Einstein für die Westentasche

    Rezensiert von Matthias Eckoldt |
    Gerade einmal 124 Seiten braucht Fischer, um Einstein darzustellen. Die spannendsten Stationen seines Lebens …
    "Bereits 1920 organisiert eine "Arbeitsgemeinschaft deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft" eine Großkundgebung in der Berliner Philharmonie gegen Einstein und die Relativitätstheorie. 1933 tritt Einstein aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften aus und emigriert in die USA. "

    … und die virtuosen Gedanken seines Werkes.

    "Einsteins Gedanken sind so ungewohnt und geraten so sehr mit dem gesunden Menschenverstand in Konflikt, dass die offizielle Wissenschaft ein paar Jahre braucht, bis sie ihren künftigen Star entdeckt. "

    Um Einstein in der Kürze gerecht zu werden, muss man ihn schon sehr gut kennen. So wie der Autor Ernst Peter Fischer.

    Fischer : "Ich bin als Fünfzehnjähriger in eine Buchhandlung gegangen und wollte mir ein Buch kaufen. ... Und da fiel mir 1962 das Büchlein von Einstein in die Hand: Mein Weltbild. Und beim Aufschlagen entdeckte ich einen Satz, der mir bis heute sehr geholfen hat. Und zwar: Töten im Krieg ist nichts anderes als Mord. Als Fünfzehnjähriger ist man dann sehr gepackt, sehr angetan und dann habe ich weiter gelesen. Und dann stehen da wunderbare Texte über Physik. … Wunderbare, elegante Texte mit Aphorimsen dabei. "

    "Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind. "

    "Das sind ja Themen, die einen immer interessieren. Es geht ja auch um das Verständnis unserer Wohnstätte und damit auch um den Ort, an dem wir Gott immer sein lassen. "

    Fischer gruppiert das erste Kapitel seines Buches um das so genannte "annus mirabilis" herum. Jenes Wunderjahr 1905. Einstein, gerade sechsundzwanzig und Angestellter Dritter Klasse beim Berner Patentamt, legt innerhalb eines Jahres fünf Arbeiten vor, die jede für sich genommen nobelpreiswürdig ist. Und das, wie gesagt, mit sechsundzwanzig Jahren. Ernst Peter Fischer widmet sich auch dem ganz privaten Einstein. Dem Unmenschen Einstein. Jenem Mann nämlich, der seine erste Frau zwingt, das gemeinsame uneheliche Kind in der Bukowina zurückzulassen. Der seinen geisteskranken Sohn, nicht ein einziges Mal in der Anstalt besucht. Der sich bald in seine Cousine verliebt, schließlich seine Frau verlässt und dann ein Verhältnis mit seiner Stieftochter beginnt.

    Fischer: "Ich denke, dass er da moralisch auf Kindniveau geschaltet war. Er hat ja manchmal sehr kindlich agiert. Er hat einfach das getan, was er wollte. Er hat auch die Socken angezogen, die er wollte und die Kleider, die er wollte. Und so ist er auch mit den Frauen umgegangen, wie er wollte. "

    Natürlich fehlt auch die Relativitätstheorie nicht. Fischer erklärt eingängig, wie Einsteins neue Perspektive auf Raum und Zeit aussieht. Und das tut Not. Denn unter Nicht-Physikern herrscht auch im Einstein-Jahr Ratlosigkeit:

    Frau: "Also wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht wirklich was über die Relativitätstheorie. Also ich weiß. Eh. Weiß nicht. "
    Mann: "Also es geht darum, dass die Zeit nicht endlich ist und eheheh der Raum … Es geht auch um die … Also es geht darum. "
    Frau: "E gleich m mal c Quadrat oder so was. Da gibt’s diese Gleichung. "
    Mann: "E gleich m mal c Quadrat. Das heißt eh. "
    Frau: "Also man macht so Scherze mit der Relativitätstheorie. Das ist eigentlich der normale Gebrauch. Dass man sagt: Alles ist relativ (lacht) "
    Mann: "Verstehen tu ich’s nicht! "

    Ernst Peter Fischer räumt auch mit Legenden auf. Beispielsweise der, dass Einstein ein schlechter Schüler war. Die Eidgenossen hatten nämlich zu Einsteins Schulzeiten ein anderes Bewertungssystem. Sie gaben Noten als Punkte. Und so entsprachen die Fünfen und Sechsen, von denen Einsteins Zeugnisse voll waren, Einsen und Zweien in Deutschland.
    Ernst Peter Fischer ist mit seinem Buch ein kleiner Geniestreich gelungen. So anregend, vielseitig und schlüssig ist wohl selten über Einstein geschrieben worden. Am Ende des Buches geht der Autor noch auf das Denkorgan des Genies ein:

    "Einsteins Gehirn weist unter anderem einen fünfzehn Prozent größeren Scheitellappen auf. Könnte hier der anatomische Schlüssel für sein Genie liegen? Die Forscher vermuten es und suchen nun andere Gehirne, um ihre Hypothese zu testen. Wer macht mit? "

    Einstein für die Westentasche
    Von Ernst Peter Fischer
    Piper-Verlag
    124 Seiten, Preis 9.90 Euro