"Einigung der europäischen Armeen vorantreiben"

Egon Ramms im Gespräch mit Hanns Ostermann · 31.01.2013
Vor 20 Jahren wurde das Eurokorps gegründet, aber eine gemeinsame europäische Armee gibt es noch nicht. Der ehemalige Bundeswehr-General Egon Ramms sieht dazu keine Alternative und fordert im aktuellen Mali-Einsatz eine breitere deutsche Hilfe.
Hanns Ostermann: Feierlich wird es heute Abend in Straßburg zugehen, und das aus zwei Gründen: Das Eurokorps beendet den einjährigen Einsatz in Afghanistan und es begeht den 20. Jahrestag seiner Gründung. Allerdings, gibt es wirklich Anlass zum Feiern? Ist diese Armee auch effektiv und erfolgreich? Und wie einig sind sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wenn es um die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung geht?

Beitrag in Ortszeit, Deutschlandradio Kultur (MP3-Audio) Annette Riedel über die Probleme einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Egon Ramms ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur, General a. D. der Bundeswehr, er war unter anderem Vorgesetzter des ISAF-Kommandeurs im Afghanistan-Einsatz. Guten Morgen, Herr Ramms.

Egon Ramms: Guten Morgen, Herr Ostermann.

Ostermann: Sind Sie selbst eigentlich ein Befürworter einer europäischen Armee?

Ramms: Ja, ich bin ein Befürworter einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, und in der Konsequenz dann daraus auch einer europäischen Armee. Und nach meiner Auffassung gibt es dazu langfristig keine Alternative.

Ostermann: Wir haben den französischen Außenminister eben gehört: Wir übernehmen die Verantwortung und die anderen folgen. Sind Franzosen, um ein Beispiel zu nennen, überhaupt bereit, sich unter- und einzuordnen?

Ramms: Also, wenn wir das Eurokorps als Beispiel nehmen, dann haben wir eine solche Situation dort. Dort arbeiten wir mit den Franzosen sehr eng und sehr gut zusammen, allerdings auf dem militärischen Sektor. Da ist die politische Ebene, spielt da eine etwas andere Rolle.

Ostermann: Woran denken Sie da konkret?

Ramms: Ja, wenn wir politisch zusammenkommen wollen, und das hat ja der Beitrag gerade auch gezeigt, dann sind die Entscheidungsfindungen deutlich langwieriger, das ist der eine Teil dabei. Und siehe mit Blick auf die Syrien-Politik: Man geht auseinander, ohne die entsprechende Übereinkunft erreicht zu haben, und dann schwimmt das Schiff oder dümpelt das Schiff langsam weiter, ohne Fahrt aufzunehmen.

Ostermann: Nicht zuletzt die derzeitige deutsche Haltung steht in der Kritik, das haben Sie eben auch gesagt, denkt man an den Einsatz in Mali. Berlin stellt drei Transall-Maschinen zur Verfügung, überlegt jetzt einen weiteren Schritt, aber diese Maschinen für afrikanische Soldaten, nicht für französische. Ist das angemessen?

Ramms: Also, warum man diesen feinen Unterschied macht, darauf habe ich keinen Einblick, sage ich ganz deutlich. Ich halte ihn nicht für richtig. Wenn man sich an einem solchen Einsatz beteiligt, auch mit der nötigen Entscheidungsfindung, bei uns inklusive der parlamentarischen Zustimmung, dann sollte man die Praxis schon etwas breiter machen. Man sollte auch französische Soldaten und andere transportieren, andere Güter transportieren, um tatsächlich Unterstützung zu leisten.

Ostermann: Wenn Sie an eine gemeinsame europäische Armee denken: Sind kleinere Länder in der Europäischen Union nicht zwangsläufig überfordert, für beide Bündnisse zu arbeiten, auch für die NATO?

Ramms: Also, zunächst mal sollten die Beiträge für die NATO und die Beiträge für eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sich nicht widersprechen, sondern sie können sich ergänzen. Ich möchte, Herr Ostermann, das Spektrum ein bisschen weiter aufmachen: Wenn die Amerikaner, der Präsident, der Verteidigungsminister, der vormalige, davon reden, sich auf den pazifisch-asiatischen Raum zu konzentrieren, müssen sich die Europäer die Frage stellen, was müssen wir tun, um die Lücke, die die Amerikaner hier bei uns hinterlassen, zu füllen? Diese Frage ist bisher politisch noch nicht gestellt worden.

Ostermann: Und was würden Sie als Militärexperte, als ehemaliger General antworten?

Ramms: Also, ich würde vorantreiben den europäischen Einigungsprozess. Wir brauchen einen politischen Überbau. Ich würde dann vorantreiben eine Einigung der europäischen Armeen über einen entsprechenden, ich sage mal, Streitkräfteplanungsprozess Europas. Das Problem ist dabei, dass viele Länder – auch das kam aus dem Beitrag deutlich zum Ausdruck – nicht bereit sind, ihre Souveränität aufzugeben oder Teile ihrer Souveränität aufzugeben, und das macht die ganze Sache schwierig.

Ostermann: Aber wie wollen Sie denn das politisch durchsetzen?

Ramms: Ich glaube, dass Europa den Zwang haben wird innerhalb der nächsten 30, maximal 40 Jahre, sich in diesem Bereich zusammenzuschließen. Weil alle Länder – Sie sprachen die kleinen Länder an – nicht mehr in der Lage sind, das gesamte Spektrum der militärischen Fähigkeiten abzubilden. Das heißt, wir müssen uns einigen, ich mache das, du machst etwas anderes, aber im Spektrum zusammen aller europäischen Länder müssen dabei die militärischen Fähigkeiten herauskommen, die man braucht, um auch einen solchen Einsatz wie den in Mali voll zu unterstützen. Meine Glückwünsche übrigens an das Eurokorps für die gute Rückkehr aus Afghanistan, wo sie ein Jahr waren, sie waren da mit 280, 270 Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften, das haben sie gut hinter sich gebracht.

Ostermann: Nun beherrscht die Finanzkrise die Europäische Union, der Weg aus der Krise ist schwer genug. Wie groß ist die Gefahr, dass das gemeinsame Sicherheitsinteresse nicht mehr bedient werden kann, nicht mehr durchgesetzt werden kann?

Ramms: Herr Ostermann, eine ganz glasklare Aussage: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik spielt seit dem Beginn der Finanzkrise 2008 in dem außenpolitischen Bereich der Europäischen Union keine Rolle mehr. Das heißt, dieser Bereich ist völlig in den Hintergrund getreten und wird wahrscheinlich auch erst wieder nach vorne kommen, wenn Euro-Krise, Währungskrise und andere Dinge mehr gelöst sind und man sich dann auf diesen, ich sage mal, Nebenaspekt europäischer Außen- und Sicherheitspolitik wieder neu konzentriert. Oder wenn wir durch ein äußeres Ereignis dazu gezwungen werden.

Ostermann: Und das könnte beispielsweise der internationale Terrorismus sein?

Ramms: Das könnte der internationale Terrorismus sein, ich glaube, dass die Franzosen in Mali richtig reagiert haben, und ich würde mir wünschen, dass sich die Europäer mit Blick auf Mali enger zusammenschließen würden und tatsächlich auch sich Gedanken darüber machen, wie man diesen dort, in diesem relativ nah an Europa angelegenen Bereich entsprechend bekämpfen kann.

Ostermann: Heute vor 20 Jahren wurde das Eurokorps gegründet. Über die künftige gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU sprach ich mit General a. D. Egon Ramms. Danke Ihnen und einen schönen Tag.

Ramms: Danke, gleichfalls.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
General Egon Ramms, Kommandeur des Allied Joint Force Command Brunssum der NATO
Egon Ramms© Bundeswehr
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