Eine Zeit intensiven Lichts

07.11.2011
In der Nachfolge an Dichter wie Rolf Dieter Brinkmann oder Thomas Kling hat der deutsche Lyriker Norbert Hummelt sich einen Namen gemacht, aber auch als Übersetzer von William Butler Yeats und T. S. Eliot. Jetzt erscheint ein Band mit Gedichten unter dem Titel "Pans Stunde".
"Dichtung", so hat es der 1962 in Neuss geborene Norbert Hummelt einmal formuliert, ist Lichttherapie, auch wenn sie dunkel ist." In einem anderen Zusammenhang hat sich Hummelt, der 1993 mit dem Band "Knackige Codes" im Galrev Verlag debütierte, dazu bekannt, dass er das Wort "Licht" für "besonders unwiderstehlich" hält, besonders, "wenn es sich auf nicht reimt." Auch ohne Kenntnis dieser Aussagen wäre einem beim Lesen von Norbert Hummelts neuem Gedichtband "Pans Stunde" aufgefallen, wie häufig und in wie vielen Bedeutungsvariationen das Wort "Licht" in diesen Gedichten erhellende Verwendung findet.

Das einfallende, aufblitzende, fahle, gleißende oder auch grell scheinende Licht ist eine flüchtige Erscheinung. Lichtspiele sind Augenblickskonstellationen. Sie sind häufig nur von kurzer Dauer und unterliegen deshalb dem Diktat der Vergänglichkeit. Für den Dichter, der das "im Augenblick Gegenwärtige" in Worte verwandeln will, um es "im Bewusstsein dauerhaft anwesend" zu halten, stellt deshalb das Licht eine enorme Herausforderung dar. Zu jedem gelebten Augenblick gehört ein bestimmtes Licht.

In dem Titelgedicht "pans stunde" beobachtet das lyrische Ich, wie das Du, das ihn begleitet, die Kamera "scharf stellt", wobei sein Blick auf die "lichtempfindliche haut" seiner Begleiterin fällt. Er sieht es, aber Hummelts Gedichte bilden nicht einfach nur ab, sondern sie halten mit dem Augenblick, dem sie sich hingeben, auch zurückliegende und fototechnisch nicht zu reproduzierende Momente von längst Vergangenem fest. So, wenn in dem Gedicht "lichtbild" das Ich ein Bild aus der Kindheit vor Augen hat und zugleich weiß, dass eines dieser Kinder vom Blitz geholt werden wird.

Der sich in fünf Teile gliedernde Gedichtband wird mit "pans stunde" eröffnet und mit dem Gedicht "pan im schilf" beschlossen. Pans Stunde, das ist die Zeit, wenn die Sonne zur Mittagszeit am höchsten steht - eine Zeit intensivsten Lichts. Wenn es zur Mittagsstunde still wird, dann zieht sich Pan zurück, um auf seiner Flöte zu spielen. In panischen Schrecken vermag er die zu versetzen, die ihn in seiner Ruhe stören. Erschrocken reagiert das Ich in Hummelts Gedichten immer dann, wenn ihm das Vergehen von Zeit bewusst wird und sich das Vergessen der Eindrücke bemächtigt, die es gern erinnern würde. "eben noch waren wir beide kind", heißt es in dem Gedicht "abendlicht", "jetzt haben uns / alle zu haus vergessen, keiner fragt sich mehr, wo wir sind."

Insgesamt legt Hummelt mit diesem Gedichtband sechzig Gedichte vor, die in der Zeit zwischen Januar 2007 und April 2011 entstanden sind. Damit steht "Pans Stunde" in zeitlicher Folge zu dem Band "Totentanz" (2007), der die zwischen 2003 und 2006 entstandenen Gedichte enthält. Die Gedichte in "Pans Stunde", die Vergänglichkeit immer wieder neu spiegeln, die sich ganz dem Augenblick widmen und ihm so Dauer verleihen, sind von äußerster Zartheit.

Norbert Hummelt hat die Gedichte behutsam zueinander gestellt. Man merkt, dass hier komponiert wurde. Der in Berlin lebende Autor hat seinen Gedichten einen sehr eindringlichen, lange nachschwingenden Ton unterlegt, durch den sie über den Moment hinaus in Erinnerung bleiben.

Besprochen Michael Opitz

Norbert Hummelt: Pans Stunde. Gedichte
Luchterhand Verlag, München 2011
90 Seiten, 16,99 Euro
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