Einkaufen wie auf der Piazza
Das Kaufhaus könne als Geschäftsmodell nur überleben, wenn es sich grundlegend modernisiere, meint Dieter Hassenpflug von der Bauhaus-Universität Weimar. Vor allem komplexe Einkaufszentren mit viel Atmosphäre und einer Piazza, auf der man auch wetterunabhängig wandeln könne, seien für Käufer attraktiv, so der Stadtsoziologe.
Holger Hettinger: Der Karstadt-Mutterkonzern Arcandor steht vor der Pleite, ohne Staatshilfe werden die Karstadt-Warenhäuser wohl in die Insolvenz schlittern. Die Befürworter der Staatshilfe für Arcandor verweisen auf die 23.000 Mitarbeiter alleine bei Karstadt, aber auch darauf, dass die Innenstädte veröden würden ohne Kaufhäuser. Was ist dran an diesem Argument? Das erklärt uns nun der Stadtsoziologe Dieter Hassenpflug von der Bauhaus-Universität Weimar. Schönen guten Morgen!
Dieter Hassenpflug: Guten Morgen, Herr Hettinger!
Hettinger: Herr Hassenpflug, in der Diskussion über die Bedeutung der Kaufhäuser gibt es zwei gegensätzliche Positionen. Die einen sagen, dass die Zentren insbesondere kleinerer Städte veröden würden, wenn das Kaufhaus am Platze schließen muss. Die anderen sagen, dass das Konzept Kaufhaus ausgedient hat im 21. Jahrhundert. Wer hat recht?
Hassenpflug: Also ich denke, beide haben recht in gewisser Weise. In der Vergangenheit haben Kaufhäuser eine ganz wichtige Rolle gespielt bei der Belebung der Innenstädte, und das tun sie auch heute noch. Insofern besteht natürlich eine gewisse Gefahr, wenn Kaufhäuser verschwinden sollten aus den Innenstädten, dass es dann zu Einbrüchen kommt, dass Kunden sich anders orientieren müssen, zum Teil auf die grüne Wiese. Und insofern besteht durchaus eine Gefahr.
Hettinger: Der Philosoph Norbert Bolz schreibt in seinem Buch "Das konsumistische Manifest": "Früher ging es um klar artikulierbare Bedürfnisse, und der Kunde forderte: Befriedige mich! Als alle Bedürfnisse auf Dauer befriedigt waren, forderte der Kunde: Verführ mich!" Ist das eine Spur eventuell, sind Kaufhäuser nicht sinnlich genug und passen deshalb nicht in unsere Zeit?
Hassenpflug: Ja, sie sind sicher ein Geschäftsmodell, das 150 Jahre aufm Buckel hat und zu Ende geht, aber aus meiner Sicht bedeutet das eben nicht das Ende des Kaufhauses. Es hat ja durchaus in der Vergangenheit Versuche gegeben – das kann man bei Kaufhof relativ gut studieren mit dem Galeria-Modell –, auf diesen Erlebniskonsum, den Sie gerade erwähnt haben, einzugehen, aber es gibt eben auch ganz neue Einzelhandelskonzepte. Und da ragt sicher das Einkaufszentrum, also das multifunktionale, komplexe, mit vielen Geschäften ausgestattete Zentrum ragt heraus, und ich denke mal, dass in der Zukunft dort dem Kaufhaus eine neue Rolle zuwachsen wird. Also es wird sich integrieren müssen in solche Komplexe. Als alleinstehendes Gebäude hat es meiner Ansicht nach nicht mehr eine große Zukunft.
Hettinger: Das heißt also, die Kaufhäuser funktionieren huckepack mit diesen Einkaufszentren, oder man nennt die ja auch manchmal Malls nach amerikanischem Vorbild, weil da alle Sinne angesprochen werden, aber die sind doch ganz weit draußen, auf der grünen Wiese?
Hassenpflug: Na ja, also die Malls, darüber sollten wir hier gar nicht reden, das ist ein eher amerikanisches Phänomen. Unsere Malls sind eben unsere Fußgängerzonen in den Innenstädten, die wir haben. Und da können Kaufhäuser, und das haben sie auch in der Vergangenheit, eine ganz wichtige Magnet- oder Ankerrolle gespielt, wenn sie in guten Positionen waren. Und ich glaube, dass sehr gut gelegene Kaufhäuser auch in Zukunft diese Rolle weiterhin spielen können. Allerdings glaube ich, dass der wesentliche Strang in die Zukunft für Kaufhäuser die Rolle als Magnet in Einkaufszentren sind, die in den Innenstädten liegen. Also die Einkaufszentren in Deutschland sind kein Phänomen der grünen Wiese, sondern der Innenstädte.
Hettinger: Ist die eigentliche Konkurrenz des Kaufhauses nicht auch das Internet?
Hassenpflug: Ganz sicher spielt das Internet eine große Rolle. Wir haben an meiner Professur darüber geforscht und wir haben herausgefunden, dass es dort natürlich einen Trend gibt zum Erlebniseinkauf. Das Internet wird mehr und mehr den funktionalen Einkauf fürs tägliche Leben, für die Routinen sozusagen übernehmen, und der Einzelhandel in den Innenstädten, der muss sich tatsächlich, gerade was den Erlebniskonsum betrifft, aufrüsten. Denn gerade junge Kunden werden nach wie vor anstreben, in Innenstädte zu gehen, dort ihre Freunde zu treffen, und sie suchen nach Atmosphären. Und die müssen eben die Kaufhäuser bieten. Wenn sie das nicht können, werden sie vom Markt verschwinden.
Hettinger: Nur wenn sie diese Atmosphäre bieten, heißt das ja noch lange nicht, dass dort auch gekauft wird. Also wenn ich so in meiner jungen Verwandtschaft rumschaue, die gehen in die Innenstädte, essen dort ein Eis, lassen sich durch die Geschäfte treiben und bestellen nachher im Internet, wo’s billiger ist.
Hassenpflug: Also das müsste man ja erst mal genauer untersuchen. Ich glaube, dass Kaufhäuser, die eingedockt sind in Einkaufszentren, dass die besser dastehen, dass die Koppelgeschäfte machen können, dass das funktionieren könnte. Also wir brauchen neben der klassischen Fußgängerzone mit der Funktion der solitären Einkaufszentren, des solitären Kaufhauses, brauchen wir Einkaufszentren, die diese Komplexität und Atmosphären bieten, die also Piazza-Funktionen anbieten können, auch wetterunabhängig. Also wir müssen verschiedene Dinge sehen. Im Moment wird meiner Ansicht nach sehr ideologisch diskutiert über diese Frage der Kaufhäuser. Es muss getestet werden, wie weit sind Managementfehler eine Ursache, wie weit ist das durch die Weltwirtschaftskrise verursacht das Problem, wie weit haben wir veraltete Geschäftsmodelle, wie weit gibt es falsche Lagen für diese Kaufhäuser. All das ist meiner Ansicht nach noch nicht hinreichend geprüft. Und ich glaube, diese Arbeit muss erst erledigt werden und dann kann man genau sagen, wie es weitergeht und wo es weitergeht.
Hettinger: Sie haben eben gesagt, es wird sehr ideologisch diskutiert, wie meinen Sie das?
Hassenpflug: Na ja, also es gibt so eine Position, die in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert wird: Sie müssen auf jeden Fall erhalten werden, es muss eine staatliche Unterstützung geben, es müssen Bürgschaften und so weiter organisiert werden. Und diese Aussagen werden getroffen, ohne dass man eben diese Einzelfall- oder diese genaue Analyse hat. Der räumliche Aspekt, über den wir gerade diskutieren, der spielt eine sehr geringe Rolle. Es wird nur gedroht, es gibt eine Verödung der Innenstädte, ohne darüber zu diskutieren, was an Alternativen sich inzwischen entwickelt hat und wie eine Restrukturierung in diesem Bereich funktionieren muss. Und dann gibt es auf der anderen Seite sozusagen eine ordnungspolitische Position, und die besagt, der Markt muss das allein regeln. Und ich glaube, wir brauchen erst mal eine genaue Prüfung dieser Dinge, die ich vorhin gerade angesprochen habe, bevor wir sagen können, inwiefern muss der Staat dort mit eingreifen und inwiefern muss er sich zurückhalten.
Hettinger: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann sagen Sie, man muss dem kritisch begegnen, dieser These, das Kaufhaus macht zu und dann ist die große Wüste in der Innenstadt, weil da ja irgendetwas nachrückt, weil diese Flächen anderweitig besetzt werden oder flankierend besetzt werden. Was genau ist das?
Hassenpflug: Ja, also es gibt eben Änderungen, und diese Änderungen sehe ich vor allen Dingen in zwei Bereichen: Also einmal in der Aufwertung, in der vor allen Dingen postmodernen Ästhetisierung, sage ich mal, von Fußgängerzonen und Innenstädten, da hat sich sehr, sehr viel getan in der Vergangenheit. Und eine andere Linie sehe ich eben in dem Aufkommen der Einkaufszentren, also dieser komplexen Einzelhandelsgebilde, in denen meiner Ansicht nach auch die Zukunft des Kaufhauses liegen könnte.
Hettinger: Aber die Aufwertung einer Fußgängerzone, ich meine, die sehen ja alle gleich aus, von Flensburg bis Freilassing: Blumenkübel, Bank und das war’s.
Hassenpflug: Ja, aber das ist doch nicht schlecht. Also das ist etwas Wiedererkennbares, und ich sehe da nichts Negatives darin, dass sie gleich aussehen. Man spricht ja auch von den Filialisten, man kann froh sein, dass es sie gibt. Und die Filialisierung wird auch für viele eine Alternative sein, in die Zukunft hineinzukommen, gerade für sehr kleine Händler. Und wir können überall in Deutschland beobachten, dass auch Anstrengungen unternommen werden, also es nicht nur bei dem Blumenkübel und den Bänken zu lassen, es gibt zum Beispiel die "Entente Florale" als Wettbewerb, an denen die Städte sich beteiligen können und wo man auch versucht, diesen Fußgängerzonen so etwas wie Alleinstellungsmerkmale zu geben.
Hettinger: Ich glaube, das spielt ja in eine ganz gewisse Richtung, nämlich auch in die Rolle der Anmutung. Welche Rolle spielt denn da die Architektur? Bei manchen Kaufhäusern stellt sich ja so diese Assoziation ein Konsumkathedrale und all das.
Hassenpflug: Ja, das ist natürlich eine ganz wichtige Frage. Also auch entscheidend für das Funktionieren von Kaufhäusern oder auch von Einkaufszentren ist ja nicht nur die Lage, sondern eben auch die Architektur. Und die spielt eine große Rolle und wird meiner Ansicht nach oft noch unterschätzt. Es gibt immer noch so einen quantitativen oder funktionalistischen Geist, und wir brauchen einfach oft bessere kontextsensible Architektur. Und dies kann man natürlich dann auch nur an Einzelbeispielen diskutieren. Da müsste man dann hingehen und sagen, hier funktioniert es und dort funktioniert es nicht. Aber zusätzlich zur Architektur, die beste Architektur nützt überhaupt nichts, wenn einfach auch die Lage nicht stimmt. Es gibt viele Beispiele in Deutschland, wo man Einkaufszentren gebaut hat und im Grunde damit Fußgängerzonen kaputt gemacht hat, weil die Frequenz nicht mehr richtig städtebaulich organisiert wird.
Hettinger: Schönen Dank! Das war der Stadtsoziologe Dieter Hassenpflug von der Bauhaus-Universität Weimar. Veröden die Innenstädte, wenn die Kaufhäuser schließen müssen - das war unser Thema.
Dieter Hassenpflug: Guten Morgen, Herr Hettinger!
Hettinger: Herr Hassenpflug, in der Diskussion über die Bedeutung der Kaufhäuser gibt es zwei gegensätzliche Positionen. Die einen sagen, dass die Zentren insbesondere kleinerer Städte veröden würden, wenn das Kaufhaus am Platze schließen muss. Die anderen sagen, dass das Konzept Kaufhaus ausgedient hat im 21. Jahrhundert. Wer hat recht?
Hassenpflug: Also ich denke, beide haben recht in gewisser Weise. In der Vergangenheit haben Kaufhäuser eine ganz wichtige Rolle gespielt bei der Belebung der Innenstädte, und das tun sie auch heute noch. Insofern besteht natürlich eine gewisse Gefahr, wenn Kaufhäuser verschwinden sollten aus den Innenstädten, dass es dann zu Einbrüchen kommt, dass Kunden sich anders orientieren müssen, zum Teil auf die grüne Wiese. Und insofern besteht durchaus eine Gefahr.
Hettinger: Der Philosoph Norbert Bolz schreibt in seinem Buch "Das konsumistische Manifest": "Früher ging es um klar artikulierbare Bedürfnisse, und der Kunde forderte: Befriedige mich! Als alle Bedürfnisse auf Dauer befriedigt waren, forderte der Kunde: Verführ mich!" Ist das eine Spur eventuell, sind Kaufhäuser nicht sinnlich genug und passen deshalb nicht in unsere Zeit?
Hassenpflug: Ja, sie sind sicher ein Geschäftsmodell, das 150 Jahre aufm Buckel hat und zu Ende geht, aber aus meiner Sicht bedeutet das eben nicht das Ende des Kaufhauses. Es hat ja durchaus in der Vergangenheit Versuche gegeben – das kann man bei Kaufhof relativ gut studieren mit dem Galeria-Modell –, auf diesen Erlebniskonsum, den Sie gerade erwähnt haben, einzugehen, aber es gibt eben auch ganz neue Einzelhandelskonzepte. Und da ragt sicher das Einkaufszentrum, also das multifunktionale, komplexe, mit vielen Geschäften ausgestattete Zentrum ragt heraus, und ich denke mal, dass in der Zukunft dort dem Kaufhaus eine neue Rolle zuwachsen wird. Also es wird sich integrieren müssen in solche Komplexe. Als alleinstehendes Gebäude hat es meiner Ansicht nach nicht mehr eine große Zukunft.
Hettinger: Das heißt also, die Kaufhäuser funktionieren huckepack mit diesen Einkaufszentren, oder man nennt die ja auch manchmal Malls nach amerikanischem Vorbild, weil da alle Sinne angesprochen werden, aber die sind doch ganz weit draußen, auf der grünen Wiese?
Hassenpflug: Na ja, also die Malls, darüber sollten wir hier gar nicht reden, das ist ein eher amerikanisches Phänomen. Unsere Malls sind eben unsere Fußgängerzonen in den Innenstädten, die wir haben. Und da können Kaufhäuser, und das haben sie auch in der Vergangenheit, eine ganz wichtige Magnet- oder Ankerrolle gespielt, wenn sie in guten Positionen waren. Und ich glaube, dass sehr gut gelegene Kaufhäuser auch in Zukunft diese Rolle weiterhin spielen können. Allerdings glaube ich, dass der wesentliche Strang in die Zukunft für Kaufhäuser die Rolle als Magnet in Einkaufszentren sind, die in den Innenstädten liegen. Also die Einkaufszentren in Deutschland sind kein Phänomen der grünen Wiese, sondern der Innenstädte.
Hettinger: Ist die eigentliche Konkurrenz des Kaufhauses nicht auch das Internet?
Hassenpflug: Ganz sicher spielt das Internet eine große Rolle. Wir haben an meiner Professur darüber geforscht und wir haben herausgefunden, dass es dort natürlich einen Trend gibt zum Erlebniseinkauf. Das Internet wird mehr und mehr den funktionalen Einkauf fürs tägliche Leben, für die Routinen sozusagen übernehmen, und der Einzelhandel in den Innenstädten, der muss sich tatsächlich, gerade was den Erlebniskonsum betrifft, aufrüsten. Denn gerade junge Kunden werden nach wie vor anstreben, in Innenstädte zu gehen, dort ihre Freunde zu treffen, und sie suchen nach Atmosphären. Und die müssen eben die Kaufhäuser bieten. Wenn sie das nicht können, werden sie vom Markt verschwinden.
Hettinger: Nur wenn sie diese Atmosphäre bieten, heißt das ja noch lange nicht, dass dort auch gekauft wird. Also wenn ich so in meiner jungen Verwandtschaft rumschaue, die gehen in die Innenstädte, essen dort ein Eis, lassen sich durch die Geschäfte treiben und bestellen nachher im Internet, wo’s billiger ist.
Hassenpflug: Also das müsste man ja erst mal genauer untersuchen. Ich glaube, dass Kaufhäuser, die eingedockt sind in Einkaufszentren, dass die besser dastehen, dass die Koppelgeschäfte machen können, dass das funktionieren könnte. Also wir brauchen neben der klassischen Fußgängerzone mit der Funktion der solitären Einkaufszentren, des solitären Kaufhauses, brauchen wir Einkaufszentren, die diese Komplexität und Atmosphären bieten, die also Piazza-Funktionen anbieten können, auch wetterunabhängig. Also wir müssen verschiedene Dinge sehen. Im Moment wird meiner Ansicht nach sehr ideologisch diskutiert über diese Frage der Kaufhäuser. Es muss getestet werden, wie weit sind Managementfehler eine Ursache, wie weit ist das durch die Weltwirtschaftskrise verursacht das Problem, wie weit haben wir veraltete Geschäftsmodelle, wie weit gibt es falsche Lagen für diese Kaufhäuser. All das ist meiner Ansicht nach noch nicht hinreichend geprüft. Und ich glaube, diese Arbeit muss erst erledigt werden und dann kann man genau sagen, wie es weitergeht und wo es weitergeht.
Hettinger: Sie haben eben gesagt, es wird sehr ideologisch diskutiert, wie meinen Sie das?
Hassenpflug: Na ja, also es gibt so eine Position, die in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert wird: Sie müssen auf jeden Fall erhalten werden, es muss eine staatliche Unterstützung geben, es müssen Bürgschaften und so weiter organisiert werden. Und diese Aussagen werden getroffen, ohne dass man eben diese Einzelfall- oder diese genaue Analyse hat. Der räumliche Aspekt, über den wir gerade diskutieren, der spielt eine sehr geringe Rolle. Es wird nur gedroht, es gibt eine Verödung der Innenstädte, ohne darüber zu diskutieren, was an Alternativen sich inzwischen entwickelt hat und wie eine Restrukturierung in diesem Bereich funktionieren muss. Und dann gibt es auf der anderen Seite sozusagen eine ordnungspolitische Position, und die besagt, der Markt muss das allein regeln. Und ich glaube, wir brauchen erst mal eine genaue Prüfung dieser Dinge, die ich vorhin gerade angesprochen habe, bevor wir sagen können, inwiefern muss der Staat dort mit eingreifen und inwiefern muss er sich zurückhalten.
Hettinger: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann sagen Sie, man muss dem kritisch begegnen, dieser These, das Kaufhaus macht zu und dann ist die große Wüste in der Innenstadt, weil da ja irgendetwas nachrückt, weil diese Flächen anderweitig besetzt werden oder flankierend besetzt werden. Was genau ist das?
Hassenpflug: Ja, also es gibt eben Änderungen, und diese Änderungen sehe ich vor allen Dingen in zwei Bereichen: Also einmal in der Aufwertung, in der vor allen Dingen postmodernen Ästhetisierung, sage ich mal, von Fußgängerzonen und Innenstädten, da hat sich sehr, sehr viel getan in der Vergangenheit. Und eine andere Linie sehe ich eben in dem Aufkommen der Einkaufszentren, also dieser komplexen Einzelhandelsgebilde, in denen meiner Ansicht nach auch die Zukunft des Kaufhauses liegen könnte.
Hettinger: Aber die Aufwertung einer Fußgängerzone, ich meine, die sehen ja alle gleich aus, von Flensburg bis Freilassing: Blumenkübel, Bank und das war’s.
Hassenpflug: Ja, aber das ist doch nicht schlecht. Also das ist etwas Wiedererkennbares, und ich sehe da nichts Negatives darin, dass sie gleich aussehen. Man spricht ja auch von den Filialisten, man kann froh sein, dass es sie gibt. Und die Filialisierung wird auch für viele eine Alternative sein, in die Zukunft hineinzukommen, gerade für sehr kleine Händler. Und wir können überall in Deutschland beobachten, dass auch Anstrengungen unternommen werden, also es nicht nur bei dem Blumenkübel und den Bänken zu lassen, es gibt zum Beispiel die "Entente Florale" als Wettbewerb, an denen die Städte sich beteiligen können und wo man auch versucht, diesen Fußgängerzonen so etwas wie Alleinstellungsmerkmale zu geben.
Hettinger: Ich glaube, das spielt ja in eine ganz gewisse Richtung, nämlich auch in die Rolle der Anmutung. Welche Rolle spielt denn da die Architektur? Bei manchen Kaufhäusern stellt sich ja so diese Assoziation ein Konsumkathedrale und all das.
Hassenpflug: Ja, das ist natürlich eine ganz wichtige Frage. Also auch entscheidend für das Funktionieren von Kaufhäusern oder auch von Einkaufszentren ist ja nicht nur die Lage, sondern eben auch die Architektur. Und die spielt eine große Rolle und wird meiner Ansicht nach oft noch unterschätzt. Es gibt immer noch so einen quantitativen oder funktionalistischen Geist, und wir brauchen einfach oft bessere kontextsensible Architektur. Und dies kann man natürlich dann auch nur an Einzelbeispielen diskutieren. Da müsste man dann hingehen und sagen, hier funktioniert es und dort funktioniert es nicht. Aber zusätzlich zur Architektur, die beste Architektur nützt überhaupt nichts, wenn einfach auch die Lage nicht stimmt. Es gibt viele Beispiele in Deutschland, wo man Einkaufszentren gebaut hat und im Grunde damit Fußgängerzonen kaputt gemacht hat, weil die Frequenz nicht mehr richtig städtebaulich organisiert wird.
Hettinger: Schönen Dank! Das war der Stadtsoziologe Dieter Hassenpflug von der Bauhaus-Universität Weimar. Veröden die Innenstädte, wenn die Kaufhäuser schließen müssen - das war unser Thema.