Einerseits und andererseits

Von Michael Hollenbach und Claudia von Laak |
Sie ziehen nach Osten - immer mehr Niederländer entdecken den deutschen Westen - die Grenzregion zwischen Ostfriesland und der Grafschaft Bad Bentheim. Allein in der Grafschaft wohnen mittlerweile rund 10.000 Holländer - die Hälfte aller dort lebenden Ausländer.
Zuwachsraten in den vergangenen Jahren - jährlich 20 Prozent. Offiziell heißt man die Neubürger aus dem Oranjestaat Willkommen, aber nicht überall stoßen die holländischen Mitbürger auf Begeisterung, wie Michael Hollenbach erfahren hat.

Am Anfang war das Geld, und das Geld kam vom Staat. Vor acht Jahren gewährte die niederländische Regierung auch den Bauherren eine steuerliche Entlastung, die im Ausland ihr Häuschen bauen wollten. Bert Schipper hat sofort zugeschlagen und ist 2001 ins niedersächsische Bad Bentheim gezogen:

"In Holland sind die Grundstücke sehr rar geworden und die Preise von Immobilien waren damals schon hoch, sind noch viel höher geworden, und ich wollte immer bauen, und das ging in Holland gar nicht, da muss man zehn Jahre irgendwo wohnen und eingeschrieben sein in einer Liste, und dann bekommt man vielleicht eine Chance auf ein Grundstück, und dann muss man noch mal zehn Jahre da bleiben, ohne Bußgeld zu bezahlen."

Denn in vielen Gemeinden müssen die Eigentümer einen Teil des Gewinns an die Kommune abführen, wenn sie innerhalb der ersten zehn Jahre ihr Haus wieder verkaufen – eine Abgabe, um - bei dem knappen Bauland in dem am dichtesten besiedelten Land Europas - Spekulationsgewinne zu verhindern.

"Den Begriff Baulücke kennt man in Holland gar nicht."

Ähnlich wie für Bert Schipper waren auch für Jan van Deuren die Kosten für das neue Haus in der Grafschaft Bad Bentheim rund halb so hoch wie in Holland. Vor allem weil er damals – neben den holländischen Steuervergünstigungen - auch noch die deutsche Eigenheimzulage für seine Familie kassieren konnte.

"Ich konnte hier meinen Traum verwirklichen, dass ich ein Haus bauen konnte. Das war in Holland nicht möglich, das ist viel zu teuer und es gibt auch keine Grundstücke da und hier wohl."
Aber er sei nicht nur wegen des Geldes gekommen, sagt der Übersetzer, der Deutsch studiert hat und schon früher mit seiner Familie regelmäßig in Deutschland Urlaub gemacht hat.

"Es gibt wenig Graffiti hier, in den Städten auch weniger als bei uns, die Straßen sind ordentlicher, weniger Müll auf der Straße; auch nach Sylvester, die Telefonzelle steht noch ganz in Ordnung hier, ohne dass da demoliert wird."

Das sieht auch Bert Schipper so. Er arbeitet mittlerweile als Makler, um die niederländischen Grenzgänger, die sich auf der deutschen Seite niederlassen wollen, zu beraten.

"Allmählich merke ich, die finanziellen Motive werden immer schwächer und es gibt Leute, die ziehen um, weil die sozialen Umstände hier besser sind, weil man mehr Raum hat, dass man freundlich miteinander umgeht, Respekt noch hat füreinander, das Eigentum (..) unbeschädigt bleibt. (…) in Holland: wenn man sagt: mein Fahrrad ist geklaut worden oder mein Auto hat Kratzer, dann wird kaum noch die Mühe gemacht, das aufzunehmen, und hier in der Grafschaft Bentheim, da kommt es sogar noch in der Zeitung."

Bis 2001 traf man nur wenig Holländer in der Grafschaft. Dann kam der Boom: allein 2002 zogen 450 Niederländer Richtung Osten und bauten in Bad Bentheim ihr Häuschen. Seitdem haben sich mehr als 2000 in der Kleinstadt angesiedelt. In manchen neuen Wohngebieten kommen vier Fünftel der Bewohner aus dem Oranje-Land. So auch in der Siedlung "Pieper-Werning", die der Volksmund "Klein-Amsterdam" nennt. Die Politik hat auf die Konzentration der niederländischen Neubürger reagiert, sagt Bürgermeister Volker Pannen. Seit vier Jahren gibt es eine Kontingentierung der Grundstücke, eine Art Deutschen-Quote.

"Man hat dann dafür gesorgt, dass Einheimische überhaupt noch die Chance hatten, einen Bauplatz zu erwerben, und hat dann nicht nur die Zahl der an Auswärtige abzugebenden Grundstücke begrenzt, sondern auch insgesamt die Zahl der Grundstücke."
Eine der Folgen des Holländer-Booms: die Grundstückpreise entlang der Grenze sind auch auf der deutschen Seite kräftig angezogen.

Die Niederländerin Ina Hart lebt schon seit 22 Jahren in Gildehaus bei Bad Bentheim. Sie profitiert beruflich von ihren Landsleuten, die in den vergangenen Jahren in die Grafschaft gezogen sind. Denn an der Grundschule sind fast ein Fünftel aller Schüler holländische Kinder, und Ina Hart erteilt hier seit einigen Jahren NTC. Das Kürzel steht für "Nederlands Taal en Cultuur in Nedersaksen": ein vierstündiger Zusatzunterricht in niederländischer Sprache, Kultur und Geschichte.

"Das Interessante ist: der Unterricht wird erteilt von niederländischen Lehrerinnen und Lehrern, und er wird bezahlt aus Den Haag."

Sagt Schulleiter Fritz Niemeyer. Er hat schnell begriffen, dass man den holländischen Familien entgegenkommen muss. Denn anfangs waren die Neubürger von drüben nur abends und nachts in der Grafschaft.

"Es gab Familien, die sind komplett rübergefahren, Eltern mit den Kindern und sind abends wiedergekommen, und haben hier nur geschlafen."

Die Eltern haben weiter jenseits der Grenze gearbeitet, die Kinder sind in holländische Schulen gegangen. Von dieser Situation waren nicht nur die niederländischen Grenzgemeinden wenig begeistert, sagt Bürgermeister Volker Pannen.

"Es war ein Problem für die Kinder selbst, denn sie waren nicht mehr richtig in den Niederlanden verankert und konnten hier keine neuen Wurzeln schlagen, deshalb haben wir das auch mit großer Sorge betrachtet."

Die Grafschafter haben auf die Situation reagiert: Nachdem der holländische NTC-Unterricht angeboten wurde und die Grundschule – wie in den Niederlanden üblich - zur Ganztagsschule mit Mittagessen umfunktioniert wurde, meldeten immer mehr holländische Eltern ihre Kinder dort an.
Was für die Kinder kein Problem ist - das Miteinander mit einheimischen Freunden –, scheint den Erwachsenen schwerer zu fallen, meint die NTC-Lehrerin Ina Hart:

"Ich denke, dadurch dass mehr Holländer hierher kommen, ist es so, dass man sieht, überall tun die sich auch zusammen zu holländischen Grüppchen, und da denke ich, vielleicht sollten diese Menschen auch versuchen, sich zu integrieren. Das ist keine gute Entwicklung, man soll schon miteinander was machen und nicht die da und wir hier."

Das sieht auch Bärbel Günnemann-Wevel so. Sie wohnt in direkter Nachbarschaft zu "Klein-Amsterdam", jenem Wohnviertel, wo fast nur Holländer leben. Vor allem über ihre Kinder hat sie auch Kontakt zu holländischen Familien und in Gesprächen mit Müttern festgestellt, dass die Neubürger zum Beispiel ganz anders Advent und Weihnachten feiern.

"Ich fragte dann: Habt ihr überhaupt einen Adventskranz? Nee, das würden die gar nicht kennen, und auch keinen Adventskalender, klar, die haben ja auch keine Fixierung auf den 24. Dezember, bei denen ist Sinter Claas das Hauptfest."

Und das wird bereits am 6. Dezember gefeiert.

"Karfreitag zum Beispiel ist in den Niederlanden normaler Arbeitstag, und ist ja bei uns ein Feiertag, wo auch absolute Stille herrscht, und da gibt es dann einige, die dann Rasen mähen oder da läuft dann die Flex, das empfinde ich persönlich auch als störend, wenn dann Krach ist, auch an Feiertagen, das finde ich dann nicht so gut."

Oder auch die holländische Sitte, an Geburtstagen ein Feuerwerk zu zünden, sei mehr als gewöhnungsbedürftig.

"Das gab es früher nicht. Ich weiß nicht, wo die die herkriegen? Ich denke, die sammeln die Sylvester für das darauf folgende Jahr, damit die, wenn irgendwo eine Festlichkeit ansteht, so um elf Uhr lassen die Feuerwerkskörper los. Da sitzt man ahnungslos im Wohnzimmer und auf einmal knallt das dermaßen, also da erschrecke ich mich total, und dann denke ich immer: muss das denn jetzt sein. Das gab es früher definitiv nicht und wird auch von uns nicht übernommen."

Auch ohne zu wissen, wem jeweils das Haus in der Nachbarschaft gehört, kann Bärbel Günnemann-Wevel in der Regel genau sagen, wo Niederländer wohnen:

"Man kann das so sehen an der Deko: so wie das gemacht ist: da wohnt eine niederländische Familie, das kann man schon sehen, dass die einen anderen Stil mitbringen. Die Fensterbänke sind nicht so voll gestellt, nicht so Blümchen an Blümchen, auch sehr offen, die haben Gardinen nicht zugezogen, kann man weit durchgucken."

Die meisten der holländische Neubürger fühlen sich in ihrer neuen Heimat wohl. Doch manche überlegen schon, wie lange sie bleiben werden, sagt Jan van Deuren.

"Meine Frau hat Perioden, dass sie Heimweh hat. Wir kommen ja aus dem Westen, und da macht sich doch der Unterschied bemerkbar. Wir reden mal drüber: Bleiben wir hier, bleiben wir nicht hier, (…) "

Seine Frau vermisse doch sehr den Kontakt zu ihren alten Freundinnen:

"sie hat mehr Probleme, hier Kontakt zu finden, weil zum Beispiel, wenn sie mal unseren Sohn zu anderen Eltern bringt, dann spürt sie auch, dass man nicht weiterkommt als in den Flur, da wird in Holland gesagt: Komm doch mal rein und trink einen Kaffee mit. Die Leute sind distanzierter hier, das spürt man wohl. Und das vermisst sie auch wohl, diesen Kontakt."

Bürgermeister Volker Pannen fände es schade, wenn holländische Familien wieder zurückkehren würden. Trotz einiger Integrationsprobleme vor allem in den ersten Jahren des Einwanderungsbooms in die Region tun die Holländer der Grafschaft sehr gut, meint der SPD-Politiker.

"Ich bin ja auch in dieser Stadt aufgewachsen und ich glaube, dass sie fröhlicher, weltoffener und freier geworden ist, als sie früher war.

Die Niederländer sind sehr viel offener, auch im ersten Umgang miteinander, das merke ich stärker als früher, dass das die bad Bentheimer an den Tag legen."

Der Annäherungsprozess innerhalb der EU, der sei in der ehemaligen Grenzregion Bad Bentheim-Hengelo wie in einem Brennglas zu beobachten.

"Die Entgrenzung der Grenze, das ist in den letzten Jahren die Devise hier in Bad Bentheim, wir haben noch Reste davon, aber die Grenzöffnung hat dieser Stadt sehr, sehr gut getan, die Region in den Niederlanden direkt angrenzend ist auch wirtschaftlich sehr, sehr stark, und wir zählen mittlerweile auch zu den stärksten Regionen in ganz Niedersachsen, was früher ein Nachteil war, die Grenzlage, ist heute der entscheidende Vorteil der Stadt."

Polen in der Uckermark

Brüssow in der Uckermark, eine halbe Autostunde von der polnischen Großstadt Szczecin entfernt. Die polnische Maklerin Monika Lenart sitzt in Brüssows einzigem Café, trinkt einen italienischen Latte Macchiato und telefoniert mit dem deutschen Ordnungsamt.

Monika Lenart: "Piwonski ist für männliche, Piwonska ist für weibliche, ist Unterschied in polnische Nachnamen, Männer man schreibt mit i und Frauen mit a."

Die 32-Jährige ist vor einigen Jahren mit Mann und Tochter nach Brüssow gezogen. Sie lebt davon, leer stehende Häuser in der Uckermark an neue, polnische Besitzer zu vermitteln. Allein 50 waren es im letzten Jahr. Die Käufer sind wohlhabende Familien aus dem benachbarten Szcecin - dem früheren Stettin - die weiter ihrer Arbeit in Polen nachgehen, aber lieber in Deutschland wohnen möchten.

"Viele möchten auch ganz gerne eigene Kinder hier zur Schule bringen, also die Kinder wachsen dann zweisprachig auf, das ist für die Kinder später einfacher, in Zukunft Arbeit zu finden."

Als vor drei – vier Jahren die ersten Polen in die Uckermark kamen und Häuser kauften, rieben sich die Einheimischen verwundert die Augen. Wie geht denn das, fragten sie sich, wo haben denn unsere armen östlichen Nachbarn plötzlich das Geld her? Monika Lenart kennt diese Frage und lacht.

"Also es ist so, nicht alle Polen sind arm. Und manche Leute fragen, wie ist das, dass Pole haben dicke BMW zum Beispiel, wie ist das passiert, ich sage, manche haben Geld, also nicht alle sind arm."

Marta und Pawel Bures zum Beispiel. Vor ihrer alten Villa in Gartz an der Oder stehen zwar keine dicken BMWs, aber zwei große Geländewagen mit Szczeciner Kennzeichen.

Das alte Zollhaus in Gartz – eine repräsentative, dreistöckige Villa – stand lange leer. Bis Marta und Pawel Bures es entdeckten und sich in das Haus verliebten.

Bures: "War schöne Nacht mit vielen Sternen, romantische Nacht und wir haben gestanden und wir haben geguckt und war so schön, war so ruhig hier, das war große Liebe."

Polen ist seit 2004 Mitglied der EU, seit einem Jahr existieren keine Grenzkontrollen mehr zwischen Deutschland und Polen. Also warum nicht ein Haus in Deutschland kaufen und dort einziehen, sagten sich Marta und Pawel Bures. Schließlich ist die 400.000-Einwohner-Stadt Szczecin nur einen Katzensprung entfernt.

Bures: "Ich bin eines Tages in mein Büro gekommen und habe gesagt, ich werde nach Deutschland ziehen. Wir werden nächste Woche dort ein Haus kaufen. Wir sind sehr glücklich. Hey, Du bist verrückt, warum nicht in Polen? Du kennst die Nachbarn nicht. Es sind Deutsche, vielleicht mögen die Dich nicht. Vielleicht mögen sie es nicht, wenn Polen in Deutschland Häuser kaufen. Du bekommst Probleme in diesem kleinen Dorf."

Pawel Bures hat die Einwände seiner Kollegen ignoriert und gemeinsam mit seiner Frau die Villa in Gartz gekauft. 400 Quadratmeter Wohnfläche und ein großer Garten für läppische 40.000 Euro. In Szczecin hätte ich für dieses Haus zehnmal so viel bezahlt, erzählt der Marketingmanager auf Englisch und lacht. Mit seinem Deutsch hapert es noch. Aber in Gartz stellt man sich langsam auf die polnischen Neubürger ein, zum Beispiel bei der Sparkasse.

Bures: "Sie haben jetzt eine polnische Mitarbeiterin. Sie arbeitet dort einmal in der Woche. Und immer wenn ich hingehe, kann ich jetzt bei der Sparkasse meine Angelegenheiten auf Polnisch erledigen."

Mariola Zamoiska-Riedel, Sparkasse Uckermark: "”Es hat einige Jahre gedauert, aber mittlerweile merken die Unternehmen in der Uckermark, dass die östlichen Nachbarn auch ein positiver Wirtschaftsfaktor sind. Vor einem Jahr hat die Sparkasse Uckermark eine polnische Version ihrer Webseite ins Internet gestellt und die erste polnische Mitarbeiterin eingestellt.""

Mariola Zamoiska-Riedel trägt ein elegantes, knapp sitzendes Kostüm, ihre langen Fingernägel sind sorgfältig lackiert. Die Betriebswirtin betreut etwa 400 polnische Kunden der Sparkasse Uckermark, Tendenz steigend.

"Das ist wirklich schön, das macht mir total Spaß. Weil, wenn jemand kommt und weiß, er kann mit jemandem polnisch sprechen, das ist schon gleich ganz andere Gefühle, so eine Spontaneität, also mehr herzlich. Für die Kunden ist es wirklich schön."

Die 32-Jährige aus Szczecin ist mit dem evangelischen Pfarrer aus dem benachbarten Penkun verheiratet – eine deutsch-polnische Ehe, von denen es immer mehr gibt. Die Uckermark ist der Speckgürtel von Szczecin, sagt Mariola Zamoiska-Riedel. Die Vorteile der Uckermark für die polnischen Nachbarn:

"Günstige Immobilienpreise, besser als Stettin, das ist das eine. Das zweite ist hier eine schöne Landschaft, Ruhe, Ordnung, Sicherheit, in den letzten 18 Jahren große Investitionen in die Infrastruktur, das ist die Attraktivität."

Zurück im alten Zollhaus in Gartz. Marta Bures ruft ihren Mann. Es ist Zeit, die kleine Tochter Zosia aus dem Kindergarten abzuholen.

Aus einem Parterrefenster winkt ein Mann im blauen Arbeitsanzug. Holger Mietling, Inhaber eines Heizungs- und Sanitärbetriebs. Seit immer mehr wohlhabende Polen aus Szczecin nach Gartz ziehen und alte Häuser sanieren, ist sein Auftragsbuch gut gefüllt. Auch im alten Zollhaus der Familie Bures hat er die Heizung installiert.

Mietling: "Wir haben bisher dadurch mehr Aufträge erhalten und haben auch bisher gute Erfahrungen gemacht, nette, freundliche Leute. Wir können nichts Schlechtes berichten, wir können nur Gutes berichten."

Die sechsjährige Zosia, ein hübsches Mädchen mit dunklen Haaren und dunklen Augen, läuft Pawel Bures in die Arme. Seit sie in den Gartzer Kindergarten geht, spricht sie besser deutsch als ihr Vater. Eine Top-Bildung bekommen die Kleinen, sie wachsen zweisprachig auf, sagt Kindergartenleiterin Elke Sengebusch anerkennend. Eines von zehn Kindern der Kita Regenbogen stammt mittlerweile aus Polen.

Sengebusch: "Ich persönlich muss ihnen sagen, hier stehen viele Häuser leer, und die werden halt belebt von diesem Umzug von Polen nach Deutschland, das kann uns nur gut tun, muss ich so sagen."

Die leer stehenden, verkommenen Häuser in Gartz werden jetzt nach und nach saniert, Schandflecke beseitigt. Die Lebensqualität in diesem bislang unansehnlichen Städtchen steigt. Der Kindergarten bekommt Nachwuchs, und vielleicht – so hoffen die Gartzer – kann durch den Zuzug der polnischen Familien auch die Oberschule gerettet werden. Ihr Betrieb ruht zurzeit, die wenigen Schulkinder fahren mit dem Bus nach Schwedt. Der Gartzer Bürgermeister Burkhard Fleischmann:

"Vor allem bringen sie Kinder mit, die bei uns in den Kindergarten gehen, und die dann letztendlich in die Schule gehen werden. Und das ist ja auch ein Grund für die polnischen Bürger, dass sie sagen, sie gehen nach Gartz, um eine gute Schulbildung zu erhalten, und das fördern wir natürlich, und damit haben wir noch ein Argument mehr, um zu sagen, wir brauchen die Oberschule."

Es ist eine kleine stille Revolution, die sich im deutsch-polnischen Grenzgebiet nahe Szczecin vollzieht. Nach der Wende haben die Uckermärker den Polen den Rücken zugedreht, haben fast ausschließlich gen Westen geschaut. Von dort sollte die Hilfe kommen, die blühenden Landschaften, der Aufschwung. Dass die polnische Großstadt Szczecin wirtschaftlich prosperiert, dass die Oder hier keine Armutsgrenze mehr darstellt, das wird den Uckermärkern erst langsam bewusst. Reinhold Klaus, stellvertretender Landrat im Kreis Uckermark:

Klaus: "Stettin wird wieder an Bedeutung gewinnen. Und die Menschen werden sich nach und nach wieder von Berlin abnabeln und sich wieder dort hingezogen fühlen. Das ist einfach historisch gewachsen, das war damals so und das wird, weil das große Europa jetzt da ist, wird das in absehbarer Zeit wieder so kommen."

Und die Gartzer machen den Anfang. Nachdem sie vergeblich in Brandenburg und Berlin einen deutschen Arzt gesucht haben, der die freiwerdende Praxis in Gartz übernimmt, suchen sie jetzt östlich der Oder – vielleicht kommt ja jemand aus Szczecin.