Vor der WM

Warum in Tschechien Eishockey populärer als Fußball ist

06:47 Minuten
Tschechische Eishockey-Fans bei der Weltmeisterschaft in Riga, Lettland
Tschechische Eishockey-Fans unterstützen bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Lettland ihr Team. © Imago / David Tanecek
Von Marianne Allweiss · 05.05.2024
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Mit Tschechien ist ein Land Gastgeber der Eishockey-WM 2024, in dem die Begeisterung für den Sport auf dem Eis enorm groß ist. Die Nation ist stolz auf viele Erfolge und hat eine lange Eishockey-Geschichte.
Ein Wochenende in Prag. Weit abseits vom Touristentrubel wird im „Skoda Icerink“ der „Czech Lions Spring Cup“ ausgetragen, ein großes europäisches Eishockey-Turnier für Jugendliche. Sieben Länder sind dabei. In der Finalrunde der 12- bis 14-Jährigen stehen drei Prager Teams und die Dresdner Eislöwen. In einem knappen Spiel schlagen die Eislöwen den Verein HC Hvezda Praha mit 4:3.
Der Prager Patrik sagt nach dem Spiel gegen die Dresdner: "Das Turnier hat mir sehr gut gefallen. Wir sind froh, dass wir gekämpft haben. Leider hat es am Ende nur für den vierten Platz gereicht. Ich spiele Eishockey. seit ich drei bin, jetzt bin ich 13. Ich will das auf jeden Fall professionell machen. Ich will mindestens in die tschechische Extra-Liga oder in die NHL in den USA und Kanada. Dafür tue ich alles und arbeite hart."
Die Eislöwen-Spieler Finn, Oskar und Emil freuen sich über ihren dritten Platz, aber wissen ihren Gegner auch zu würdigen.

"Wir haben manche Spiele gut gespielt und manche haben wir richtig reingekackt, aber im gesamten Turnier war es eigentlich okay.

"Das Turnier war von hoher Qualität und hat echt viel Spaß gemacht."

"Die tschechischen Mannschaften spielen immer körperlich besser als wir in Deutschland."

Wichtige überregionale Spiele

Überregionale Spiele sind für die Nachwuchsförderung wichtig, sagt die Turnierorganisatorin Barbora Marxova.

"So bleiben die Jungs das ganz Jahr über im Training und lernen die internationale Konkurrenz kennen. Wie spielen die anderen? Wie trainieren sie? Das motiviert. Außerdem lernen sie Freunde kennen und machen neue Erfahrungen."

Marxova organisiert seit 15 Jahren Jugendturniere in Tschechien. Die Tradition des Eishockeys reicht hier bis ins 19. Jahrhundert zurück.
Der Sachse Lothar Martin lebt seit mehr als 40 Jahren in Prag. Er war lange Redakteur und Sportreporter – und berichtet noch immer für ein deutsches Eishockeymagazin aus seiner Wahlheimat.

Der tschechische Eishockeyverband zählt mit zu den ältesten in Europa und wurde 1908 gegründet. Die Tschechen sagen immer: Wir sind diejenigen, die das kanadische Eishockey nach Europa gebracht haben. Tschechien hat schon damals gezeigt, dass sie das Spiel mögen und dass sie das auch können. Ein sehr guter Spieler und Trainer hat mal gesagt: ‚Wir Tschechen haben Eishockey im Blut.‘ Das war Vladimír Růžička.

Journalist Lothar Martin

Richtig populär wurde Eishockey nach dem Zweiten Weltkrieg, als die damalige Tschechoslowakei die erste Weltmeisterschaft austrug und gleich zwei Mal hintereinander den Titel gewann – 1947 und 1949.
Der tschechische Eishockey-Nationalspieler Ondrej Kase im Freundschaftsspiel gegen die Slowakei in Trencin
Die tschechischen Eishockey-Nationalspieler (hier Ondrej Kase) hoffen auf eine erfolgreiche Heim-WM ihres Teams. © dpa / picture alliance / Vaclav Salek

Im Sozialismus entwickelte sich Eishocky zum Nationalsport

Zu sozialistischen Zeiten wurde Eishockey stark gefördert und entwickelte sich zum Nationalsport – auch in Abgrenzung zur ungeliebten Sowjetunion. Die konnte das damalige tschechoslowakische Team mehrmals spektakulär schlagen. In den letzten 15 Jahren lief es für die tschechische Nationalmannschaft dann nicht mehr so gut.
Für den Eishockeyexperten Martin hat das mehrere Gründe:

Nach der Wende ist Eishockey teuer geworden, weil die Eltern sich um die Ausrüstung kümmern müssen. Und Eishockey ist materialintensiver als Fußball. Man hat auch nicht überall die besten Trainer gehabt, deswegen war die Flaute abzusehen. Nach der Wende hatte Tschechien in der Mannschaft, die 1990 die WM gespielt hat, mit Jaromir Jagr, Robert Reichel und mit Robert Holik drei 18-Jährige, die eine Reihe gespielt haben. Die waren so gut, die sind gleich in die NHL gegangen. Jaromir Jagr ist so eine Ikone hier, das ist eigentlich eine europäische Ikone und mit solchen Leuten hat man auch 1998 Olympia gewonnen.

Journalist Lothar Martin

Dieser Sieg in Nagano wurde auch zu einer Oper im Prager Nationaltheater. Für die Sportler folgten drei Weltmeister-Titel in Folge: 1999, 2000 und 2001. Dann 2005 und zuletzt 2010 in Deutschland im Finale gegen Russland.

Tschechien hat noch immer den WM-Zuschauerrekord

Der Nachwuchs der letzten Zeit macht Lothar Martin wieder Hoffnung. Auch, dass die WM im eigenen Land stattfindet. Denn Tschechien hält den Zuschauerrekord von mehr als 700.000 Zuschauern bei der letzten Heim-WM 2015.
Einiges wird aber auch davon abhängen, welche tschechischen Spieler aus der zeitgleich stattfindenden NHL ausscheiden. Das weiß auch das Prager Nachwuchstalent Patrik, der noch Tickets für die WM ergattern konnte.

"Tschechien hat ziemlich gute Chancen, wenn wir rechtzeitig einige Spieler aus unserer Extraliga und der NHL bekommen. Eishockey bedeutet für Tschechien sehr viel. Und sie spielen wirklich gut. Klar, sie haben auch mal Ausfälle, aber Eishockey ist, glaube ich, in Kanada entstanden und meiner Meinung nach sollte es unser Ziel sein, das Niveau von Kanada zu erreichen."

Auch die Dresdner Eislöwen sind gespannt auf die WM. Sie tippen aber trotz der Hockeyliebe ihrer Nachbarn auf andere Teams.

"Natürlich sind wir für die Deutschen, aber die Finnen und die kanadischen Mannschaften sind auch Favoriten!"

"In Tschechien ist Eishockey wie in Deutschland Fußball - sehr wichtig."

"Definitiv noch größer als in Deutschland. Ich glaube, die wichtigste Sportart für die tschechische Nation."

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