Einstand nach Maß

Von Holger Hettinger · 25.09.2011
In ihrem Auftaktkonzert an der Staatsoper Hannover bringt die US-amerikanische Dirigentin Karen Kamensek Stücke von Leoš Janáček und Richard Strauss auf die Bühne. Kamensek hat eine klare Werkidee - und setzt ihre Vorstellung sympathisch um, meint unser Rezensent.
Eine mitreißende Sicht auf Janáčeks "Sinfonietta", ein farbensattes "Heldenleben" von Richard Strauss, ein beherzt aufspielendes Orchester, eine klug gestaltende Dirigentin und ein geradezu enthusiasmiertes Publikum: das Auftaktkonzert von Karen Kamensek als neuer Generalmusikdirektorin der Staatsoper Hannover war ein Einstand nach Maß.

Ein ungewöhnliches Programm für ein Antrittskonzert: Janáčeks expressiv-kantige "Sinfonietta" und das schwelgerische "Heldenleben" von Richard Strauss sind sinfonische Schwergewichte und taugen kaum für fluffige Repräsentation oder gefälliges Vorgeplänkel vor dem GMD-Tagesgeschäft. Sollte die Auswahl jedoch programmatisch gedacht gewesen sein für die Arbeit von Karen Kamensek mit dem Niedersächsischen Staatsorchester Hannover, so darf man sich in Hannover auf eine beglückende musikalische Entwicklung freuen.

In Janáčeks "Sinfonietta" fand Karen Kamensek neben Fanfarenpracht auch einiges an kombinatorischem Witz, Pointen und auch schwebend-tänzerischer böhmische Diktion. Die vielen flüchtigen Details des Allegretto gewannen Kontur und Tiefenzeichnung, die Farbwechsel im Finalsatz gelangen ansatzlos. Das "Heldenleben" zeichnete Karen Kamensik als monumentales Historiengemälde, mit opulentem, blühendem Streicherklang und hinreichend Punch im Blech.

Es mag vermessen sein, auf der Basis eines einzigen Konzerts eine Prognose abgeben zu wollen. Ein wenig Tendenzgetöse sei dennoch gestattet: Das wird was mit Kamensek und Hannover. Die Dirigentin hat eine klare Werkidee – und setzt diese Vorstellung minutiös und sympathisch um. Orchester und Dirigentin verstehen sich sichtlich gut, Kamenseks Zeichengebung ist eher einladend-animierend als gebieterisch – nach einer gewissen Gewöhnungsphase dürfte das Orchester die insbesondere beim Strauss zu erlebende Sicherheitszone verlassen und feststellen, wie viel Lust es machen kann, auch mal risikofreudig auf der Kante zu fahren.

Allerdings warten auf Karen Kamensek auch einige Herausforderungen: In Sachen Schnellkraft, Reaktionsvermögen und Attacke sowie im Hinblick auf das Zusammenspiel der Holzbläser wird die neue Generalmusikdirektorin sicher noch einiges bewirken. In dieser Saison hat sie mit "Rheingold", "Walküre", Strauss' "Aradne auf Naxos" und "Falstaff" sowie bei vier Sinfoniekonzerten die Gelegenheit, ihren wohlüberlegten musikalischen Gestaltungswillen und ihre Vorstellung von Klangkultur zu demonstrieren. Wie gesagt: Das wird was!