Eleganter Boulevard

Von Stefan Keim |
Elfen tanzen im Mondlicht, während die Hauptfiguren in einer Stretchlimousine einfahren. In der Inszenierung von Rebekka Kricheldorfs Variante von Shakespeares "Sommernachtstraum" geht es den Protagonisten in der Kasseler Karlsaue vor allem um eines - sie wollen Party machen.
Hinter den Büschen leuchten die Kleider der Elfen. Sie tanzen im Mondschein, als wäre Max Reinhardt aus dem Grabe gestiegen und hätte in der Kasseler Karlsaue höchstselbst noch einmal einen "Sommernachtstraum" inszeniert. Doch näher betrachtet sehen die Elfen doch nicht ganz so aus wie aus einem Bilderbuch. Die S-Klasse, der Seniorenclub des Kasseler Staatstheaters, hüpft hier einher in hinreißenden Kostümen und gibt der Shakespeare-Aufführung eine ganz eigene Note.

"Ein Sommernachtstraum" im Wald - da liegt es nahe, auf Effekte zu setzen. Das tut Regisseur Volker Schmalöer auch nicht zu knapp. Theseus und Gattin Hippolyta fahren in einer Stretchlimousine ein - wie König Etzel es jahrelang bei den "Nibelungen-Festspielen" in Worms tat. Sie wollen Party machen, deshalb sitzt auch ein blonder Alleinunterhalter in der Ecke. Die Liebespaare sind zunächst mäßig sympathische Kinder reicher Eltern, die auf einem Podium vor sich hin tanzen. Nebenan auf einem Kirmeskarussell lungern die Handwerker herum. Schmalöer zeigt sie als Ansammlung skurriler Gestalten, die jedoch den Klamauk nicht übertreiben. Vor allem Uwe Steinbruch als Klaus Zettel und Andreas Beck als Franz Flaut entwickeln auch zarte Töne.

Rebekka Kricheldorf, in deren Stücken Märchen und Mythen oft eine große Rolle spielen, hat den "Sommernachtstraum" neu übersetzt. Sie schreckt vor derben Scherzen und Worten nicht zurück. Oberon begrüßt Feenkönigin Titania als "Schlampe" und Puck findet die Menschen schlicht "bescheuert". Aber Kricheldorf bedient auch die Reime und schafft hier eine leicht-lockere Synthese shakespeareschen Wortwitzes mit heutigem Sprachgebrauch. Ein Beispiel: Oberon zürnt mit Puck, als er den falschen Menschen den Saft des Begehrens in die Augen geträufelt hat: "Du Trottel hast den falschen Kerl beschmiert und eine echte Liebe ruiniert, statt eine schiefgelauf'ne neu zu knüpfen." Pucks Antwort: "Pech. Die von einer schnell zur andren hüpfen sind weltweit eh die in der Überzahl." Das spricht und hört sich gut, löst Lacher aus, ist eleganter Boulevard wie man ihn nicht zu oft in Deutschland sieht.

Natürlich steckt in Shakespeares Komödie viel mehr. Doch nachts im Wald ist es angenehm, mal keinen Sommernachtsalbtraum serviert zu bekommen und sich mit psychoanalytischen Thesen auseinandersetzen zu müssen. Da sind die zerstrittenen Liebespaare eben schnell wieder geheilt und alles löst sich auf in Friede, Freude, Elfenkuchen. Aljoscha Langel spielt mit grün geschminktem Gesicht und keckerndem Lachen Puck als Waldkobold im Stile eines Puckmuckl. Wobei Hans-Werner Leupelt als Oberon nicht den Meister Eder gibt, sondern einen kleinen Walddiktator mit putzigen Hörnchen. Die Aufführung macht einfach Spaß, ist handwerklich solide, teilweise liebevolle Unterhaltung in überwältigender Kulisse.

Service

Weitere Aufführungen vom Staatstheater Kassel gibt es fast täglich bis 19. Juli 2009.