Elbphilharmonie

Niemand wird in 20 Jahren von den Kosten reden

Die Elbphilharmonie am 28. November 2016 im Hafen in Hamburg.
Prägt das Hamburger Stadtbild: die Elbphilharmonie © imago/Manngold
Von Hans Dieter Heimendahl · 14.01.2017
Der Bau der Hamburger Elbphilharmonie war viel zu teuer und zuweilen schauderhaft fehlgesteuert – doch unterm Strich hat es sich gelohnt. Nicht nur wegen der akustischen Brillanz des Konzertsaals, meint Hans Dieter Heimendahl.
Ein Konzertsaal ohne Konzerte ist ein Schatten seiner selbst, ungefähr so wie eine Möwe an Land. Das hat nun ein Ende. Nun kann die Elbphilharmonie sich endlich als das entfalten, was sie sein möchte, was sie sein kann: als ein Konzertsaal ersten Ranges, der ein besonderes gemeinsames Musikerlebnis ermöglicht, als ein architektonisches Individuum, das die Erlebnisdimension von städtischem Raum erweitert und neu prägt und als ein Wahrzeichen der Stadt, die sich mit dem aufragenden Wellenkristall auf dem alten Speicher an der Elbe als Bürgergesellschaft mit einer anderen Identität als nur der von Hafen und Handel darstellt.
Noch muss die Elbphilharmonie allerdings mit zwei Flecken auf ihrer Weste leben, mit zwei Ölklumpen in ihrem Gefieder, die sich auswachsen müssen, bis ihr Höhenflug gelingen kann.

Symbol für öffentliches Missmanagement

Misst man den Bau von heute an der Kalkulation vom Anfang, bei der die öffentliche Hand nicht mehr als 77 Millionen Euro beitragen und der Rest von privaten Förderern geschultert werden sollte, versteht man, wie er zum Symbol für öffentliches Missmanagement werden konnte. Nun hat er die Steuerzahler 789 Millionen gekostet. Einige dieser Steuerzahler tragen dem Gebäude diesen Aufwand nach. Verständlich.
Damit ist man schnell beim zweiten Fleck: Da ist viel Geld, sehr viel Geld in einen Tempel der Hochkultur gesteckt worden. Soll man das tun? Darf man das tun? Diese Debatte führen wir immer wieder, aber es ist auch richtig, dass öffentliche Investitionen sich nach ihrem Sinn befragen lassen müssen.
Der gesellschaftliche Wert eines Kunstraumes wie der Elbphilharmonie ist zwar immateriell, aber greifbar. Als Gebäude eröffnet es unserem Verständnis von urbanem Leben einen neuen Horizont. Nicht von Ungefähr sind so ziemlich alle Menschen, die es erkunden, erstaunt, beschäftigt, begeistert. So die Stimmen von den Fensterputzern bis zu den Containerkranführern. Und sie beginnen darüber zu sprechen, sich darüber auszutauschen und ihr Verständnis von ihrer Stadt zu verändern.

Man muss die Konsequenz des Hamburger Senats loben

Gebäude wie die Elbphilharmonie, die architektonisch und in ihrer Dimension eine ganze Stadt prägen, wie sonst nur von Fürsten oder sehr entschlossenen Bürgern veranlasste öffentliche Großbauten, entstehen heute kaum noch. Wir sind im Zeitalter der sparsamen und funktionalen Lösungen angekommen – nicht zum Wohle unserer Stadtbilder. Man muss die Konsequenz des Hamburger Senats loben, den eingeschlagenen Weg zu Ende gegangen zu sein.
Schließlich das Erste zuletzt: die Musik. Wie drückt man aus, was Musik mit uns zu machen vermag? Die Architekten der Elbphilharmonie haben Musik als den Übergang vom irdischen Boden zur leuchtend-gläsernen Welle, in der sich die Wolken spiegeln, architektonisch-metaphorisch gefasst. Das ist doch ein schönes Bild.
Wir erleben und spiegeln uns in Musik, werden mal traurig, mal froh, mal beschwingt, mal ernst, mal emotional geläutert und mal mit Sinnüberschuss erleuchtet. Wir reflektieren unser Leben als Individuen wie als Gesellschaft in diesem Gegenüber und werden – ja, was? Vielleicht ein bisschen bessere Menschen, vielleicht nur Menschen, die besser ertragen, was zu ertragen ist, vielleicht ein bisschen von beidem. Das ist doch was.

Ganz Hamburg soll teilhaben

Die Verantwortlichen der Elbphilharmonie – Intendant, Stadt und NDR – tun, was sie können, um ganz Hamburg daran teilhaben zu lassen. Sie holen Musik jeder Art ins Haus und sorgen für so bekömmliche Preise, dass jeder, der möchte, es sich leisten kann, den neuen Kultur- und Schauplatz am Fluss kennenzulernen.
So wie die Möwe erst in der Luft ihre Flugkünste zeigen kann, wird die Elbphilharmonie im Konzertbetrieb mit musikalischen und architektonischen Erfahrungen dafür sorgen, dass in zehn, spätestens in 20 Jahren niemand mehr von den hohen Kosten redet, sondern von dem Gebäude, von der Aussicht auf den Fluss und die Stadt – und von der Musik.

Hans Dieter Heimendahl ist Wellenchef von Deutschlandradio Kultur.






Dr. Hans Dieter Heimendahl - Leiter HA Kultur Deutschlandradio Kultur
© ©Deutschlandradio-Bettina Straub
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