"Eklatantes Versagen"

Moderation: André Hatting · 16.04.2013
Vor der Abstimmung im EU-Parlament über den Emissionshandel in Europa hat Jürgen Trittin, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Grünen, der Bundesregierung "eklatantes Versagen" beim Klimaschutz vorgeworfen. Die Zahl der Emissionszertifikate müsse künstlich verknappt werden.
André Hatting: Klimarettung gibt es nicht umsonst. Wenn man Gebäude energetisch sanieren, Projekte zur Speicherung von Ökostrom fördern und mehr Elektroautos auf die Straße bringen will, dann kostet das Geld. Das sollte eigentlich aus einem Fonds kommen, 2011 hatte ihn die Bundesregierung aufgebaut. Gefüttert mit Gewinnen der Stromkonzerne aus der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Dann aber kam Fukushima und die Verlängerung wurde gestrichen.

Also sollte die Industrie über den Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten in den Fonds einzahlen. Aber auch das funktioniert nicht, weil der Markt nicht funktioniert: Es gibt viel zu viele Zertifikate, der Preis für eine Tonne Kohlendioxid liegt gerade bei vier Euro. Die Folge: Dem Energie- und Umweltfonds fehlt schon jetzt über eine Milliarde Euro. Und die Bundesregierung hat jetzt eine neue Idee. Die von Bund und Ländern gemeinsam getragene Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, soll einspringen, erst mal mit 311 Millionen Euro.

Am Telefon ist jetzt Jürgen Trittin, er ist Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen und Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl. Guten Morgen, Herr Trittin!

Jürgen Trittin: Guten Morgen!

Hatting: Die KfW als Klimaretterin – gute Idee?

Trittin: Die KfW hat sich vielfach bemüht, im Bereich energetische Gebäudesanierung und Umweltinvestitionen gute Dinge auf den Weg zu bringen. Für die Bundesregierung ist das ein Armutszeugnis: weil sie es nicht schafft, den Emissionshandel zum Laufen zu bringen, muss sie nun auf Subventionen setzen, anstatt dass diejenigen, die das Klima belasten, den Klimaschutz finanzieren, wird nun die bundeseigene Bank dazu herangezogen – das ist ein eklatantes Versagen des Klimaschutzes unter Frau Merkel.

Hatting: Sie sagen, die Bundesregierung schafft es nicht, den Emissionshandel ans Laufen zu bringen. Das ist aber nicht allein die Entscheidung der Bundesregierung – heute stimmt das EU-Parlament über einen Vorschlag der Kommission ab, und der sieht so aus, dass man die Zertifikate künstlich verknappt, um die Luftverschmutzung wieder zu verteuern. Würde das denn reichen?

Trittin: Das wäre ein erster Schritt, und das hängt unter anderem an Deutschland, in doppelter Hinsicht: Deutschland muss diesem Vorschlag im Rat, also der Vertretung der Regierungen zustimmen. Das tut Deutschland zurzeit nicht, weil es durch ein Veto von Herrn Rösler sich blockieren lässt. Und es wird an den deutschen Abgeordneten im Europaparlament der Europäischen Volkspartei, also den Abgeordneten von CDU und CSU hängen, ob dieser Vorschlag heute eine Mehrheit bekommt. Das ist der Grund, warum Katrin Göring-Eckardt und ich gestern an die CDU-Vorsitzende, Frau Merkel, ausdrücklich einen Brief geschrieben haben, in dem wir sie aufgefordert haben, die Position, die ja immerhin ihr Umweltminister hier in Deutschland vertritt, nämlich ja zu sagen zu dem Rückladen dieser Emissionszertifikate, auch dafür zu sorgen, dass ihre Abgeordneten im Europaparlament dieser politischen Linie folgen.

Hatting: Es liegt auch, das haben Sie zu Recht gesagt, aber nicht nur an den Unionsabgeordneten im Europaparlament. Wenn es keine Mehrheit dafür gibt heute, wenn diese Reform scheitert, woher kommt dann das Geld? Was schlagen Sie vor, wenn Sie die KfW außen vor lassen wollen?

Trittin: Wir halten es für absolut notwendig, dass wir in Europa zu anderen Klimaschutzzielen kommen. Wenn die Bundesregierung endlich den Weg gehen würde, gegen den es übrigens in Europa keine durchgreifende Mehrheit gibt, das könnte man durchsetzen, das europäische Klimaschutzziel bis zum Jahre 2020 nicht nur 20 Prozent zu erbringen ¬– das schafft Deutschland fast alleine –, sondern tatsächlich 30 Prozent. Dann mindert sich automatisch die Menge der Zertifikate und der Emissionshandel, der ja lange Zeit auch von der deutschen Wirtschaft gefordert worden ist – man hat gesagt, das ist das Instrument, marktwirtschaftlich organisiert für den Klimaschutz, dann wird dieses Instrument wieder zum Laufen kommen und der jetzige Zustand, dass der Staat keine Emissionszertifikate mehr auf den Markt bringt, weil er dafür kein Geld mehr bekommt, das ist ja die bittere Realität. Der Emissionshandel in Deutschland ist komplett zusammengebrochen. Würde sich dafür ändern. Das hieße aber, dass man sich in Europa für ein ambitionierteres Klimaschutzziel einsetzt als das, was jetzt beschlossen ist.

Hatting: Wir haben jetzt über die europäische Ebene gesprochen, und da haben Sie eben den Zertifikatehandel als wichtigstes klimapolitisches Instrument betont. Wie sieht es in Deutschland selber aus? Wie wäre es zum Beispiel, wenn man den Flugverkehr in die Ökosteuer einbezieht?

Trittin: Wir sind der Auffassung, dass man insgesamt für einen Energieeffizienz- und Energieeinsparfonds neben Mitteln aus dem internationalen Emissionshandel auch den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen stellen muss. Und zum Abbau ökologisch schädlicher Subventionen gehören falsche Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer, gehören falsche Ausnahmen und steuerliche Subventionen bei indirekten Steuern. Dann bringt übrigens der Verzicht auf die Mineralölsteuersubvention in der chemischen Industrie erheblich mehr als die Frage des Luftverkehrs. Aber auch dies ist eine nicht gerechtfertigte Subvention bei der Mehrwertsteuer. Die letztere Möglichkeit werden Sie allerdings nur lösen können bei der Mineralölbesteuerung auf internationaler beziehungsweise europäischer Ebene. Anders ist das bei der Mehrwertsteuer.

Hatting: Finden Sie das Modell Klimafonds richtig? Oder ist das für Sie eine Totgeburt?

Trittin: Ich glaube, am Ende sind wir schon wieder davon weg. Es war ursprünglich ein Sonderhaushalt gedacht, neben den Bundeshaushalt gesetzt, das sehen Haushälter nicht gerne. Mittlerweile ist es wieder den einzelnen Ministerien zugeordnet worden. Wir schlagen vor, in Deutschland für drei Milliarden Euro entsprechende Investitionen in Klimaschutz, Energieeffizienz und Energieeinsparung zu machen und dieses in der Tat gegenzufinanzieren neben Einnahmen aus dem Emissionshandel durch den Abbau von ökologisch schädlichen Subventionen.

Hatting: Herr Trittin, jetzt haben Sie eine Reihe von Maßnahmen angesprochen. Was würden Sie in Sachen Klimaschutzfinanzierung sofort ändern, wenn Sie im September an die Macht kämen?

Trittin: Wir würden mit Sicherheit herangehen an das nicht gerechtfertigte Dienstwagenprivileg in der Kfz-Steuer. Allein dieses bringt einen erheblichen Milliardenbetrag. Wir können gar nicht einsehen, dass man Autos auch dann noch, oder für die Teile von der Steuer als Dienstwagen absetzen kann, die über den Verbrauchsobergrenzen da sind. Das ist die Quelle von Subventionen für große, schwere Geländewagen, und ich kann gar nicht einsehen, dass so ein teurer Geländewagen faktisch aus Steuermitteln mit bis zu 15.000 Euro subventioniert wird. Das erreicht eine Klientel, die das auch so sich leisten kann. Und allein damit haben Sie mehr als 1,6 Milliarden in der Kasse für Klimaschutz. Und trotzdem werden all diejenigen, die als Handwerker auf ihren Kleinlieferwagen angewiesen sind, dieses Fahrzeug immer noch voll von der Steuer als Betriebskosten absetzen können.

Hatting: Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen. Mit ihm habe ich darüber gesprochen, wie man Schlüsselprojekte der Energiewende retten kann trotz leerem Umweltfonds. Das Gespräch haben wir aufgezeichnet, bitte entschuldigen Sie die schlechte Telefonqualität.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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