Einfach abgetaucht

Von Marko Pauli |
Mit dem Nemo-100, dem ersten industriell gefertigten zivilen Klein-U-Boot Deutschlands, können Touristen Tauchfahrten unternehmen. Die halbe Stunde unter Wasser ist für 99 Euro zu haben, das ganze Boot für 180.000 Euro. Der Konstrukteur, Thomas Breinig, hat eineinhalb Jahre am ersten Modell gebastelt.
Ein sonniger Tag am schönen Helenesee. Die U-Boot-Touristen stehen auf einem Holzponton und warten. Der Grill brutzelt, die Stimmung ist aufgekratzt. U-Boot-Pilot Thomas Breinig steigt in die vordere Öffnung der selbst gebauten Nemo-100, gleich wird er den ersten Touristen mit in die Tiefe nehmen.

Einer nach dem anderen verschwindet für gut eine Viertelstunde im großen See. Die Sicht unten ist heute ziemlich eingeschränkt, höre ich, dennoch sind alle angetan. Irgendwann steige auch ich ins orange glänzende U-Boot. Thomas Breinig, grauschwarzes Haar und ebensolcher Vollbart, schließt die beiden Acrylglaskuppeln über uns.

"Kurz zur Erklärung, wenn wat sein sollte, dit is' hier Notaus, da geht’s auch gleich nach oben. So, jetzt tauchen wir erstmal ab."

Obwohl er heute schon mehr als zehnmal unten war, bleibt Thomas Breinig geduldig und gut gelaunt. In der Kuppel vor mir sehe ich ihn freundlich in Richtung Ponton schauen, langsam tauchen wir ab.

Thomas Breinig: "Und, wie ist dit Gefühl?"

Marko Pauli: "Ja, eigenartig."

Breinig: "Komisch, wenn das Wasser steigt, ne? Aber irgendwo auch unspektakulär, ich dachte, das wär' komischer, das Gefühl."

Pauli: "Reagieren manche panisch?"

Breinig: "Nee. Haben zwar viele angekündigt, dass sie panisch reagieren, hat aber noch keener gemacht. Hab auch schon einige drin gehabt, die von sich behauptet haben, dass sie Platzangst haben. Kann sein, aber hier drinne…"

Tatsächlich kein Problem, Schultern, Arme und Beine haben genügend Platz. Vorne kümmert sich Thomas Breinig um die Tauch- und Regelzellen. Das sind Tanks, die zum Absinken mit Wasser gefüllt werden und zum Auftauchen mit Luft. Jetzt gilt es, den perfekten Schwebezustand für die Tauchfahrt zu erreichen.

"Jetzt muss ick’n bisschen Wasser inne Regelzelle lassen, bis wir richtig weg sind. Jetzt sind wir…jetzt sind wir weg."

Kaum abgetaucht - ein Piepen. Dass sei die "Totmannschaltung", erfahre ich. Klingt unheilvoll, dient aber der Sicherheit.

"Wenn wir darauf jetzt nicht reagieren, werden die Tauchzellen angeblasen und es geht nach oben. Kann ja sein, dass wir aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in der Lage sind dazu."

Für uns geht’s aber erstmal weiter runter. Die maximale Tauchtiefe der Nemo liegt bei 50 Metern, so tief ist auch der See in etwa. Das Manometer, der Tiefenmesser, zeigt jetzt sieben Meter an. Zwar kann man durch die Kuppel in alle Richtungen schauen, der Blick bietet aber überall nur undurchsichtiges Grün, als hätte jemand zu oft den Tuschpinsel im Helenesee ausgewaschen.

Breinig: "Wie gesagt, die Sicht ist… Extrem viel Alge. Im Sommer hat man hier sehr viel Fisch stehen. Hier stehen immer ein paar Hechte, immer ein paar Schleie. Also beim Tauchen sieht man auch Fisch, aber man kommt nicht richtig ran, aber hier kommt man richtig ran. Also voriges Jahr konnte ick beobachten, wie Fischreiher sich Fische holen. Wie die sich in’t Wasser rin stürzen. Hab ick vorher noch nie jesehen, war genial."

Pauli: "Die haben auch keine Angst?"

Breinig: "Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, neugierig! Karpfenschwärme ums Boot, sind immer mitgekommen, immer rumgeschwommen."

Die zwei Propeller der Nemo bringen uns weiter voran. Den Strom für die Motoren liefern im Innenraum installierte Akkus. Mit einem Multifunktionsjoystick steuert der Pilot den Antrieb und die Höhen- und Seitenruder. Es gibt sogar eine Doppelsteuerung, über die auch der Co-Pilot ins Geschehen eingreifen könnte. Ich wüsste allerdings gar nicht, in welche Richtung. Thomas Breinig zum Glück schon.

"Ich hab vorne 'nen Kompass. Bei der schlechten Sicht geht’s gar nicht ohne Kompass, und ich hab immer Bodensicht durch die Scheibe vorne."

Seit September 2008 taucht der gelernte Fahrzeugschlosser und langjährige Kameramann Thomas Breinig mit der Nemo ab. Zuvor zeichnete und bastelte er gut anderthalb Jahre und mit der Unterstützung seiner beiden Geschäftspartner an diesem Prototypen.

"Ich hatte die Gelegenheit, ein Jahr lang ein U-Boot zu fahren, auch so’n kleines selbstgebautes. Und da ist die Idee entstanden, selber eins zu bauen und zu vermarkten. Weil ich gemerkt hab, jeder der ausgestiegen ist, hat gestrahlt. Die waren begeistert von dieser Tauchfahrt."

Ganz in der Nähe ist die eigene kleine U-Boot-Werft, an der gerade an einer zweiten Nemo gearbeitet wird. Diese soll in Serie gefertigt werden und dann an den schönsten Orten der Welt abtauchen.

"Und das ist ja unser Ziel, dass wir in die Gewässer kommen, wo die bunten Fischchen sind. Da wollen wir hin. Karibik ham wir was, Spanien, Griechenland, Kroatien. So einiges."

Dort, wo unter Wasser gearbeitet wird, also im Industrie- und Offshorebereich, interessiert man sich ebenfalls für das kleine, wendige U-Boot, mit dem man bis zu 96 Stunden unter Wasser bleiben kann. Aber auch Yacht-Besitzer, die sich ein zusätzliches Spielzeug mit an Bord nehmen wollen, haben sich schon gemeldet.

Das alles aber ist Zukunftsmusik, heute ist Thomas Breinig nicht nur Konstrukteur, sondern auch alleiniger Pilot der Nemo. Mit unserer Tauchtour endet auch sein langer Arbeitstag.

Pauli: "Und wie oft machen Sie das hier, einmal die Woche?"

Breinig: "Ja, mindestens."

Pauli: "Und dann immer so zehn Touren?"

Breinig: "Pro Tag so zehn Touren ist in Ordnung, mittlerweile ja. Also, ist Arbeit, ja. Macht Spaß, aber letztendlich ist es wirklich Arbeit. Man merkt’s dann abends doch, man ist wirklich geschafft."