Elektronische Welten

Smart Home in Hildesheim

Smart Home - im "Schlauen Zuhause" wird nahezu alles über einen Computer gesteuert.
Smart Home - im "Schlauen Zuhause" wird nahezu alles über einen Computer gesteuert. © picture alliance / dpa / Uli Deck
Von Michael Engel · 31.07.2014
Ein hellblaues Haus mit weit ausladenden Balkonen auf beiden Seiten - ein Wohnprojekt mit einer luftigen Note. Es ist schick und modern und vor allem voll elektronisch gesteuert - für die Bewohner eine Herausforderung.
Ein bisschen sticht der viergeschossige Neubau schon ins Auge: Weit ausladende Balkone auf beiden Seiten, die dem hellgelben Haus eine luftige Note verleihen. Es ist der Anfang eines Wohnprojektes mit insgesamt drei Häusern und 48 Familien, die weitgehend autark mit erneuerbaren Energien versorgt werden sollen: Nach Angaben des Investors das größte Smart-Home-Projekt in Europa. Ohne Computer ist das alles natürlich nicht möglich. Sie regeln die Temperatur und setzen auch die Waschmaschine in Gang. Wie die Bewohner damit klar kommen?
"Nacht - ist klar. Frostschutz - ist mir auch klar. Dass die Jalousien geöffnet und geschlossen werden, ist mir klar. Beleuchtung ein/aus - auch. Aber jetzt sagen Sie mir mal, was ich weiter machen soll ?"
Ein bisschen hilflos wirkt Senta Humbach schon, wenn sie vor dem Monitor im Flur ihrer Wohnung steht. Noch! Der Bildschirm ist die Steuerungszentrale in ihrer neu bezogenen High-Tech-Wohnung. Von hier aus kann sie nicht nur die Heizung, Jalousien und Licht steuern, sondern auch die Waschmaschine, Fenster, sogar Kühlschrank und Herd. Nur: Senta Humbach ist 77 und mit Computern hat sie es eigentlich nicht so.
"Und da ich das nicht kann, hab ich mir ja schon mal überlegt, dass ich einen Kurs an der Volkshochschule jetzt machen möchte zum Herbst. Damit ich mich ein ganz klein wenig in diese Materie einarbeiten kann."
Die Seniorin hofft darauf, dass ihr die Elektronik vor allem beim Älterwerden hilft: Mit Sensoren im Teppichboden zum Beispiel, die einen Sturz melden könnten. 16 Familien finden Platz in dem hochmodernen Haus. Mit 230.000 Euro pro Wohnung zwar nicht gerade ein Schnäppchen, doch für den Investor - der HanseaticGroup - war es überhaupt kein Problem, den Smart-Home-Luxus unter die Leute zu bringen.
Mit einem Abendkurs auf den aktuellen Stand
Thomas Malezki: "Und zwar zieht sich das auch über alle Altersschichten. Es ist nicht nur die jüngere Generation, die das anspricht, sondern auch die ältere Generation, weil ich auf Wunsch eben auch die Möglichkeit habe, selbst medizinische Überwachung über dies System anschließen zu können, so dass ich im Argument des Verkaufes eben alle Altersschichten anspreche."
Was das Bauwerk so besonders macht, zeigt sich bei der Energieversorgung: Ein Blockheizkraftwerk in Sichtweite soll die Bewohner autark machen. Durch Biogas. Das Dach liefert Solarstrom, der in einer Akkuladestation im Keller gespeichert werden kann. Ein Zentralrechner im Haus steuert das Ganze, erklärt Prof. Helmut Lessing von der Uni Hildesheim.
"Das Ziel ist auf jeden Fall, dass wir Angebot und Nachfrage in eine ökonomisch sinnvolle Balance bringen. Und wir wissen das im Augenblick nicht. Also wie viel Photovoltaik brauchen wir für wieviel Wohnungen. Wieviel Batteriespeicher brauchen wir für Photovoltaik. Und wie viele Elektroautos können wir damit sekundär versorgen, um CO2-neutral, autark durch's Jahr zu kommen."
Zwei weitere Häuser sollen bald folgen, um all die Fragen noch besser beantworten zu können. Mit 48 Wohneinheiten wäre es das größte Smart-Home-Wohngebiet in Europa - wissenschaftlich begleitet durch die Uni Hildesheim - gefördert vom Bundesforschungsministerium mit 800.000 Euro. Auch die Mobilität gehört zum Konzept. Im Foyer geht es direkt zu den Pedelecs.
"Man kann sagen, das ist so ein "Ersatzkeller" - für jede Wohnung ein Raum. Und in diesem Raum kann man auf ebener Fläche Elektrobyces anschließen. Hier steht so ein Elektrobike. Und jeder Raum hat so eine Steckdose, wo dann halt so diese Fahrräder mit Strom versorgt werden."
CO2-neutral und autark - betont der Energieprofessor wiederholt - und zeigt dabei auf einen Carport vor dem Haus. Dort entstehen gerade zwei Ladestationen für Elektroautos, die über ein Car-Sharing-Konzept allen Bewohnern und darüber hinaus sogar den Nachbarn in den umliegenden Häusern zur Verfügung stehen sollen. Britta Reinecke - Sozialforscherin der Uni Hildesheim - hat sich unter den Nachbarn umgehört und 240 Familien befragt.
"Und es hat sich gezeigt, dass es bei der Smart-Home-Technologie so ist, dass der Nutzen recht hoch eingeschätzt wird im Allgemeinen, aber der Wunsch danach aber dann doch geringer ist. Der Wunsch danach, diese Technologien persönlich zu besitzen. Also der größte Nutzen wird zum Beispiel einem Notrufschalter für den ärztlichen Notdienst zugesprochen. Der Wunsch allerdings ist am größten nach einer Übersicht über den Energieverbrauch, weil man das eben dann nutzen würde, um aktiv Energie zu sparen."
Noch immer versucht sich Senta Humbach am Touch-Screen im Flur. Wenn sie den Hauscomputer erstmal beherrst, kann sie ihre Waschmaschine auch so programmieren, dass sie sich nur dann einschaltet, wenn das hauseigene Kraftwerk besonders billigen Strom liefert. Nur ihren Jaguar vor der Tür, den möchte die 77-Jährige nicht gegen ein Batterie betriebenes Ökoauto eintauschen.
"Ich gehe auch mal gerne zu Fuß in die Stadt und brauche den Wagen eigentlich nur, um größere Strecken zu fahren - möchte unabhängig sein."
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