Eitles Verbotensein

Der ungarische Schriftsteller György Konrád lässt in „Das Buch Kalligaro“ das Leben eines ungarischen Intellektuellen Revue passieren – und viele biografische Details des Helden stimmen mit dem Leben des Autors überein. Auch Konrád war im sozialistischen Ungarn jahrelang mit einem Schreibverbot belegt und zog sich in die innere Emigration zurück.
Auch die innere Emigration und das Verbotensein, sinniert der Erzähler, kann einem zum Vorteil gereichen. Man bekommt wenig Post, wird nirgendwohin zu Vorträgen eingeladen, wird nicht darum gebeten, etwas zu schreiben; sein Bild, seine Sätze erblickt man in keiner Zeitung, das Telefon klingelt selten, man hat die Möglichkeit, inmitten der eigenen Nichtigkeit auf dem breiten Bett der Zeit müßig herumzuliegen.

Der ungarische Schriftsteller György Konrád litt im sozialistischen Ungarn jahrelang unter Schreibverbot und zog sich zeitweise in eine Art innere Emigration zurück. Spätestens aber seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist er als Autor international geschätzt und überdies durch seine Tätigkeiten an der Spitze des Internationalen PEN sowie als Präsident der Akademie der Künste in Berlin-Brandenburg bekannt. Nun hat der Suhrkamp Verlag „Das Buch Kalligaro“ auf Deutsch vorgelegt, in dem György Konrád das Leben eines ungarischen Intellektuellen Revue passieren lässt.

Es ist unschwer zu erkennen, dass nicht nur die philosophische Grundhaltung des Helden, sondern auch die meisten biographischen Details mit denen des Autors übereinstimmen. Konrád liefert in rund zweihundert Kapiteln auf knapp dreihundert Seiten Gedankensplitter, Aphorismen, elegische und komische Betrachtungen. Wie ein roter Faden ziehen sich die Themen Toleranz, gesellschaftliche Verantwortung, politisches Engagement in kritischer Distanz zu den Totalitarismen der Vergangenheit und zur kapitalistischen Gegenwart durch diese Prosa.

Konráds Herkunft aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie im ostungarischen Debrecen scheint auf, die tödliche Bedrohung und das Überleben im Zweiten Weltkrieg, die Stationen einer unangepassten Existenz in der ungarischen Volksrepublik. Dies alles verdichtet sich zu einem großen Mosaik der Erinnerung ohne strenge Chronologie und geradlinige Erzählstränge, leitmotivisch durchdrungen vom Anklang des eher Intimen, vom Kognak im Kaffeehaus über die Budapester Huren bis hin zur vornehmen Abscheu vor Öffentlichkeit, Politik und Engagement.

Gerade diese Abscheu aber mag man dem Buch nicht so recht abnehmen, auch wenn sie nicht dem Autor Konrád, sondern seinem Helden Kalligaro zugeschrieben wird. Der überaus alterseitle „Lasst mich doch alle in Ruhe“-Ton ermüdet den Leser eher, als dass er ihn in den Bann zieht. „Das Buch Kalligaro“ verheißt die nicht ganz so spannende Lektüre eines zu Recht geschätzten Zeitgenossen.

Rezensiert von Martin Sander

György Konrád: Das Buch Kalligaro
Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
294 Seiten, 22,80 Euro