Einheit der Vielfalt
Tadanori Yokoo war einer der wegweisenden Avantgardisten in den 60er und 70er Jahren und erwarb sich weltweite Anerkennung durch seine Mischung aus abendländischen Pop-Ikonen und japanischer Kultur. Zum ersten Mal wird eine große Auswahl an Malereien und Plakatentwürfen des 70-jährigen japanischen Künstlers in der Pariser Kunststiftung Fondation Cartier gezeigt.
Lieblings-Farbe? Fetisch? Symbol? Rot ist in Tadanori Yokoos Gemälden allgegenwärtig – nicht nur als vom Licht provozierte Sinneswahrnehmung für unser Auge, sondern auch als inniger Ausdruck innerer Welten.
"Ich kann nicht sagen, dass ich Rot hasse. … in der roten Farbe steckt eine Kraft. Dank der Energie der roten Farbe habe ich das Gefühl, aus mir Dinge rauszubringen, die versteckt in mir geschlummert haben. … Aber Rot ist auch eine gewalttätige Farbe. Es ist die Farbe der Gewalt. … Es ist eine Farbe, die sowohl das Leben als auch den Tod beinhaltet."
Leben und Tod als Gradmesser seines lebenslangen künstlerischen Schaffens. 70 Jahre alt ist er, noch kein graues Haar in Sicht, die Augen funkeln, die Erinnerung läuft auf Hochtouren. Als Leitmotiv prangt auf einem Gemälde der Satz: "Only in desperation true art is achieved" - "Nur in der Verzweiflung wird wahre Kunst erreicht".
"Ich denke, das stimmt. In Japan sagen wir: Wenn man in seinem Leben nie die Hölle erlebt hat, dann ist man nicht in der Lage, das Leben angemessen zu schätzen. Es ist jedenfalls schwierig, das Leben zu schätzen, wenn man die Hölle nie erlebt hat. In diesem Sinn verwende ich diesen Spruch in meinem Werk."
Etwa auf jenem Gemälde mit Sternenhimmel und Flussufer, das am Anfang seiner roten Serie stand, die eigentlich keine Serie werden sollte. Ursprünglich wollte er bei "landscape with stream" im Land der aufgehenden Sonne einen Sonnenuntergang darstellen, in blauer Farbe. Doch aus unerfindlichen Gründen hat schließlich Rot die Oberhand behalten, Erinnerungen und Unterbewusstsein wachgerufen, beschreibt Kuratorin Kata Charesse den Ansatz des Ästheten:
"Wir sehen hier einen Himmel mit vielen kleinen Punkten, einen Sternenhimmel, eine rote Milchstrasse. Yokoo ist sehr geprägt worden von den Bombennächten im Zweiten Weltkrieg in Japan. Er war damals neun oder zehn Jahre alt, als über der Stadt Kobe die Bomben explodierten. Er wohnte in einem kleinen Dorf nebenan. Die Berge bildeten eine natürliche Grenze zwischen seinem Dorf und Kobe. Er konnte damals diesen rot erleuchteten Himmel sehen, der einerseits etwas Erhebendes, aber gleichzeitig etwas Schreckliches hatte. Das ist etwas, was ihm im Gedächtnis geblieben ist und das wir oft in seinen Arbeiten wiederfinden können."
In Japans Kunstszene ist Yokoo eine lebende Ikone - vor allem wegen seiner weltberühmten graphischen Werke, die bereits in den 50er und 60er Jahren für Furore sorgten. Verrückte Mischungen zwischen psychedelischen Ausdrucksformen, westlichen Marilyn-Silhouetten und japanischer Geisha- und Design-Tradition. Jahrzehntelang stand sein Design im Vordergrund, obwohl er immer auch gemalt hat.
1980 entschied er sich endgültig der Malerei den Vorrang einzuräumen. Oder - wie er es selbst betont - er ist über einen Umweg über die Graphik zur Malerei zurückgekehrt. Auch mit dem Pinsel provoziert er ungläubige Blicke: Wenn er surrealistische Augen, Hut und Brille à la Magritte malt oder weit aufgerissene Münder wie bei Munch, kitschige Soldaten neben Meeresjungfrauen und einem aus einem Hollywood-Film entsprungenen Liebespaar stellt und wie bei "Malen nach Zahlen" durchnummeriert :
"Eines ist sicher: Ich stelle niemals offenbar gegensätzliche Dinge als widersprüchlich nebeneinander. Es wird beispielsweise von abendländischen und orientalischen Aspekten gesprochen oder von Nord und Süd oder von Vergangenheit und Zukunft. All diese in der abendländischen Kultur als gegensätzlich erscheinenden Elemente sehe ich nicht als zwei entgegensetzte Pole. Für mich bilden diese Dinge eine einzige Wirklichkeit. Das ist eine Recherche, die ich weiter führen möchte: Union oder Fusion von zwei offenbar widersprüchlichen Elementen."
Die Einheit der Vielfalt nähert sich etwa in einem seiner Geisha-Gemälde der Vollendung. Titel: "Blumen hie, Bäder da". Die Szene in der traditionellen japanischen Badeanstalt präsentiert sich uns nur oberflächlich besehen unverhüllt - tatsächlich sind die nackten Körper der Frauen gespickt mit rätselhaften Anspielungen auf abendländische Werte und Zitate von westlichen Künstlern - von Ingres über Picasso bis Picabia - erklärt Kuratorin Kata Charesse:
"Er hat eine einzigartige Weise, diese verschiedenen Kunststile zu vermischen und eine eigene künstlerische Bildsprache zu schaffen. Ihm gelingt es, wie aus Buchstaben einen neuen malerischen Wortschatz zu kreieren. Er zeichnet, vervielfältigt, wiederholt oftmals dieselben Motive und mischt dabei zwei Kulturen, zwei Sichtweisen und entwickelt daraus eine sehr persönliche Interpretation."
Service:
Die Ausstellung "Tadanori Yokoo" ist noch bis zum 28. Mai 2006 in der Fondation Cartier in Paris zu sehen.
"Ich kann nicht sagen, dass ich Rot hasse. … in der roten Farbe steckt eine Kraft. Dank der Energie der roten Farbe habe ich das Gefühl, aus mir Dinge rauszubringen, die versteckt in mir geschlummert haben. … Aber Rot ist auch eine gewalttätige Farbe. Es ist die Farbe der Gewalt. … Es ist eine Farbe, die sowohl das Leben als auch den Tod beinhaltet."
Leben und Tod als Gradmesser seines lebenslangen künstlerischen Schaffens. 70 Jahre alt ist er, noch kein graues Haar in Sicht, die Augen funkeln, die Erinnerung läuft auf Hochtouren. Als Leitmotiv prangt auf einem Gemälde der Satz: "Only in desperation true art is achieved" - "Nur in der Verzweiflung wird wahre Kunst erreicht".
"Ich denke, das stimmt. In Japan sagen wir: Wenn man in seinem Leben nie die Hölle erlebt hat, dann ist man nicht in der Lage, das Leben angemessen zu schätzen. Es ist jedenfalls schwierig, das Leben zu schätzen, wenn man die Hölle nie erlebt hat. In diesem Sinn verwende ich diesen Spruch in meinem Werk."
Etwa auf jenem Gemälde mit Sternenhimmel und Flussufer, das am Anfang seiner roten Serie stand, die eigentlich keine Serie werden sollte. Ursprünglich wollte er bei "landscape with stream" im Land der aufgehenden Sonne einen Sonnenuntergang darstellen, in blauer Farbe. Doch aus unerfindlichen Gründen hat schließlich Rot die Oberhand behalten, Erinnerungen und Unterbewusstsein wachgerufen, beschreibt Kuratorin Kata Charesse den Ansatz des Ästheten:
"Wir sehen hier einen Himmel mit vielen kleinen Punkten, einen Sternenhimmel, eine rote Milchstrasse. Yokoo ist sehr geprägt worden von den Bombennächten im Zweiten Weltkrieg in Japan. Er war damals neun oder zehn Jahre alt, als über der Stadt Kobe die Bomben explodierten. Er wohnte in einem kleinen Dorf nebenan. Die Berge bildeten eine natürliche Grenze zwischen seinem Dorf und Kobe. Er konnte damals diesen rot erleuchteten Himmel sehen, der einerseits etwas Erhebendes, aber gleichzeitig etwas Schreckliches hatte. Das ist etwas, was ihm im Gedächtnis geblieben ist und das wir oft in seinen Arbeiten wiederfinden können."
In Japans Kunstszene ist Yokoo eine lebende Ikone - vor allem wegen seiner weltberühmten graphischen Werke, die bereits in den 50er und 60er Jahren für Furore sorgten. Verrückte Mischungen zwischen psychedelischen Ausdrucksformen, westlichen Marilyn-Silhouetten und japanischer Geisha- und Design-Tradition. Jahrzehntelang stand sein Design im Vordergrund, obwohl er immer auch gemalt hat.
1980 entschied er sich endgültig der Malerei den Vorrang einzuräumen. Oder - wie er es selbst betont - er ist über einen Umweg über die Graphik zur Malerei zurückgekehrt. Auch mit dem Pinsel provoziert er ungläubige Blicke: Wenn er surrealistische Augen, Hut und Brille à la Magritte malt oder weit aufgerissene Münder wie bei Munch, kitschige Soldaten neben Meeresjungfrauen und einem aus einem Hollywood-Film entsprungenen Liebespaar stellt und wie bei "Malen nach Zahlen" durchnummeriert :
"Eines ist sicher: Ich stelle niemals offenbar gegensätzliche Dinge als widersprüchlich nebeneinander. Es wird beispielsweise von abendländischen und orientalischen Aspekten gesprochen oder von Nord und Süd oder von Vergangenheit und Zukunft. All diese in der abendländischen Kultur als gegensätzlich erscheinenden Elemente sehe ich nicht als zwei entgegensetzte Pole. Für mich bilden diese Dinge eine einzige Wirklichkeit. Das ist eine Recherche, die ich weiter führen möchte: Union oder Fusion von zwei offenbar widersprüchlichen Elementen."
Die Einheit der Vielfalt nähert sich etwa in einem seiner Geisha-Gemälde der Vollendung. Titel: "Blumen hie, Bäder da". Die Szene in der traditionellen japanischen Badeanstalt präsentiert sich uns nur oberflächlich besehen unverhüllt - tatsächlich sind die nackten Körper der Frauen gespickt mit rätselhaften Anspielungen auf abendländische Werte und Zitate von westlichen Künstlern - von Ingres über Picasso bis Picabia - erklärt Kuratorin Kata Charesse:
"Er hat eine einzigartige Weise, diese verschiedenen Kunststile zu vermischen und eine eigene künstlerische Bildsprache zu schaffen. Ihm gelingt es, wie aus Buchstaben einen neuen malerischen Wortschatz zu kreieren. Er zeichnet, vervielfältigt, wiederholt oftmals dieselben Motive und mischt dabei zwei Kulturen, zwei Sichtweisen und entwickelt daraus eine sehr persönliche Interpretation."
Service:
Die Ausstellung "Tadanori Yokoo" ist noch bis zum 28. Mai 2006 in der Fondation Cartier in Paris zu sehen.