Elektronische Welten

Sprit sparen durch virtuelles Training

LKW und Autos stehen auf der vollgesperrten Autobahn 7 bei Hannoversch Münden an der Landesgrenze von Niedersachsen und Hessen.
Ganz können Fahrsimulatoren die Erfahrung auf der Straße nicht ersetzen. Aber zur Schulung könnten sie reichen. © dpa picture alliance/ Julian Stratenschulte
Von Thomas Gith · 27.06.2014
Virtuelle Welten können unser tägliches Verhalten ändern. An der Technischen Universität Berlin haben Studierende getestet, ob LKW-Fahrer per Fahrsimulator spritsparendes Fahren lernen können.
Die Fahrerkabine des LKW ist in einem Container untergebracht - und der steht in der großen Halle eines Berliner Gewerbegebiets. Eckhart Müller von der Sifat Roadsafety GmbH geht durch die Halle, öffnet die im Container eingelassene Tür - und gelangt durch sie in die abgeschottete LKW Kabine.
Die ist ausgestattet mit Front- und Seitenscheiben, Fahrer- und Beifahrersitz, Gaspedal, Armaturenbrett.
"Wir haben jetzt hier eine original Mercedes-Kabine, mit originalen Bedienelementen, ob das das Lenkrad ist, die Feststellbremse, alle diese Bedienelemente finde ich im echten LKW wieder. Also es wurde hier eins zu eins eine Kabine verwendet. Und das kann ich alles hier nutzen wie in echt."
Eckhart Müller startet den LKW. Vor der Frontscheibe ist jetzt eine Landstraße zu sehen, über die er den LKW lenkt. Durch die Seitenfenster blickt man links und rechts auf grüne Wiesen. Die Bilder werden von einem Computer auf Leinwände vor den Scheiben projiziert. Es scheint so, als ob der LKW tatsächlich fährt. Auch, weil das Computerprogramm die Umgebung dem Fahren entsprechend anpasst.
"Wir fahren jetzt hier außerorts, also über eine Landstraße, und in der Ferne sehe ich jetzt schon die erste Ortschaft. Vor der Ortschaft rechtzeitig vom Gas gehen, Geschwindigkeit reduzieren durch die Motorbremse und dann rolle ich in die Ortschaft rein mit entsprechend 50 Km/h und kann dann konstant weiterfahren."
Zeit sparen durch Simulation
Das Rollen lassen gehört zum spritsparenden Fahren. Das Fahrgefühl in der Kabine ist dabei sehr echt. Auch, weil die Sitze schaukeln, wenn der LKW über eine unebene Strecke fährt. Bei die Schulung zum spritsparenden Fahren ist das gewünscht, sagt Klaus Haller, Geschäftsführer der Sifat GmbH. Seine Firma bietet kommerzielle Schulungen im Simulator an:
"Man kann natürlich beim Fahren trainieren. Das heißt, ein Fahrlehrer fährt mit über eine Strecke und sagt dem Fahrer, was er zu tun hat. Aber hier sind sie mindestens eine Stunde, wenn nicht gar vier Stunden unterwegs. Das heißt, wir können hier in zwei mal zehn Minuten, was im konventionellen Fahrzeug Stunden dauert, eben realisieren."
Im Containerteil neben der LKW-Kabine sitzt der Fahrlehrer vor mehreren Monitoren. Auf ihnen sieht er die Landstraße samt fahrendem LKW. Über eine Kamera kann er den Fahrer beobachten und ein weiterer Bildschirm präsentiert ihm die Fahrdaten: Also Geschwindigkeit, Spritverbrauch, Bremsmanöver.
Eckhart Müller steuert den LKW mittlerweile durch ein größeres Dorf. Als er am Ortsrand ankommt, erteilt ihm Klaus Haller Fahranweisungen übers Mikrofon:
"Hier wieder zügig beschleunigen, den Verkehr auf der Hauptstraße beobachten, bitte Geschwindigkeit kontrollieren und das Fahrzeug gleiten lassen."
Das Fahrzeug schnell auf die gewünscht Geschwindigkeit zu beschleunigen, spart Kraftstoff: Der LKW kann dann wegen seines Gewichts lange ausrollen. Auch vorausschauendes Fahren ist wichtig: Häufig lässt es sich dadurch vermeiden, unnötig zu bremsen - vor einem Kreisverkehr etwa.
Müller: "Der Vorteil ist, jedes Mal, wenn das Fahrzeug steht, müsste ich es von null an beschleunigen. Das kostet immens Kraftstoff. Entsprechend heißt es immer, vorausschauend fahren und versuchen, das Fahrzeug in Bewegung zu halten."
Der Fahrer dreht im Simulator zunächst eine Runde, ohne auf den Verbrauch zu achten. Anschließend fährt er spritsparend. Im studentischen Forschungsprojekt der TU Berlin wurde unter wissenschaftlicher Anleitung untersucht, wie viel Kraftstoff sich so auf einer 100 Kilometer langen Strecke sparen lässt - ob der Trainingseffekt in Simulatoren also gelingt. 15 LKW-Fahrer beteiligten sich, erzählt Cornelia Lüderitz vom Fachgebiet für Mensch-Maschine-Systeme der TU Berlin:
"In der ersten Studie wurde halt untersucht, wie der Kraftstoffverbrauch einmal auf der Landstraße und einmal im Stadtverkehr ist. Und dabei kamen zum Beispiel solche Unterschiede heraus, wie in Stadtfahrten kann man fünf Liter einsparen oder auch auf Landstraßen waren das 4,7 Liter. Also solche Differenzen kamen dabei heraus. Das sind dann auf die Gesamtfahrt betrachtet schon 21 Prozent Kraftstoff, den man einsparen kann."
Begrenzte Aussagekraft durch geringe Teilnehmerzahl
Wegen der kleinen Teilnehmerzahl sind die Ergebnisse nur begrenzt aussagekräftig. Ein erstes Indiz für den Trainigseffekt sind sie allerdings. In einer weiteren Untersuchung soll analysiert werden, ob sich dieser Effekt auch auf reale LKW-Fahrten übertragen lässt. Ein Nachteil wurde in der Studie ebenfalls deutlich: Bei einigen Fahrern kam es zur so genannten Simulatorkrankheit.
Lüderitz:"Also oft kommt es bei älteren Fahrern vor, das ihnen schwummrig bis hin zu schlecht wird. Das geht aber meistens mit der Zeit weg, das ist ja auch so ein Gewöhnungseffekt erst mal, der da eintreten muss an den Simulator. Es kann natürlich aber eben auch vorkommen, dass es Personen gibt, denen wirklich richtig schlecht wird im Simulator. Das muss man auch berücksichtigen."
Die Gründe dafür sind noch unklar. Möglicherweise sind es die simulierten Umweltreize, die vom wirklichen Erleben etwas abweichen - und dadurch die Wahrnehmung irritieren. Bei der Fahrt mit Eckhart Müller wird das ebenfalls deutlich: Die Simulation wirkt zwar oft echt, hat aber Grenzen:
"Ja, man muss sich an die Grafik gewöhnen. Ansonsten kann man das schon sehr gut vergleichen, auch mit der Lenkung. Was wir nicht hier haben sind Gehkräfte. Das heißt, in der Kurve wird der Oberkörper nicht zur Seite gedrückt, das schafft kein Simulator."
Spritsparendes Fahren lässt sich im Simulator also üben - auch wenn der eine echte LKW-Fahrt zwar gut, aber eben nur begrenzt vortäuschen kann.