EKG für den Autositz

Den Risikofaktor "Mensch" ausschließen

Auto-Piloten - nicht in Flugzeugen wichtige Apparate, um den Unsicherheitsfaktor "Mensch am Steuer" ausschließen zu können
Auto-Piloten - nicht in Flugzeugen wichtige Apparate, um den Unsicherheitsfaktor "Mensch am Steuer" ausschließen zu können © Julian Stratenschulte/dpa
Von Annegret Faber · 10.12.2015
Nicht selten kommt es zu Unfällen, weil der Fahrer nicht mehr in der Lage ist, sein Auto zu steuern. Am Fraunhofer Institut in Dresden arbeiten Wissenschaftler an Sensoren für das Auto, die helfen, das Fahrzeug zu beherrschen, wenn der Fahrer ausfällt.
"Und das ist unser Labor"
"Sieht sehr chaotisch aus, ganz viele Geräte, Computer, Kabel, selbst Schraubstöcke sind hier zu finden."
"Hier erfolgen der Aufbau der Hardware und die Inbetriebnahme. Das heißt: Hier im Labor sind alle sicherheitstechnischen Einrichtungen verfügbar, die so eine Handhabung von empfindlicher Elektronik erlauben", sagt Elektrotechniker Markus Pietsch, der sich vor allem mit Medizintechnik beschäftigt. Wie zum Beispiel dem EKG, das im Autositz den Puls des Fahrers misst. Es besteht vor allem aus zwei Elektroden und einem Mikrokontroller, der die Signale weiter leitet.
"Die Elektrode, wenn ich die mir angucke, die ist so groß wie ein 50 Cent Stück."
"Ja also mit normalen Uhrmacherwerkzeug kann man da komfortabel damit arbeiten."
Das Entwicklungslabor ist im Fraunhofer Institut für photonische Mikrosysteme in Dresden, gleich neben dem Flughafen. Hier, im Labor wird diskutiert und getüftelt. Doch bevor das EKG für den Autositzzusammen gelötet wurde, standen ein Jahr lang Kopf zerbrechen. Und zwar am Computer. Unter anderem im Büro von Dr. Andreas Heinig, ebenfalls Elektrotechniker am Dresdener Fraunhofer Institut:
"Ich war für die Erstellung des Systemkonzeptes verantwortlich."
An einer Wand steht ein Regal mit vielen Ordnern, gegenüber ein Schreibtisch mit Computer und in der Mitte des Raumes: Der Autosessel mit integrierten EKG.
"Mit diesem werden die Herzaktivitäten des Fahrers gemessen und können ausgewertet werden."
"Wozu braucht der Autofahrer einen EKG im Stuhl."
"Zum Beispiel könnte man den klassischen Herzinfarkt detektieren und dann das Auto sicher im Straßenrand zum Stehen bringen."

Das Auto reagiert, wenn das Herz versagt

In der Verkehrsstatistik werden Unfälle durch Herzinfarkt nicht gezählt, denn sie gelten als Krankheitsfall. Die Datenlage ist also dünn. Autokonzerne seien an einem Überwachungssystem aber sehr interessiert, denn sie wissen: Der größte Risikofaktor beim Fahren sei der Mensch.
B 15 bei Landshut: Während der Fahrt erlitt ein 71-jähriger Mann am frühen Abend einen Herzinfarkt und prallte gegen einen Baum. Der Fahrer verstarb noch an der Unfallstelle.
"Harmlosere, gesundheitliche Probleme, wie zum Beispiel Müdigkeit, kann man so was auch über den Herzschlag mitgeteilt bekommen?"
"Auch das ist denkbar, dass man Parameter wie Müdigkeit, Stresspegel ermittelt aus dem Herzschlag und dann entsprechend Hinweise gibt, dem Fahrer, eine Pause einzulegen."
Das klingt gut. Ich probiere den Autositz mit EKG aus und setze mich hinein.
"Ein ganz normaler Autosessel. Ich merke nichts, ich höre nichts. Passiert trotzdem etwas?"
"Genau das ist ja der Vorteil dieser Kontaktlosen EKG Aufnahme. Wenn man zum Arzt geht, bekommt man das EKG angelegt, muss den Oberkörper frei machen. Das wäre jetzt im Auto nicht so vorteilhaft. Deswegen ist das alles in den Sitz integriert."
"Wo ist denn das EKG. Könnte ich das spüren am Körper?"
"Ja, das EKG ist in der Rückenlehne. An dieser Stelle ist die Lehne geringfügig härter. Aber wenn man es nicht weiß, wird man es nicht spüren."
"EKG heißt Elektrokardiogramm. Das heißt, die elektrischen Ströme werden aufgezeichnet, von meinem Herzen. Jedem Herzschlag geht ein Stromimpuls voraus. Ohne Stromimpuls kein Herzschlag und dieser Stromimpuls wird gemessen. Wie stark ist der denn, dieser Impuls?"
Die Spannungen, die man mit Hautkontakt messen kann, liegen im Bereich weniger Mikrovolt. Wir haben keinen Hautkontakt. Das heißt, an unserer Elektrode kommen noch viel geringere Spannungen an. Es ist praktisch so, dass wir die Spannung nicht direkt messen, sondern die Elektrode bildet gemeinsam mit der Haut einen Kondensator. Das ist ein klassisches, elektrisches Bauelement. Und die Spannung wird nicht direkt von der Haut abgegriffen, sondern über Umladungen, die auf diesem Kondensator stattfinden.

Teil eines Kondensators

Ich bin also Teil eines Kondensators. Meine Haut am Rücken dient als Elektrode. Auf der anderen Seite, hinter dem Stoff vom Autositz, verstecken sich zwei weitere, 50 Cent große Elektroden. Dazwischen, also da wo meine Kleidung ist, passiert, die Umladung und die wird gemessen.
"Also ich sollte meine Jacke ausziehen, bevor ich mich ins Auto setze."
"Ja, wenn man mit Jacke Auto fährt, wäre das Abnehmen des EKGs in Frage gestellt."
"Ich spüre nichts, aber am Computerbildschirm passiert jetzt etwas."

"Wir sehen jetzt Ihre Herz Ströme, gemessen mit dem kapazitiven EKG."
"Was könne sie denn sehen? Wie ist mein Herzschlag? Bin ich wach, bin ich müde?"
"Wir können ablesen, dass sie ein normales EKG haben, dass sie eine normale Herz Rate haben und können daraus keine Rückschlüsse ziehen, dass irgendein Problem vorliegt."
"Und daneben leuchtet ein rotes Herz auf, das heißt ich lebe. Das ist auch schon mal nicht schlecht."
Die Dresdner Wissenschaftler zeigen mit ihrem Autositz, dass ein EKG ohne Hautkontakt funktioniert. Nun müssen andere kluge Köpfe Programme schreiben und das EKG in Auto Computersysteme einbetten. Wichtig ist, dass die Software sich jeweils an den Fahrer anpasst. Autofahrer mit niedrigem Blutdruck könnten sonst ständig aufgefordert werden eine Pause einzulegen.
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