Elektronisch gesteuerte Geisterschiffe
Österreich ist Weltmeister - zumindest im Roboter-Segeln. Das österreichische Team konnte sich bei der ersten WM in der unbemannten und computergesteuerten Bootsklasse gegen die Konkurrenz durchsetzen. Jetzt steht die nächste Herausforderung an: Die unbemannte Überquerung des Atlantiks.
Es regnet in Strömen - kein optimales Wetter für eine Schiffsausfahrt. Zwei Männer im Ölzeug machen dennoch eine kleine Jolle segelklar. Das Besondere daran ist:
"dass auf dem Boot keine Crew ist und das Boot von ganz alleine fährt und wir an Land sitzen und zuschauen. Also wir sitzen im Trockenen. Wie geht das? An Bord sind mehrere Mikrocontroller, ein Computer und zahlreiche Sensoren. Und das Schiff misst den Wind, seine Position seine Richtung, weiß einen Zielpunkt, zu dem es hin soll, eine Richtung und berechnet sich von alleine den passenden Kurs, um zu diesem Punkt zu kommen."
Erklärt Raphael Charwot von der Österreichischen Gesellschaft für innovative Computerwissenschaft, kurz "Innoc". Ort der Szene: Der Yachtclub Breitenbuch am Neusiedler See, rund 60 Kilometer östlich von Wien.
Auf dem kleinen Schiff ziehen sich Kabelbündel übers Deck. Im Cockpit, wo normalerweise der Steuermann an der Pinne sitzt, befindet sich ein Solarpanel.
Wie von Geisterhand bewegt, stellt sich das Ruder erst nach rechts, dann nach links, bevor es auf die Mittelposition zurückfährt. Alles geht vollautomatisch an Bord der kleinen Jolle mit der Aufschrift "AVS Robot" – eines von vier Schiffen der ersten Weltmeisterschaften im Roboter-Segeln. Und das ist eine knifflige technische Herausforderung. Segelboote bewegen sich ausschließlich mit der Kraft des Windes fort - und dies manchmal sogar in die Richtung, aus der der Wind bläst. Innoc-Präsident Roland Stelzer:
"Das heißt: Wenn das Ziel gegen den Wind ist, dann muss ich einfach im Zick-Zack-Kurs aufkreuzen. Und da berechnet unser System anhand der Daten, die wir vorher eingeben, auf welchem Kurs zum Wind es wie schnell fahren kann. Da berechnet es die optimale Route, die Punkte, wo es wenden muss auf diesem Zickzackkurs."
Das 'Herz' des Schiffes ist ein Linux-Rechner, der mit einer Fülle von Sensoren und elektrischen Stellmotoren verbunden ist. Die verändern Segel- und Ruderstellung, während die Sensoren die Windgeschwindigkeit ermitteln, aber auch die Schräglage des Schiffes und die strömungsbedingte Abdrift. Über einen Kompass und einen GPS-Empfänger kennt der Computer die aktuelle Position.
Dennoch ist guter Rat teuer: Wie sieht bei einer gegebenen Windrichtung und einem vorgegebenen Kurs die optimale Segelstellung aus? Darüber streiten sich selbst erfahrene Regatta-Segler. Roland Stelzer:
"Wir haben einfach versucht, das nachzubilden, was der Segler für Entscheidungen trifft. Die Hauptmethode, die wir da verwenden, ist 'fuzzy logic.' Und 'fuzzy logic' ist eine Möglichkeit, wie man Expertenwissen in ein Computerprogramm verpacken kann. Also vereinfacht gesagt: So 'wenn-dann'-Regeln kann man in eine Art Programmiersprache übersetzen, und der Computer wird mit diesen Informationen gefüttert. Also wenn der Segler sagt: Wenn der Wind von hier kommt und die Segel so sind, dann muss ich das Segel ein bisschen dichter nehmen und das Ruder ein wenig nach links einschlagen."
Damit wäre so ein segelnder Roboter auf dem Neusiedler See immerhin so gut wie der erfahrene Segler, dessen Erfahrungen in das Programm eingeflossen sind. Zukünftig soll der Roboter aber sogar noch besser segeln können:
"Es gibt da Algorithmen mit diesem Expertenwissen. Das ist einmal eine gute Basis. Und dann mit anderen Algorithmen oder neuronalen Netzwerken, das sind dann lernfähige Systeme, die sich selbst optimieren. Und wenn da mal eine Wende nicht so gut geklappt hat, versucht es das ein bisschen zu verändern und optimiert dann selbst noch weiter."
Solche neuen Technologien dienen nicht nur dem Ehrgeiz der Mannschaften, die bei der WM am Neusiedler See dabei sind. José Carlos Alwes vom Team der portugiesischen Universität Porto:
"Wir können unsere Erfahrungen auch dazu nutzen, automatische Schiffe zu bauen, die auf lange Distanzen verkehren, beispielsweise über den Atlantik, und das völlig autonom. Denkbar wären auch unbemannte Forschungsschiffe, die für lange Zeit unterwegs sind, um in den entfernten Winkeln Daten zu sammeln. Wir haben genügend Platz in diesen Schiffen, um Messsonden für die Missionen einzubauen."
Eine letzte Funktionskontrolle vor dem Auslaufen der "AVS Robot": Der Rechner wird hochgefahren; das Segel ist bereits gesetzt. Ein kurzer Schubs - und die kleine Jolle segelt scheinbar wie von Geisterhand bewegt selbständig aus dem Hafen.
Nur die ersten Meter, beim "Ausparken" aus dem Liegeplatz, wird die kleine Jolle ferngesteuert. Doch nur wenig später findet sie selbständig ihren Weg hinaus, auf den See, erklärt Roland Stelzer:
"Aus dem Hafen raus fährt das Boot jetzt selbst. Wir ziehen quasi einen Wegpunkt vor dem Boot her, so wie die Karotte vor dem Esel. Und das Boot versucht immer, diesen Wegpunkt zu erreichen. Wir haben eine Luftaufnahme vom Hafen und können am Computer immer den Wegepunkt vor dem Boot platzieren, es damit aus der Hafenausfahrt rausziehen. Und das Boot folgt dann immer dem Wegepunkt – und dann sind wir draußen."
In diesem Fall bleibt die kleine Jolle 24 Stunden auf dem Wasser. Alle teilnehmenden Schiffe müssen sich im Dauertest bewähren, beispielsweise stundenlang in engem Radius um eine Boje herumsegeln. In einem weiteren Wettbewerb zählt die Geschwindigkeit.
Nach einer Woche steht fest: Die österreichische Mannschaft hat all diese Aufgaben am besten gemeistert und kann sich über den WM-Titel freuen. Nun winkt eine neue, noch anspruchsvollere Aufgabe: Die Überquerung des Atlantiks – mit einem unbemannten Segelschiff.
"dass auf dem Boot keine Crew ist und das Boot von ganz alleine fährt und wir an Land sitzen und zuschauen. Also wir sitzen im Trockenen. Wie geht das? An Bord sind mehrere Mikrocontroller, ein Computer und zahlreiche Sensoren. Und das Schiff misst den Wind, seine Position seine Richtung, weiß einen Zielpunkt, zu dem es hin soll, eine Richtung und berechnet sich von alleine den passenden Kurs, um zu diesem Punkt zu kommen."
Erklärt Raphael Charwot von der Österreichischen Gesellschaft für innovative Computerwissenschaft, kurz "Innoc". Ort der Szene: Der Yachtclub Breitenbuch am Neusiedler See, rund 60 Kilometer östlich von Wien.
Auf dem kleinen Schiff ziehen sich Kabelbündel übers Deck. Im Cockpit, wo normalerweise der Steuermann an der Pinne sitzt, befindet sich ein Solarpanel.
Wie von Geisterhand bewegt, stellt sich das Ruder erst nach rechts, dann nach links, bevor es auf die Mittelposition zurückfährt. Alles geht vollautomatisch an Bord der kleinen Jolle mit der Aufschrift "AVS Robot" – eines von vier Schiffen der ersten Weltmeisterschaften im Roboter-Segeln. Und das ist eine knifflige technische Herausforderung. Segelboote bewegen sich ausschließlich mit der Kraft des Windes fort - und dies manchmal sogar in die Richtung, aus der der Wind bläst. Innoc-Präsident Roland Stelzer:
"Das heißt: Wenn das Ziel gegen den Wind ist, dann muss ich einfach im Zick-Zack-Kurs aufkreuzen. Und da berechnet unser System anhand der Daten, die wir vorher eingeben, auf welchem Kurs zum Wind es wie schnell fahren kann. Da berechnet es die optimale Route, die Punkte, wo es wenden muss auf diesem Zickzackkurs."
Das 'Herz' des Schiffes ist ein Linux-Rechner, der mit einer Fülle von Sensoren und elektrischen Stellmotoren verbunden ist. Die verändern Segel- und Ruderstellung, während die Sensoren die Windgeschwindigkeit ermitteln, aber auch die Schräglage des Schiffes und die strömungsbedingte Abdrift. Über einen Kompass und einen GPS-Empfänger kennt der Computer die aktuelle Position.
Dennoch ist guter Rat teuer: Wie sieht bei einer gegebenen Windrichtung und einem vorgegebenen Kurs die optimale Segelstellung aus? Darüber streiten sich selbst erfahrene Regatta-Segler. Roland Stelzer:
"Wir haben einfach versucht, das nachzubilden, was der Segler für Entscheidungen trifft. Die Hauptmethode, die wir da verwenden, ist 'fuzzy logic.' Und 'fuzzy logic' ist eine Möglichkeit, wie man Expertenwissen in ein Computerprogramm verpacken kann. Also vereinfacht gesagt: So 'wenn-dann'-Regeln kann man in eine Art Programmiersprache übersetzen, und der Computer wird mit diesen Informationen gefüttert. Also wenn der Segler sagt: Wenn der Wind von hier kommt und die Segel so sind, dann muss ich das Segel ein bisschen dichter nehmen und das Ruder ein wenig nach links einschlagen."
Damit wäre so ein segelnder Roboter auf dem Neusiedler See immerhin so gut wie der erfahrene Segler, dessen Erfahrungen in das Programm eingeflossen sind. Zukünftig soll der Roboter aber sogar noch besser segeln können:
"Es gibt da Algorithmen mit diesem Expertenwissen. Das ist einmal eine gute Basis. Und dann mit anderen Algorithmen oder neuronalen Netzwerken, das sind dann lernfähige Systeme, die sich selbst optimieren. Und wenn da mal eine Wende nicht so gut geklappt hat, versucht es das ein bisschen zu verändern und optimiert dann selbst noch weiter."
Solche neuen Technologien dienen nicht nur dem Ehrgeiz der Mannschaften, die bei der WM am Neusiedler See dabei sind. José Carlos Alwes vom Team der portugiesischen Universität Porto:
"Wir können unsere Erfahrungen auch dazu nutzen, automatische Schiffe zu bauen, die auf lange Distanzen verkehren, beispielsweise über den Atlantik, und das völlig autonom. Denkbar wären auch unbemannte Forschungsschiffe, die für lange Zeit unterwegs sind, um in den entfernten Winkeln Daten zu sammeln. Wir haben genügend Platz in diesen Schiffen, um Messsonden für die Missionen einzubauen."
Eine letzte Funktionskontrolle vor dem Auslaufen der "AVS Robot": Der Rechner wird hochgefahren; das Segel ist bereits gesetzt. Ein kurzer Schubs - und die kleine Jolle segelt scheinbar wie von Geisterhand bewegt selbständig aus dem Hafen.
Nur die ersten Meter, beim "Ausparken" aus dem Liegeplatz, wird die kleine Jolle ferngesteuert. Doch nur wenig später findet sie selbständig ihren Weg hinaus, auf den See, erklärt Roland Stelzer:
"Aus dem Hafen raus fährt das Boot jetzt selbst. Wir ziehen quasi einen Wegpunkt vor dem Boot her, so wie die Karotte vor dem Esel. Und das Boot versucht immer, diesen Wegpunkt zu erreichen. Wir haben eine Luftaufnahme vom Hafen und können am Computer immer den Wegepunkt vor dem Boot platzieren, es damit aus der Hafenausfahrt rausziehen. Und das Boot folgt dann immer dem Wegepunkt – und dann sind wir draußen."
In diesem Fall bleibt die kleine Jolle 24 Stunden auf dem Wasser. Alle teilnehmenden Schiffe müssen sich im Dauertest bewähren, beispielsweise stundenlang in engem Radius um eine Boje herumsegeln. In einem weiteren Wettbewerb zählt die Geschwindigkeit.
Nach einer Woche steht fest: Die österreichische Mannschaft hat all diese Aufgaben am besten gemeistert und kann sich über den WM-Titel freuen. Nun winkt eine neue, noch anspruchsvollere Aufgabe: Die Überquerung des Atlantiks – mit einem unbemannten Segelschiff.