Einigung im Gasstreit

Gasversorgung bleibt unsicher

Gaspipeline im slowakischen Kapusany
Russland und die Ukraine haben sich im Gasstreit vorerst geeinigt. © dpa / Eustream
Von Theo Geers · 31.10.2014
Die Einigung im russisch-ukrainischen Gasstreit ist zunächst eine gute Nachricht, kommentiert Theo Geers. Westeuropa könne aber nicht ausschließen, dass Kiew bei Verschärfung des Konflikts mit Moskau Transitgas anzapft - denn die beiden Länder seien sich nach wie vor spinnefeind.
Auch gute Nachrichten können reichlich Unbehagen zurück lassen. Die endlich erzielte Einigung zwischen der Ukraine und Russland über ihre Gasgeschäfte hat diese Qualität einer unbehaglich guten Nachricht. Natürlich ist die Nachricht zunächst gut. Zwei Länder, die gerade in einem offen militärisch ausgetragenen Konflikt miteinander stehen, können sich auf einem anderen Gebiet noch einmal zusammenraufen.
Moskau und Kiew sind weiterhin Feinde
Aber man muss nur zwei Tage weiter denken, an die für Sonntag geplanten Pseudowahlen in der Ost-Ukraine, um ernüchtert wieder feststellen: Moskau und Kiew stehen sich weiterhin spinnefeind gegenüber und wenig bis nichts deutet auf eine Wende zum Besseren hin, auch nicht im Verhältnis zwischen Russland und den übrigen europäischen Staaten.
Die Gräben bleiben tief. Und quer zu diesen Gräben verlaufen nun mal die Pipelines für das russische Erdgas, von dem Westeuropa zu gut einem Drittel und einzelne Länder, darunter auch Deutschland, in noch höherem Grad abhängig sind. Da bleibt Unbehaglichkeit zurück - ausgerechnet im Winter, wo man es lieber behaglich hat. Denn selbst wenn Kiew jetzt alte Rechnungen erst einmal begleicht und Russland gegen Vorkasse wieder neues Gas liefert: Der Ruf Russlands als verlässlicher Gaslieferant bleibt weiter schwer angekratzt.
Völlig überhöhter Gaspreis
Der Gasstreit begann, weil zunächst im letzten Winter ausgerechnet die Regierung des pro-russischen Präsidenten Janukovic ihre Gasrechnung nicht bezahlte. Als Janukovic dann im Februar aus dem Amt gejagt war, präsentierte Moskau kurz danach die offene Gasrechnung der ungeliebten neuen prowestlichen Regierung in Kiew. Das wäre sogar noch in Ordnung gewesen. Auch Moskau kann erwarten, dass geliefertes Gas auch bezahlt wird. Nicht in Ordnung war, dass mit 485 Dollar pro 1000 m³ plötzlich ein völlig überhöhter Gaspreis verlangt wurde. Da ist die Maske gefallen, da wurde - allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz - Gas als Waffe eingesetzt: Bist du nicht willig, knöpf ich Dir 485 Dollar ab, lenkst Du ein, bekommst Du weiter den alten Vorzugspreis von nur 268 Dollar. Das war damals die Botschaft aus Moskau an Kiew.
Wer aber einen ohnehin am Boden liegenden Nachbarstaat vor solche Alternativen stellt, übt ökonomischen Druck aus, Gas wird in diesem Moment zur Waffe. So springt ein zivilisiertes Land nicht mit einem Nachbarland um. Für die Ukraine hat sich so gesehen das monatelange Pokern und das Hinhalten auch des EU-Vermittlers Günter Oettinger sogar gelohnt. Für den kommenden Winter zahlt sie jetzt mit 385 Dollar in etwa das, was dem Weltmarkt entspricht.
Doch aus westeuropäischer Sicht bleibt die Ukraine als Transitland für russisches Gas ein unsicherer Kantonist – wegen des Konflikts mit Russland, aber auch wegen ihrer desolaten wirtschaftlichen Lage. Das Land ist praktisch pleite. Niemand kann ausschließen, dass Kiew nicht doch wieder für Westeuropa bestimmtes Transitgas anzapft, wenn zum Konflikt mit Moskau neue oder abermalige Not hinzukäme.
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