Werke aus, wie die Stiftung Preußischer Kulturbeitz nun mitteilte. Der Grund: Der Mietvertrag für die Rieckhallen endet - und mit den Räumen verliert das Museum für zeitgenössische Kunst auch die dort präsentierten Werke. An einem anderen Ort war der Sammler Friedrich Christian Flick offenbar nicht interessiert.
Die Politik habe versäumt, die Räume zu sichern, sagt Elke Buhr. Die Chefredakteurin des Kunstmagazins Monopol, hält das für einen "haarsträubenden Vorgang", ein "blamables Ende".

Das Ende der Miete

Friedrich Christian Flick habe die Rieckhallen 2004 auf eigene Kosten, für mehr als 8 Millionen Euro, renovieren lassen, so Elke Buhr. Damals waren sie noch im Besitz der bundeseigenen Deutschen Bahn. 2007 verkaufte die Bahn das Gelände allerdings an die Wiener Immobilienfirma CA Immo. Seitdem besteht ein Mietvertrag, den CA Immo nun nicht mehr verlängert, sondern die Rieckhallen abreißen lassen will.
Flick hat der Nationalgalerie auch 268 Werke geschenkt. "Die bleiben jetzt natürlich in Berlin", sagt Buhr. "Aber die ganze Zeit hat niemand Flick gesagt, dass die Rieckhallen nur gemietet sind und dass die Möglichkeit besteht, dass sie verloren gehen könnten", zeigt sich Buhr empört.
Hinter den Kulissen hätten die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Beteiligten verzweifelt versucht, andere Räume zu finden. Das sei nicht gelungen. Irgendwann habe man Flick ins Auge blicken und sagen müssen, 'Wir haben keine Räume mehr für Ihre Sammlung.'
Dass das neue Museum der Moderne der Flick Collection hätte Raum bieten können, glaubt Buhr nicht. Ihrer Meinung nach solle es sich auf das 20. Jahrhundert konzentrieren. Dort sollen also die anderen Sammlungen, "die etwas ältere Kunst des Hamburger Bahnhof" Platz finden, wie die Sammlungen von Erich Marx, Ulla und Heiner Pietzsch und die Werkblöcke von Joseph Beuys.

Leere im Hamburger Bahnhof?

Es sei immer das Konzept gewesen, dass der Hamburger Bahnhof die zeitgenössische Kunst zeigen soll. Die habe nie in das Museum der Moderne einziehen sollen. "Das Problem ist nur", so Buhr, "dass der Hamburger Bahnhof jetzt eigentlich keine große Sammlung mehr hat. Man darf also gespannt sein, was die da demnächst zeigen können."
Der Direktor der Nationalgalerie Udo Kittelmann sei zwar nicht mehr lange im Amt, muss aber verzweifelt gewesen sein, weiß Buhr und habe Flick kaum noch in die Augen sehen können. "Das kann man bedauern wie man will, aber das war's jetzt. Das hat Berlin in den Sand gesetzt."
Was Flick nun mit seiner Sammlung machen wird, wisse man nocht nicht", sagt Elke Buhr. "Man weiß nur, er wird sie aus Berlin abziehen."

Umstrittene Sammlung

Die Flick Collection umfasst Werke von beispielsweise Bruce Nauman, Jeff Koons Sol LeWitt, Wolfgang Tillmans, Martin Kippenberger und Neo Rauch. Experten schätzten den Wert der Sammlung schon vor Jahren auf mehrere hundert Millionen Euro.
Als die Sammlung ab 2004 im Hamburger Bahnhof gezeigt wurde, entbrach eine heftige Debatte. Denn das Geld, mit dem Christian Friedrich Flick die Sammlung erwarb, geht auf das Erbe seines Großvaters, einen verurteilten NS-Kriegsverbrecher, zurück: Friedrich Karl Flick hatte sein Vermögen unter anderem mit sogenannten Arisierungen und durch Beschäftigung zehntausender Zwangsarbeiter gemacht. Flick wurde außerdem verdächtigt, seine Sammlung über die Präsentation im Museum aufwerten zu wollen.
(mfi)
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