Eliteschulen des Sports

Schule und Sportlerkarriere in einem

Zwei Leistungssportschüler trainieren im Fechtkurs an der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg: eine "Eliteschule des Sports".
Fechtkurs an der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg: eine der deutschlandweit 43 Eliteschulen des Sports. © Daniel Karmann / dpa
Von Maximilian Klein · 27.05.2018
Damit Nachwuchssportler optimal trainieren können und trotzdem die Schule nicht zu kurz kommt, gibt es in Deutschland 43 sogenannte Eliteschulen des Sports. Aber einfach ist der Spagat zwischen Unterricht und Training auch dort nicht.
Leistungssport und Schule? Unversöhnlich wie zwei Minuspole eines Magneten stoßen sie sich ab, sollte man meinen. Die Realität sieht anders aus: Junge Sportler und ihre Eltern gehen bis an die Schmerzgrenze, um beides zu schaffen: eine erfolgreiche Laufbahn im Sport und einen qualifizierten Schulabschluss.
Mitte der 90er-Jahre entwickelte der deutsche Sport in Zusammenarbeit mit den Bildungs- oder Kultusministerien der Länder eine Lösung für das Problem: die "Eliteschulen des Sports". Sie sollten den schwierigen Spagat schaffen: Kindern den Schulunterricht, zugleich das komplexe und zeitaufwendige Training ermöglichen. Eines der wichtigsten Instrumente ist dabei, die Schulzeit zu strecken, zum Beispiel das Abitur nicht in zwei, sondern in vier Jahren abzulegen.

Vorgängerinstitutionen aus DDR-Zeiten

Der organisierte Sport orientierte sich dabei an Einrichtungen der DDR, berichtet Andreas Bohne. Er leitet das Sportinternat in Hannover.
"Aus diesen Kinder und Jugendsportschulen sind ja zahlreiche Eliteschulen des Sports in den neuen Bundesländern hervorgegangen, die heute noch erfolgreich arbeiten. Und im Westen wurde dann nach der Wende, ich will nicht sagen, das System kopiert, aber es wurden eben teilweise strukturelle Entscheidungen getroffen, Systeme entwickelt, die das ein bisschen auch nachbilden sollten."
43 Schulen tragen heute in Deutschland den Titel "Eliteschule des Sports". 11.000 Schülerinnen und Schüler gehen auf diese Kaderschmieden, die es in allen Bundesländern gibt. Bis heute befinden sich die größten und auch erfolgreichsten in den neuen Bundesländern. Allein in Potsdam, an der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportschule, sind es 600 Athleten, die gefördert werden.

Doppelbelastung Schule und Sport

Das gemeinsame Ziel aller Eliteschulen des Sports, meint der Internatsleiter in Hannover, Andreas Bohne: "Ich glaube, die wichtigste Erwartung ist, dass ihre Kinder vernünftig betreut werden und dass sie einen guten Schulabschluss machen."
Eine komplexe und auf Medaillen fixierte Fördermittelvergabe ist das Skelett der "Elite-Schulen". Ist das Versprechen der Kaderschmieden, Sport und Schule vereinbar für den Athleten zu gestalten, am Ende nur eine Phrase? Lehrer Stephan Sack glaubt das nicht.
"Wir bekommen vom Kultusministerium mehr Stunden zur Verfügung. Die wir genau in die Förderung der Sportler stecken."
Am Humboldt-Gymnasium in Hannover lernen 100 Leistungssportler neben 900 Regelschülern. Neben Stephan Sack koordiniert auch Karolin Lincke die Leistungen ihrer doppelbelasteten Schüler.

Begabung allein reicht nicht

"Manche haben gar kein Problem, während des Lehrgangs das mitzuarbeiten. Was sie in der Schule verpassen. Andere haben sehr große Probleme, das, wenn sie jetzt eine Woche gefehlt haben, das wieder aufzuholen.
Leistung muss also in jedem Fall erbracht werden. In der Schule und im Sport. Begabung allein reicht nicht. Die Eltern der Kinder stehen jedenfalls vor keiner leichten Entscheidung:
"Manche Eltern denken auch immer gerne, wenn sie jetzt an einer Sportschule ihrer Meinung nach sind, dass dann von den Schülern im Unterricht verlangt wird. Aber der Sportler muss genau den gleichen Unterrichtsstoff und die gleichen Verpflichtungen erfüllen wie ein anderer Schüler."

Das größte Risiko trägt der Sportler

Am Ende kommt es auf das Engagement der einzelnen Schulen und vor allem der Lehrer an, meint Stephan Sack vom Humboldt-Gymnasium in Hannover.

"Wir wollen, dass die Sportler das Abitur erreichen und die schulischen Leistungen erbringen. Weil sie letztendlich über den Sport hinterher nicht genug Geld verdienen können, um einen Unterhalt bestreiten zu können."
Die Eliteschulen des Sports können ein Segen für Sportler und deren Familien sein. Endlose Autofahrten zu Wettkämpfen und Trainingseinheiten werden institutionalisiert und professionalisiert.
Aber das größte Risiko trägt der Sportler. Gelingt ihm keine erfolgreiche Sportlerkarriere, ist auch der parallel laufende Bildungsweg kein zwingender Garant für Arbeit, Studium und Ausbildung.

Die Sportschulen der DDR vor und nach der Wende

Die heutigen Eliteschulen des Sports scheinen aus den Fehlern der Vergangenheit zu wenig gelernt zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt der ehemalige Direktor der (sportbetonten) Poelchau Oberschule in Berlin, Rüdiger Barney.

In seiner Dissertation hat er die ideellen Vorbilder, die Kinder- und Jugendsportschulen der DDR in der Wendezeit, unter die Lupe genommen. Seinerzeit hatten die Trainer das letzte Wort, was die Laufbahn der Schülerinnen und Schüler betraf. Heute, so

sein Eindruck, spielt die Bildungsarbeit an den Schulen immer noch eine zu untergeordnete Rolle. Hanns Ostermann wollte von Rüdiger Barney zunächst wissen: Welche Motive hatten Sie für Ihre Arbeit.
Hören Sie das ganze Interview mit Rüdiger Barney:

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