Elite-Universitäten und Nobelpreise - Wie exzellent ist der Wissenschaftsstandort Deutschland wirklich?
Deutsche Wissenschaftler in Jubelstimmung: Gleich zwei Nobelpreise für Deutschland, in Physik an Prof. Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich, in Chemie an Prof. Gerhard Ertl vom Fritz Haber Institut der Max Planck Gesellschaft in Berlin. Und seit letzter Woche können sich weitere sechs Hochschulen zur Elite zählen - sie wurden im Rahmen der Exzellenzinitiative ausgewählt. In beiden Fällen winkt den Ausgezeichneten ein Batzen Geld und viel Renommee.
So schlecht kann der Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland also nicht sein, oder?
Zumindest der frisch gekürte Nobelpreisträger Gerhard Ertl wird nicht müde, die deutsche Forschung zu loben: "Wir konnten schon immer mithalten, mit dem, was in andern Ländern gemacht wird, auch in den USA."
Das hat der heute 71-jährige Physiker mit seinen Forschungen bewiesen, am 10. Dezember wird er in Stockholm für seine "Studien von chemischen Prozessen auf Festkörperoberflächen" ausgezeichnet, sie kamen Neuerungen wie zum Beispiel dem Katalysator zugute. Der Forscher kennt die internationale Wissenschaftsszene bestens: Er lehrte Physikalische Chemie an mehreren deutschen Universitäten, übernahm verschiedene Gastprofessuren in den USA, von 1986 bis 2004 leitete er das Fritz Haber Institut in Berlin. Seit drei Jahren ist er emeritiert, arbeitet aber nach wie vor täglich im Institut "Ein Forscher hört nicht auf zu forschen", 2008 will er zwei neue Bücher veröffentlichen.
Der weißhaarige Professor, der den plötzlichen Rummel mit Gelassenheit über sich ergehen lässt, hofft, dass dem aktuellen Jubel seitens der Politiker langfristig auch Taten folgen – nämlich mehr Unterstützung für die Wissenschaft.
Auch die Auswahl der Elite-Universitäten, sieht er zurückhaltend, 20 Millionen Euro Finanzspritze pro Universität beeindrucke vielleicht Außenstehende:
"So viel Geld ist das gar nicht, eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Grunde kriegen die Universitäten nur das zurück, was man ihnen vorher genommen hat. Man sollte das immer in Relation zum Gesamtetat sehen. Exzellenzinitiative heißt ja auch nicht nur Geld, sondern dass genügend gute Leute da sind."
Prof. Richard Münch ist weniger zurückhaltend, wenn es um die Kritik an der Förderpolitik für Wissenschaft und Forschung geht. Der streitbare Soziologe von der Universität Bamberg hält die Exzellenzinitiative, mit der ausgewählte Universitäten zu Leuchttürmen der Wissenschaft gemacht werden sollten, für höchst problematisch:
"Gesellschaftlich gesehen, steht dahinter der globalisierte Wettbewerb. Man versteht die Universitäten als Unternehmen, die mit den führenden amerikanischen Universitäten konkurrieren müssen. Aber es sind nicht die Universitäten, es sind die Forscher, die zählen! Und die sind verteilt über das ganze Land. Was man jetzt macht, dass man Universitäten auszeichnet, die sehr unterschiedliche Forscher haben, das macht die einen sichtbar, aber die anderen bleiben unsichtbar. Das ist keine gute Entwicklung."
Diese Entwicklung hin zu einem "akademischen Kapitalismus" skizziert er in seinem aktuellen Buch" Die akademische Elite", das gerade in der Edition Suhrkamp heraus gekommen ist.
Seine Überzeugung: "Mehr Geld beseitigt nicht lähmende Strukturen, sondern verfestigt sie sogar." Durch die Exzellenzinitiative werde der wichtige Wettbewerb unter den Universitäten verhindert. Keine Hochschule – auch nicht die als Elite-Universitäten ausgezeichneten – seien auf allen Gebieten gleich gut oder gar exzellent, die Auswahl verfälsche das Gesamtbild.
Seine Forderung:
"Wir müssen einen ausreichenden Wettbewerb bewahren, eine ausreichende Zahl an Standorten. Wir dürfen eben nicht das tun, was jetzt getan wird: Hier Leuchttürme, da Universitäten im zweiten Glied. Das schränkt den Wettbewerb ein. Wir müssen den Blick auf die Träger der Forschung richten. Und das sind die Forscher selbst!"
"Was braucht die Wissenschaft in Deutschland und wozu braucht Deutschland die Wissenschaft?" Darüber diskutiert Dieter Kassel heute gemeinsam mit dem Chemie-Nobelpreisträger Gerhard Ertl und dem Soziologen Richard Münch. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 – 2254 oder per E-Mail gespraech@dradio.de.
Literaturhinweis:
Richard Münch: "Die akademische Elite". Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
Informationen im Internet:
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft
Zumindest der frisch gekürte Nobelpreisträger Gerhard Ertl wird nicht müde, die deutsche Forschung zu loben: "Wir konnten schon immer mithalten, mit dem, was in andern Ländern gemacht wird, auch in den USA."
Das hat der heute 71-jährige Physiker mit seinen Forschungen bewiesen, am 10. Dezember wird er in Stockholm für seine "Studien von chemischen Prozessen auf Festkörperoberflächen" ausgezeichnet, sie kamen Neuerungen wie zum Beispiel dem Katalysator zugute. Der Forscher kennt die internationale Wissenschaftsszene bestens: Er lehrte Physikalische Chemie an mehreren deutschen Universitäten, übernahm verschiedene Gastprofessuren in den USA, von 1986 bis 2004 leitete er das Fritz Haber Institut in Berlin. Seit drei Jahren ist er emeritiert, arbeitet aber nach wie vor täglich im Institut "Ein Forscher hört nicht auf zu forschen", 2008 will er zwei neue Bücher veröffentlichen.
Der weißhaarige Professor, der den plötzlichen Rummel mit Gelassenheit über sich ergehen lässt, hofft, dass dem aktuellen Jubel seitens der Politiker langfristig auch Taten folgen – nämlich mehr Unterstützung für die Wissenschaft.
Auch die Auswahl der Elite-Universitäten, sieht er zurückhaltend, 20 Millionen Euro Finanzspritze pro Universität beeindrucke vielleicht Außenstehende:
"So viel Geld ist das gar nicht, eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Grunde kriegen die Universitäten nur das zurück, was man ihnen vorher genommen hat. Man sollte das immer in Relation zum Gesamtetat sehen. Exzellenzinitiative heißt ja auch nicht nur Geld, sondern dass genügend gute Leute da sind."
Prof. Richard Münch ist weniger zurückhaltend, wenn es um die Kritik an der Förderpolitik für Wissenschaft und Forschung geht. Der streitbare Soziologe von der Universität Bamberg hält die Exzellenzinitiative, mit der ausgewählte Universitäten zu Leuchttürmen der Wissenschaft gemacht werden sollten, für höchst problematisch:
"Gesellschaftlich gesehen, steht dahinter der globalisierte Wettbewerb. Man versteht die Universitäten als Unternehmen, die mit den führenden amerikanischen Universitäten konkurrieren müssen. Aber es sind nicht die Universitäten, es sind die Forscher, die zählen! Und die sind verteilt über das ganze Land. Was man jetzt macht, dass man Universitäten auszeichnet, die sehr unterschiedliche Forscher haben, das macht die einen sichtbar, aber die anderen bleiben unsichtbar. Das ist keine gute Entwicklung."
Diese Entwicklung hin zu einem "akademischen Kapitalismus" skizziert er in seinem aktuellen Buch" Die akademische Elite", das gerade in der Edition Suhrkamp heraus gekommen ist.
Seine Überzeugung: "Mehr Geld beseitigt nicht lähmende Strukturen, sondern verfestigt sie sogar." Durch die Exzellenzinitiative werde der wichtige Wettbewerb unter den Universitäten verhindert. Keine Hochschule – auch nicht die als Elite-Universitäten ausgezeichneten – seien auf allen Gebieten gleich gut oder gar exzellent, die Auswahl verfälsche das Gesamtbild.
Seine Forderung:
"Wir müssen einen ausreichenden Wettbewerb bewahren, eine ausreichende Zahl an Standorten. Wir dürfen eben nicht das tun, was jetzt getan wird: Hier Leuchttürme, da Universitäten im zweiten Glied. Das schränkt den Wettbewerb ein. Wir müssen den Blick auf die Träger der Forschung richten. Und das sind die Forscher selbst!"
"Was braucht die Wissenschaft in Deutschland und wozu braucht Deutschland die Wissenschaft?" Darüber diskutiert Dieter Kassel heute gemeinsam mit dem Chemie-Nobelpreisträger Gerhard Ertl und dem Soziologen Richard Münch. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 – 2254 oder per E-Mail gespraech@dradio.de.
Literaturhinweis:
Richard Münch: "Die akademische Elite". Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
Informationen im Internet:
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft