Einsatzfelder von Drohnen in Bayern

Fliegendes Auge und Transporter der Zukunft

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Im Vordergrund eine fliegende Drohne, im Hintergrund die schneebedeckten Alpen.
Drohnen helfen beim Film und in der Landwirtschaft, aber sie können auch Gegenstände in Gefängnisse schmuggeln. Das will man in Bayern unterbinden. © Getty Images / Kypros
Von Michael Watzke · 07.12.2020
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Medizinische Versorgung, Land- und Forstwirtschaft, Filmproduktion: Drohnen sind in vielen Lebenslagen hilfreich. Doch die Fluggeräte können auch gefährlich werden, Bayern testet daher Abwehrmaßnahmen. Und 2021 kommt ein neues Gesetz der EU.
So klingt das Ende einer Drohne:
Ein Schuss – und schon schlägt der weiße Quadrokopter mit seinen vier Rotoren hart auf dem Boden der Justizvollzugsanstalt Stadelheim auf. Aus 20 Metern Höhe zum Absturz gebracht durch eine eigenartige Pistole.
"Das ist ein Gerät, mit dem man ein Netz auf eine Drohne abschießen kann, um sie vom Himmel zu holen", erklärt der Schütze, Bayerns Justizminister Georg Eisenreich, oberster Dienstherr der bayerischen Gefängnisse.

Transporter für Handys, Waffen und Drogen

"Wir haben das Thema Drohnen als Sicherheitsgefährdung erkannt", sagt er. "Wir haben seit 2015 insgesamt 57 Sichtungen in der Nähe einer JVA beziehungsweise Überflüge registriert." Zwei Drohnen mit Handys und Drogen hätten sie bereits auf dem Gelände einer JVA gefunden. "Und deshalb wollen wir uns diesem Thema stellen und testen dieses Gerät."
Das Gerät heißt "Dropster", sieht aus wie ein kleines Sturmgewehr und wird von der Schweizer Spezialfirma Droptec im graubündnerischen Chur gebaut. Chefentwickler Christian Gauer lädt zu Testzwecken Munition nach.
"Die wird durch eine Patrone angetrieben", erklärt Gauer. "Da vorne ist die Netzpatrone drauf, da ist auch das Know-how drin. Es ist ganz einfach: Wir schießen dieses große Netz raus und neutralisieren die Drohne."
Das grobmaschige Tuch verfängt sich in den Rotoren, die Drohne stürzt ab. So verhindert Dropster, dass sich Gefängnisinsassen Waffen von draußen direkt vors Zellenfenster liefern lassen. Technisch sei das möglich, erklärt Justizminister Eisenreich:
"Es gibt inzwischen hunderttausende von Drohnen, die sowohl kommerziell als auch im privaten Bereich vorhanden sind. Die Geräte sind günstig. Damit ist das auch ein Thema für die Sicherung der JVAs."
Während der Staat also versucht, Drohnen aus sensiblen Arealen wie Gefängnissen oder Flughäfen herauszuhalten, erobern die sirrenden Fluggeräte immer mehr Regionen und Alltagsumgebungen. Jetzt, zur Weihnachtszeit, setzen Drohnen zur Eroberung vor allem einer Zone an: der Kinderzimmer. *

Wichtiges Thema: Haftpflicht-Versicherung

Hergestellt werden die Spielzeug-Drohnen in Asien. Heiko Loy von der Elektronik-Versandfirma Pearl importiert sie nach Deutschland:
"Mit dem Suchbegriff 'Drohne' findet man bei uns circa 90 Produkte im Online-Shop. Quadrokopter, Helikopter und andere Fluggeräte. Die Preisspanne reicht von 7,90 Euro für einen selbstfliegenden Hubschrauber-Ball bis zu über 250 Euro für einen faltbaren GPS-Quadrokopter."
Der kann nicht nur selbstständig starten und zum Hobbypiloten zurückkehren, er kann dem Piloten auch ganz von allein auf Schritt und Tritt folgen. Er kann filmen und lässt sich über eine Smartphone-App bedienen.
"Die technische Entwicklung bei den Drohnen ist enorm", erklärt Loy. Bei den ersten Drohnen, die sie im Programm gehabt hätten, habe es noch keine Kalibrierungs-Möglichkeiten gegeben. Daher habe man die Geräte sehr sensibel steuern müssen. "Mittlerweile gibt es sehr viele technische Hilfsmittel, die da verbaut werden. Zum Beispiel Kalibrierungs-Funktionen, die direkt über die Fernbedienung eingesteuert werden können."
Das bedeutet: Die Drohnen stürzen seltener ab. Sie fliegen quasi idiotensicher. Wobei Heiko Loy von der Firma Pearl Hobby-Drohnenpiloten trotzdem rät, sich zu erkundigen, ob die Haftpflicht-Versicherung im Schadensfall eintritt. Ein sehr wichtiger Punkt, denn: "Schäden, die durch eine Drohne entstehen, müssen natürlich beglichen werden."

Epische Filmaufnahmen für kleines Geld

Im kommenden Jahr gilt ein neues Drohnengesetz. Ab dem ersten Januar 2021 ist das Fliegen mit den ferngesteuerten Fluggeräten nicht mehr bundes-, sondern europaweit geregelt: in der EU-Drohnen-Verordnung. Sie teilt die Fluggeräte in fünf Risikokategorien ein – von C0 für Kinderspielzeug-Drohnen bis C4 für schwere, hoch fliegende Profigeräte. Grob gesagt erleichtert das neue EU-Gesetz die Regeln für kleine Drohnen. Für die Großen gelten dagegen zukünftig strengere Vorschriften, etwa für Drohnen, die bei Dreharbeiten in Filmproduktionen Einsatz finden. Und das immer häufiger, berichtet der Münchner Filmproduzent Felix von Poser:
"Ich habe vor fünf Jahren einen Film gemacht, wo ich sagen muss, da haben uns Drohnen-Aufnahmen den Film wahnsinnig bereichert." Für "König Laurin" hätten sie in den Südtiroler Bergen mit Drohnen aufgenommen, so von Poser. "Und da kommt man wirklich an ein Level ran, das man früher mit dem üblichen Budget für einen deutschen Film nicht erreicht hätte. Man kann für kleines Geld mittlerweile große, epische Aufnahmen machen."
Luftaufnahme der Dolomiten in Südtirol. 
Ersetzt beim Film den teuren Hubschrauber: Imposante Aufnahmen in Südtirol wurden für den Film "König Laurin" mit Hilfe einer Drohne gedreht.© imago images / Westend61
Drohnen haben die Filmwirtschaft in den vergangenen fünf Jahren geradezu revolutioniert. Denn wo Filmproduzenten früher einen Helikopter mieten mussten, reicht heute ein Zwei-Mann-Drohnenteam. Das kostet pro Tag etwa so viel wie die Hubschrauber-Miete für eine halbe Stunde.
Flexibler sei man mit Drohnen auch, betont von Poser. Das habe sich beispielsweise im vergangenen Jahr gezeigt, als sie für eine Serie eine Aufnahme gemacht hätten, in der sie eine große Totale vom Oktoberfest hatten. "Die Drohne ist auf die Leute, die auf dem Oktoberfest herumliefen, zugeflogen. Dann hat der Kamera-Praktikant die fliegende Drohne in die Hand genommen, die Drohne ausgeschaltet. Und dann hat er sie weiter durch die Menge getragen." So hätten sie eine Möglichkeit gehabt, die früher gar nicht denkbar gewesen sei in der Kombination mit Kränen, Steigern, Hubschraubern und so weiter, erklärt von Poser.
Das Ergebnis der spektakulären Kameraflugfahrt ist in der preisgekrönten TV-Serie "Oktoberfest 1900" zu bestaunen. Produzent Felix von Poser glaubt, dass sich der Siegeszug der Kameradrohnen fortsetzen wird – so sehr, dass Filmemacher in Zukunft darauf achten müssten, bei all den technischen Möglichkeiten nicht das Geschichtenerzählen zu vernachlässigen. Allerdings sei eine Drohne im Film nicht universell einsetzbar. "Diese kleinen Propeller und Rotoren sind sehr laut, verursachen Wind."

Forschung für bessere Drohnen

Um Drohnen in Zukunft leiser, schneller und stromsparender zu machen, forschen fast alle großen deutschen Universitäten an der Flugtechnik selbstfliegender Geräte. In Bayern sind vor allem die Universität Erlangen und die TU München ganz weit vorn bei der Entwicklung von leistungsfähigen Quadrokoptern. An der Technischen Universität München haben Studentinnen und Studenten des Teams "Horyzon" die Drohne "Silenzio Gamma" gebaut. Ihr Motto: "Schnell bauen, früh scheitern, neu bauen!"
"'Build fast, fail early!' Das war tatsächlich unsere Methode. Wir haben sehr früh, sehr schnell und sehr einfach angefangen zu bauen. Das ist auch mit Abstürzen verbunden, das ist in der Luftfahrt halt so", sagt Teamleiter Balasz Nagy. Das Ziel der Studenten: eine mittelgroße Transport-Drohne zu bauen, die mittels Hubschraubertechnik startet aber dann von Rotoren auf Propeller umschaltet, um schneller und stromsparender zu fliegen.
Aus einem Senkrechtstarter ein Flugzeug zu machen, sei die große Herausforderung, erklärt "Horyzon"-Testpilot Peter Geldner. Denn ein Flugzeug habe sehr große aerodynamische Flächen. "Da spielen so viele Einflüsse rein. So viel Masse, die nicht im Schwerpunkt liegt." Das sei der wirklich schwierige Teil. "Denn es ist kein Hubschrauber, es ist ein Flugzeug."
Solche Flugzeugdrohnen könnten in Zukunft Blutkonserven, Organe und andere lebenswichtige Dinge schnell von A nach B bringen. Vor allem in Städten, deren Straßen oft verstopft sind. Aber nicht nur dort sind Drohnen einsetzbar. Sie finden sich inzwischen fast überall.

Borkenkäfer finden mit Riechdrohnen

Dachdecker nutzen Kameradrohnen, um mit geringem Aufwand Häuser abzuscannen. Landwirte fliegen mit Drohnen über ihre Felder, um vor der Ernte Fremdkörper in den Feldern zu finden. Falkner richten ihre Greifvögel mithilfe von Drohnen zur Jagd ab. Die Bergwacht findet mit Suchdrohnen und Infrarottechnik auch nachts verunglückte Wanderer.
Und neuerdings spüren sogar Waldbesitzer mithilfe von speziellen Riechdrohnen Borkenkäfer in ihren Fichten auf. Dr. Sebastian Paczkowski von der Uni Göttingen hat eine handelsübliche Drohne mit einem Saugrüssel und einem Gassensor versehen:
"Hier wird die Luft angesaugt und wird dann hier über die Sensoreinheit geleitet. Der Sensor kann den Geruch der befallenen Fichte detektieren."
Ein Borkenkäfer frisst sich durch das Holz eines Baumstamms.
Entdeckt dank fliegender Spürnase: Borkenkäfer in einem Baustamm.© imago / CHROMORANGE
Denn vom Borkenkäfer befallene Fichten sondern mehr Harz ab als gesunde Bäume. Das, so Wissenschaftler Paczkowski, erkenne die Drohne, wenn sie dicht über den Baumwipfeln schwebt. Die gesammelten Informationen überträgt das Fluggerät auf eine Karte des abgeflogenen Waldgebietes. So entsteht eine Borkenkäfer-Heatmap.
"Auf dieser Heatmap, die wir von einem bayerischen Waldgebiet aufgenommen haben, sieht man jetzt die Flugroute", erklärt Paczkowski. "Man sieht hier die Ergebnisse aller drei Sensoren. Letztlich kann man jetzt zurückrechnen, an welcher Stelle es wahrscheinlich ist, dass ein Baum befallen wurde."
Für Forstbetreiber kann diese Information Gold wert sein. Denn es ist schwer, Borkenkäfer rechtzeitig zu entdecken, wenn sie in den Baumwipfeln ihr Unwesen treiben, sagt Waldbesitzer Christian Vogt:
"Wir hatten in den letzten Jahren immer mehr Probleme mit dem Borkenkäfer. Der entstandene Schaden ist mittlerweile erheblich. Wir hoffen, dass durch diese Drohnen-Technologie eine Besserung eintritt und wir den Käfer frühzeitig erkennen."
*Wir haben an dieser Stelle einen Absatz gelöscht, weil Beteiligte hier ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sahen.
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