Shoppingcenter neu denken

Erlebniseinkauf mit Wohlfühlinseln

06:14 Minuten
Ein Servicemitarbeiter reinigt den Boden im renovierten ehemaligen Potsdamer Platz Arkaden unter neuem Namen: The Playce. Im Stil einer Markthalle werden auf drei Etagen internationale Marken und Dienstleister einziehen.
In den alten Potsdamer Platz Arkaden lief es nicht mehr so gut: Nach einer Rundumerneuerung soll das neue The Playce kein Shoppingcenter im ursprünglichen Sinne mehr sein. © Imago / Jochen Eckel
Von Magdalena Neubig · 17.10.2022
Audio herunterladen
Der Onlinehandel boomt. Unter anderem deshalb machen Investoren inzwischen eher einen Bogen um Einkaufszentren. Oder: Sie versuchen, den ganzen Laden von Grund auf umzukrempeln. Das verspricht unter bestimmten Voraussetzungen Erfolg.
Vormittags im neuen Shoppingcenter am Potsdamer Platz in Berlin: Die ehemaligen Arkaden wurden zwei Jahre lang umgebaut und heißen jetzt The Playce. Ein Wortspiel aus den englischen Begriffen „play“, spielen, und „place“, dem Ort. Der neue Name steht auch für das neue Konzept des kanadischen Immobilienunternehmens Brookfield Properties, dem das Gebäude gehört.
Karl Wambach, der Executive Vice President und Chief Executive Officer von Brookfield, erklärt, dass „The Playce“ kein Shoppingcenter im ursprünglichen Sinne mehr sein soll: „Diesen Charakter haben wir abgelehnt und haben hier eine Straße entwickelt. Das war unser Anspruch, dass wir einen öffentlichen Raum schaffen, wo Leute sich gerne aufhalten, wo sie was erleben wollen.“
Die Kunstwerke The Potsdamer Platz Birds von Damien Poulain stehen im Untergeschoss der renovierten ehemaligen Potsdamer Platz Arkaden. Die neue Mall mit dem Namen The Playce im Stil einer Markthalle wird auf drei Etagen internationale Marken und Dienstleister anbieten.
"The Potsdamer Platz Birds" von Damien Poulain: Kunstobjekte sollen im The Playce eine besondere Athmosphäre schaffen und Menschen anlocken.© Imago / Jochen Eckel

Große Konkurrenz durch den Onlinehandel

Wie in so vielen anderen der insgesamt 493 Shoppingcenter in Deutschland lief es auch in den alten Arkaden nicht mehr gut. Schon vor der Pandemie standen Ladenflächen leer, und während der Lockdowns brachen die Umsätze im stationären Handel dann komplett ein.
Im Gegensatz zum Onlinehandel: 2021 haben laut Angaben des Statistischen Bundesamts 82 Prozent der Internetnutzer in Deutschland auch online eingekauft. Investoren machen deshalb einen großen Bogen um Einkaufszentren. Oder sie versuchen, den ganzen Laden von Grund auf umzukrempeln.
Unter bestimmten Voraussetzungen mit Erfolg, sagt Theresa Schleicher. Wenn sie mehr bieten als bloß Einkauf, erklärt die Retail- und Trendforscherin, die unter anderem für das beratende Zukunftsinstitut arbeitet. Um sich gegen den Onlinehandel zu behaupten, sollten Einkaufszentren auch selbst digitaler funktionieren.

Lifestyle Center mit nachhaltigem Konzept

Kunden könnten etwa von zu Hause aus schauen, wie voll es gerade im Einkaufszentrum ist, Dinge online reservieren, um sie dann vor Ort anzuprobieren, oder sich neben menschlichen Verkäufern auch von Robotern beraten lassen. Darüber hinaus müssten sich Shopping Center zu klimaneutralen Lifestyle Centern entwickeln, erwartet Theresa Schleicher.
„In den größeren Städten haben wir das Prinzip der 15-Minuten-Städte. Das heißt, alles sollte eigentlich in einem lokalen Bezirk innerhalb von 15 Minuten fußläufig erreichbar sein“, erklärt sie. „Menschen legen wesentlich mehr Wert auf regionale Angebote, auf eine gewisse Bequemlichkeit."

Das heißt: Ein Shoppingcenter muss wirklich gucken, was braucht es eigentlich genau in diesem direkten Umfeld? Was braucht ein Mensch, und zwar nicht nur im Konsumbereich, sondern auch möglichst in allen anderen Bereichen?

Theresa Schleicher, Trendforscherin

Zu Lifestyle Centern gehörten demnach zum Beispiel Fitnessstudios, Kitas, Arztpraxen, Büros, Wohnungen. Und noch mehr, meint Thomas Krüger. Der Professor für Stadtplanung lehrt und forscht an der Hafencity Universität in Hamburg. Einkaufszentrum müssten vielfältige Orte sein, sagt er.

Die Center müssten eigentlich ein Stück weit aufgebrochen werden, geöffnet zur Stadt. Wo ich das Gefühl habe: Ich bin nicht überall in einer Shopping-Zone. Sondern ich kann da auch einfach mal sitzen, mich mit Freunden treffen – und ich muss nichts konsumieren.

Thomas Krüger, Professor für Stadtplanung

Eine Wohlfühlatmosphäre als Mehrwert

Ob sich Wohlfühlatmosphäre künstlich erzeugen lässt? Im The Playce stehen im Untergeschoss Sitzgruppen mit gemütlichen großen Sesseln und eleganten Tischen. Boden und Wände in hellen Beige- und Grautönen. Außerdem soll die Umgebung rund um das Einkaufszentrum bis 2025 zur Fußgängerzone ausgebaut werden, und es sind mehr Grünflächen und Bäume geplant.
Standortspezifische Angebote, Aufenthaltsqualität: Stadtplaner Thomas Krüger ist trotzdem skeptisch: „Warum soll ich da hingehen? Die unterscheiden sich nur in der Größe, aber die Angebote sind im Prinzip mehr oder weniger alle gleich. Das ist meistens das Angebot, was ich eins zu eins auch im Internet kaufen kann. Es ist kein place to be.“
Die Betreiber von The Playce am Potsdamer Platz setzen deshalb auf Erlebnis-Shopping, erklärt Karl Wambach, der stellvertretende Geschäftsführer von Brookfield in Europa.

Es geht definitiv darum, etwas zu erfahren. Das ist auch einer der wenigen Aspekte, wie man sich vom Onlinehandel absetzen kann - dass man ein Happening daraus macht.

Karl Wambach, Brookfield Properties

Im Untergeschoss hat ein großer Spielwarenladen aufgemacht. Eine riesige Dinosaurierattrappe brüllt neben dem Eingang Kinder und Kunden an, ein lebensgroßes Pikachú-Maskottchen läuft durch den Laden. Außerdem sollen 25 Restaurants und Bars in das Einkaufszentrum mit einziehen.
Auch wechselnde Kunstobjekte sollen Menschen anlocken. Zurzeit hängen beispielsweise auf und ab schwebende bunte Kronleuchter in der großen Haupthalle des Gebäudes.

Kunden kritisieren die Veränderung

Bei den meisten Kundinnen und Kunden kommen die Umbauten allerdings nicht so gut an. „Ist absolut unfreundlich hier. Ich finde, die Arkaden waren viel netter gestaltet“, lautet eine Kritik. „Ich habe irgendwie mehr erwartet. Es wurde so lange gebaut, deswegen hat man gedacht, es wird was ganz Besonderes, aber es sieht halt normal aus“, eine andere.
Trendforscherin Theresa Schleicher ist trotzdem optimistisch, was die Zukunft der Einkaufszentren angeht. Prognosen nach werden 2050 70 bis 80 Prozent der Menschen in Städten leben. Intelligent genutzte Shopping Center beziehungsweise sogenannte Mixed-Use-Center oder Lifestyle-Hubs könnten dann Orte sein, an denen all diese Menschen finden, was sie brauchen, erklärt Theresa Schleicher.
„Es kann keine Veränderung entstehen, wenn nicht etwas Altes stirbt. Das heißt nicht, dass Einkaufszentren sterben. Das heißt aber, dass manche Konzepte, so wie sie heute sind, einfach dann nicht mehr den Veränderungen standhalten. Was aber eine Chance ist, dann eben auch neu zu denken“, sagt sie.
Mehr zum Thema